In der Ausstellung kommt die Nachfolgegeneration von Sinti und Roma zu Wort, die unter dem NS-Regime verfolgt wurden.
„Nicht ohne uns über uns“Ausstellung über verfolgte Sinti und Roma lief in Köln statt in Bergheim

Jugendliche aus der Community haben die Ausstellung „Nicht ohne uns über uns“ mitgestaltet.
Copyright: André Bornhöfft
Franz Spindler überlebte den Holocaust. Die Nazis hatten ihn und seine Familie verfolgt, weil sie Sinti waren. Von seinen sechzehn Geschwistern überlebten nur er und zwei seiner Brüder das Konzentrationslager. Das erzählt seine Tochter Lolita Demestre dieser Redaktion. Viele weitere ihrer Angehörigen seien von den Nazis getötet worden. „Fast unsere ganze Familie“, sagt sie.
Seit fast 30 Jahren lebt Lolita Demestre in Bergheim. Für die Erinnerung an ihren Vater wirkte sie in einer Ausstellung der Sinti Allianz Deutschland mit. In „Nicht ohne uns über uns“ kommen sechs Menschen zu Wort, die der zweiten Generation der verfolgten Sinti und Roma angehören. Mit der Ausstellung sollen ihre Lebensgeschichten und das an ihnen begangene Unrecht aufgearbeitet werden.
Lebensgeschichten der zweiten Generation verfolgter Sinti und Roma
Die Gespräche mit den Interviewpartnern führten Jugendliche aus der Gemeinschaft. Jonny Wernicke von der Sinti Allianz Deutschland NRW erklärte, dass die Gruppe über ein Jahr lang daran gearbeitet hat. Neben den Gesprächen mit den Angehörigen waren sie auch im NS Dok und recherchierten digital bei den Arolsen Archives. Heraus kamen 28 laufende Meter an Schautafeln, die sie im Kulturbunker in Mülheim ausgestellt haben. Die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) und der Beauftragte für Kultur und Medien (BKM) förderten das Projekt.
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Lolita Demestre wirkte in der Ausstellung als Zeitzeugin mit.
Copyright: André Bornhöfft
Die Ausstellung zeigt auch die Kontinuitäten nach 1945. Denn dass die Diskriminierung mit dem Zweiten Weltkrieg kein Ende fand, kann die 1958 geborene Lolita Demestre aus erster Hand erzählen. Zunächst habe sie die Schule gar nicht besuchen dürfen. Als sie es dann doch durfte, war sie mit Stereotypen und rassistischen Beschimpfungen konfrontiert. Mit den Erzählungen ihres Vaters im Kopf sei es sehr schwer für sie gewesen, mit Menschen zu sprechen, die keine Sinti und Roma waren.
„Wir wussten: Diese Menschen haben unsere Leute nach Auschwitz gebracht“, sagt Lolita Demestre. Mit der Zeit habe ihre Familie vergeben können. Sie und ihr Sohn David Demestre, der ehrenamtlich Pastor einer Freikirche in Quadrath-Ichendorf ist, erklären, dass ihr Glaube an Jesus ihnen dabei geholfen habe.
Diskriminierung von Sinti und Roma hält weiter an
Jonny Wernicke von der Sinti Allianz Deutschland NRW erklärt, dass noch heute viele Menschen, die sich als Sinti oder Roma zu erkennen geben, Nachteile im Beruf oder bei der Suche nach Wohnungen erleben. Er kenne viele Angehörige und Freunde, die sich deshalb nicht als Sinti oder Roma geoutet hätten, um keine Diskriminierung erfahren zu müssen.
Dabei seien sie alle gut integriert: Er selbst ist im Sanierungsbereich tätig, sein Neffe ist Wirtschaftsinformatiker, David Demestre ist hauptberuflich Polsterer. „Wir wollen einfach als normale Bürger angesehen werden“, sagt Jonny Wernicke.
Ausstellung wird doch nicht in Bergheim gezeigt
Ursprünglich wollte der Verein die Ausstellung in der Gemeinde in Quadrath-Ichendorf zeigen, der David Demestre als Pastor vorsteht, zumal sich dort auch viele Sinti und Roma engagieren. Allerdings hätten sie dort in letzter Zeit oft Besuch vom Ordnungsamt bekommen. Erst dadurch habe die Gemeinde festgestellt, dass der Nutzungsplan der Immobilie nur erlaubt, die Räumlichkeiten donnerstags von 19 bis 21 Uhr und sonntags 9.30 bis 11.30 zu nutzen. Die Pressestelle der Stadt erklärte, es habe „wiederholt Beschwerden aus der Nachbarschaft zu Parkverstößen und Ruhestörungen“ gegeben.
Statt die Ausstellung also vier Wochen lang in Bergheim zu zeigen, konnte der Verein sie nur zwei Tage lang im Kulturbunker in Köln-Mülheim präsentieren. Jonny Wernicke erzählte, dass sie kurzfristig keine Möglichkeit gefunden hätten, die Ausstellung länger zu zeigen. Dem Verein und den Beteiligten bleibt es ein Anliegen, auf die Verfolgung der Sinti und Roma und den Kontinuitäten nach 1945 aufmerksam zu machen. „Es ist sehr gut, dass die Menschen das erfahren, sehen und hören“, meinte Lolita Demestre. „Unsere Jugend und unsere kleinen Kinder wissen das ja gar nicht mehr. Das darf nicht in Vergessenheit geraten.“