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SerieWie eine Badenerin den Kölner Karneval erlebt

6 min
Eine Frau steht zwischen zwei Kleiderstangen an denen diverse Karnevalskostüme hängen. Sie trägt eine bunte Garde-Jacke und einen schwarzen Hut mit grünen Federn.

Redakteurin Janina Rossignol bei der Karnevalkostümanprobe in Charlies Karnevalsshop.

Seit Juni lebt unsere neue Redakteurin Janina Rossignol im Rheinland, ab dem Elften im Elften erlebt die Badenerin ihre erste Karnevalssession in Rhein- Berg. Über ihre Erlebnisse schreibt sie in einer Serie. Im ersten Artikel erkundigt sie sich nach möglichen Fettnäpfchen.

Schon als ich im Juni nach Köln gezogen bin und noch herrliches Sommerwetter herrschte, war eine der ersten Fragen, denen ich mich von bereits eingelebten Zugezogenen stellen musste, ob ich den Kölner Karneval schon einmal miterlebt habe. „Nein“ lautete bisher immer die Antwort. „Da kommt noch etwas auf dich zu“, hieß es dann. Es folgten Schauergeschichten über den Zülpicher Platz am Rosenmontag, von Menschen, die auf die Straße urinieren, einer unerträglichen Geräuschkulisse und Geschäften, die sogar ihre Schaufenster verrammeln müssen.

Kein Fan von der Fasnet

Mit einer fünften Jahreszeit bin ich zwar schon vertraut, wo ich herkomme, aus dem badischen Offenburg, nennt man sie aber Fasnacht oder eher Fasnet. So vertraut mir die Fasnet ist, eigentlich war sie nie so mein Ding. Als Kind fand man das Verkleiden lustig und die zwar gruselig aussehenden, aber meist sehr lustigen Hexen, Geister und Teufel. Und auch wenn ich dem Verkleiden auch heute noch etwas abgewinnen kann, an die Musik, die meist aus einer Mischung aus Volksliedern und Ballermann-Schlagern besteht, werde ich mich nie gewöhnen, genauso wenig wie an die teils extrem enthemmten Narren, wie wir Badner sie nennen.

Dass man die Fasnet aber nicht mit dem Kölner Karneval vergleichen darf, das weiß man auch ohne Kölnerin zu sein. Um mich also auf das vorzubereiten, was auf mich zukommt, statte ich Charlie Röttgen einen Besuch ab. Er betreibt „Charlies Karnevalsshop“ in Bergisch Gladbach und ist bestens geeignet, einem Neuling wie mir die Eigenheiten des Karnevals zu erklären.

Fastelovend ist nicht Fasching

„Also wir sagen hier ,jeck' und das wird als Adjektiv für lustig, karnevalistisch oder auch verkleidet verwendet“, erklärt der Karnevalsprofi. Mit auf der Liste der No-Gos stünden Fasching statt Fastelovend. Und man ruft „Alaaf“, nicht „Helau“. Wie gut, dass man in der Heimat „Narri Narro “ ruft, so besteht schonmal keine Verwechslungsgefahr. Das, was übrigens in Baden von den Umzugswagen geworfen wird, nennt man Guzele statt Kamellen. So weit, so gut.

Während ich mich zwischen paillettenbesetzten Jacken und Federboas so umschaue, frage ich mich, ob es traditionelle Karnevalskostüme gibt. „Auf dem Straßenkarneval verkleiden sich die Leute als alles Mögliche, von Polizisten bis hin zu Nonnen“, erläutert Röttgen. Das bin ich schonmal gewohnt. Abgesehen von den Zunftmitgliedern, die in der Regel mit ihren schweren Holzmasken gruselige Gestalten darstellen, geht jeder auf die Fasnet, wie er möchte.

Kostüme werden oft zusammengestellt

Von den regulären Kostümen hätte sein Karnevalsshop allerdings weniger auf Vorrat. Hauptsächlich verkauften sie schicke Einzelteile, wie Garde-Uniformen, Petticoats oder auch Stücke, die zu „normalen“ Anlässen getragen werden. „Die Leute wollen sich ihre Kostüme zusammenstellen“, meint Röttgen. Die Karnevalswerkstatt, hinten im Geschäft, werde besonders gerne in Anspruch genommen. Dort werden aus einfachen Einzelteilen individuelle Accessoires gemacht, die genau zum Kostüm passen.

Als ich einen Blick in die Werkstatt werfe, ist Brigitte Meyer gerade am Werkeln. Sie sprüht Muscheln und kleine Plastik-Knochen goldfarben an. „Die sind jetzt zum Beispiel für einen Hut, der zu einem Piratenkostüm passen soll“, erzählt sie.

Der Karneval ist eine ernste Angelegenheit
Charlie Röttgen, Inhaber von Charlies Karnevalsshop

Beim Anblick der bunten und verzierten Jacken muss ich mir eingestehen, dass ich vielleicht doch etwas mit Karneval anfangen kann. Die Farben und die glitzernden und glänzenden Stoffe erinnern mich entfernt an die Feen- und Prinzessinnenkostüme von damals, auch wenn der Schnitt ganz anders ist. „Das ist exakt der Schnitt wie bei der Kölner Garde. Vorne an den Oberschenkeln wurde Freiraum gelassen, damit man auch reiten kann“, beschreibt der Kostümexperte und schmunzelt. Und er gibt mir noch einen Tipp: niemals die Gardekostüme mit den Ornaten verwechseln. Die sind nur für offizielle Amtsträger. „Der Karneval ist eine ernste Angelegenheit“, warnt er mich und muss direkt lachen.

Auch wenn ich mich für den Anfang nur informiere, probiere ich doch eine Jacke in den traditionellen Farben Weiß und Rot an, zusammen mit einem Schiffchen. „Gar nicht mal so übel“, denke ich , als ich mich in dem Dress begutachte. Schade, dass man nicht immer so hergerichtet herumlaufen kann. Dann fasse ich eines der moderneren Modelle ins Auge. Mit zwei Papageien auf dem Rücken, exotischem Blumenmuster und goldfarbenen Epauletten – das ist schon eher mein Stil. Kombiniert mit einem schwarzen Hut mit grünen Federn fühle ich mich darin sehr schick.

Eine Frau (Brigitte Meyer) steht hinter einer Werkbank auf der Piratenhüte liegen. Im Hintergrund ist Bastelmaterial zu sehen.

In der Werkstatt von Charlies Karnevalsshop werden die Accessoires von Brigitte Meyer passend zu den Kostümen gestaltet.

Aber wie sieht Karneval nun aus, muss ich mich fürchten, wie die Geschichten meiner Bekannten vermuten lassen? Röttgen kann mich beruhigen. „In Köln ist natürlich viel mehr los als hier in Bergisch Gladbach“, schickt er voraus. Gefeiert werde hier auch, aber geordneter. „Die Jugendlichen feiern oft mit Anarchie, wo und wann sie wollen und besuchen selten Sitzungen.“ Er selbst möge den Straßenkarneval auch lieber.

In Bergisch Gladbach, sei man aber gut aufgehoben. „In Refrath zum Beispiel ist der Zusammenhalt unter den Karnevalisten sehr gut. Man findet schnell Anschluss und kommt immer sicher nach Hause“, schwärmt Alexandra Burger, die für die Online-Inhalte des Karnevalsshops zuständig ist. Außerdem verrät Burger mir: „Der Karneval hier ist ungezwungener. Die Kölner machen das noch sehr traditionell, da gibt es keine Frauen im Dreigestirn, hier in Refrath kann jeder mitmachen.“ Während der Sitzungen gebe es in Köln nur Wein zu trinken, kein Bier. „Für mich kein Problem“, denke ich. Schließlich komme ich aus einer Weinregion.

Probieren geht über studieren

Jeck fühle ich mich nach meinem Besuch im Karnevalsshop noch nicht. Aber ich habe jetzt das nötige Hintergrundwissen, um zumindest nicht sofort in ein Fettnäpfchen zu treten. Wie der Kölner Karneval wird, darauf kann mich sowieso niemand vorbereiten, wie mir Röttgen mit auf den Weg gibt. Das kann ich nur erfahren, wenn ich dabei bin.

Eine Sache hat mich im Gespräch mit Charlie Röttgen besonders interessiert. Eine Studienfreundin von mir, die aus Grafschaft im Kreis Ahrweiler kommt und deutlich mehr Erfahrung mit dem Kölner Karneval hat, hatte mir von den „Bützje“ erzählt. Genauer gesagt hat sie mir erklärt, dass fremde Menschen einen auf dem Kölner Straßenkarneval schonmal einen Kuss verpassen könnten. Bei aller Aufgeschlossenheit – das brauche ich nun wirklich nicht. Muss ich damit aber wirklich rechnen? „Im Jahr 2025 ist das eine gute Frage“, sagt Röttgen und denkt kurz nach. „Eigentlich ist das Bützje ein unverfängliches Küsschen, meistens auf die Wange.“ Das könne durchaus noch beim Zug vorkommen, sei aber nicht mehr so gang und gäbe wie früher. „In der Regel merkt man aber schnell, ob das angebracht ist oder nicht und dann lassen es die Leute auch sein“, beruhigt er mich