Die Zeit sei nicht geeignet, um an der Verwaltungsspitze erstmals Lehrjahre absolvieren zu können, sagt Carolin Weitzel (CDU) im Interview.
InterviewCarolin Weitzel: „Erftstadt braucht Stabilität, Kontinuität und Erfahrung“

Carolin Weitzel (CDU) strebt eine zweite Amtszeit an.
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Carolin Weitzel (CDU) ist seit 2020 Bürgermeisterin von Erftstadt. Bei der Kommunalwahl am 14. September strebt die 45-jährige Diplom-Verwaltungswirtin eine zweite Amtszeit an. Im Interview spricht sie unter anderem über ihre Motivation, erneut zu kandidieren, und blickt auf die vergangenen fünf Jahre zurück. Die Fragen stellte Eva-Maria Zumbé.
Frau Weitzel, Sie treten im September erneut zur Wahl an. Was motiviert Sie, wieder zu kandidieren?
Meine Amtszeit 2020 begann unter schwierigsten Bedingungen. Die Corona-Pandemie sowie das Flutereignis 2021 haben einen Großteil der personellen vorhandenen Kapazitäten der Stadtverwaltung in Anspruch genommen.
Zudem befand sich die Stadt in der Haushaltssicherung, bei der Stadtentwicklung herrschte Stillstand, weil in den Vorjahren bis 2020 im Stadtrat keine konstruktiven Beratungen mehr geführt und somit keine zukunftsorientierten Beschlüsse gefasst werden konnten.
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Ich möchte daher Begonnenes vollenden, Angestoßenes weiterentwickeln und Neues schaffen – darin sehe ich meine Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt.
Unsere Zeit ist geprägt von Krisen und großen Veränderungen. Umso mehr braucht Erftstadt Stabilität, Kontinuität und Erfahrung, um die erfolgreiche Arbeit der letzten fünf Jahre weiterzuführen. Die Zeit ist nicht geeignet, um an der Verwaltungsspitze erstmals Lehrjahre absolvieren zu können.
In Ihrer Halbzeitbilanz sagten Sie: „Es geht um das Wohl der Stadt.“ Wenn Sie auf Ihre bisherige Amtszeit zurückblicken, was sind Ihre größten Erfolge?
Bei den städtischen Finanzen wurde der jahrelange Verzehr von Eigenkapital gestoppt. So besteht die Aussicht, bald aus der Haushaltssicherung entlassen zu werden. Für mich haben viele Projekte einen besonderen Stellenwert, zum Beispiel:
Erftstadt wird Hochschulstandort. Mit der Ansiedlung der Hochschule des Bundes in Erftstadt. Es werden bereits ab 2027 rund 500 Studierende bei uns leben und unsere Stadt bereichern. Hinsichtlich der TH Köln gibt es konkrete Pläne. Sie sind die Voraussetzung für einen zukunftsorientierten Standort für Forschung, Wissenschaft und Lehre.
Bis auf wenige Grundstücke ist der Wirtschaftspark in Lechenich komplett vermarktet und eine Erweiterung auf den Weg gebracht. Die Ansiedlung neuer Unternehmen hat schon heute zu einer Verbesserung der Stadtfinanzen beigetragen. Darüber hinaus kann im Zuge der Regionalplanänderung ein neues Gewerbe- und Industriegebiet „Ville-Park“ entstehen, das die Stadt Erftstadt mit der Stadt Hürth entwickelt.
Zur Umsetzung des Rettungsdienst- und Brandschutzbedarfsplanes wurden entscheidende Weichen gestellt. Mit einem neuen Rettungsdienststandort in Friesheim wird die Versorgung im südlichen Stadtgebiet verbessert. Auch in Bliesheim entsteht ein neues Feuerwehrgerätehaus. Die Planungen für den Neubau einer zentralen Feuer- und Rettungswache in Lechenich sind angelaufen.
Ebenso der Wiederaufbau nach der Starkregen- und Flutkatastrophe ist nach vier Jahren sehr weit fortgeschritten. Wir haben Soforthilfe geleistet, 8,5 Millionen Euro Spendengelder an die Betroffenen gerecht verteilt und innerhalb kürzester Zeit unsere Infrastruktur weitgehend wiederaufgebaut.
Welche Rückschläge gab es?
Die Auswirkung der globalen Krisen bleiben vor allem den Kommunen nicht erspart. Ich hätte mir gewünscht, das Thema Haushaltssicherung endgültig hinter uns lassen zu können. Doch die Ausgaben für die Corona-Pandemie, die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sowie die enorm hohen Tarif-Abschlüsse haben uns in der Finanzwirtschaft so massiv zurückgeworfen, dass wir für die Haushalte 2024/2025 erneut ein Sicherungskonzept aufstellen mussten. Ein Rückschlag, der nicht von uns verschuldet oder verursacht worden ist.
Stichwort Haushaltssicherungskonzept. Wie wollen Sie die städtischen Finanzen in Zukunft stabilisieren, ohne wichtige Angebote weiter kürzen zu müssen?
Das Problem unserer Finanzen bildet sich im Wesentlichen auf der Einnahmeseite ab. Die Erträge aus der Vermarktung von Bau- und Gewerbegebieten sowie die sich daraus ergebenden Gewerbe- und Einkommensteuern braucht die Stadt dringend. Dafür wurde 2023 eine Stadtentwicklungsgesellschaft gegründet, um die Einnahmen dauerhaft zu steigern und zu stabilisieren.
Die Flutkatastrophe 2021 hat Erftstadt hart getroffen, Ende Mai gab es erneut Starkregen mit Überflutungen in Herrig. Wo sehen Sie in Sachen Hochwasserschutz Handlungsbedarf?
Unter reger Beteiligung der Bürgerschaft wird aktuell an einem Hochwasser- und Starkregenschutzkonzept für das gesamte Stadtgebiet gearbeitet. Erste Ergebnisse für einen wirksamen Hochwasserschutz liegen vor und können nach Abstimmung mit den beteiligten Fachbehörden sehr bald auch öffentlich vorgestellt werden.
Für Herrig wurde unmittelbar nach dem Ereignis Ende Mai ein eigenes Starkregenkonzept aufgestellt, das nach den Sommerferien der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Auch hier bin ich für die vielen Hinweise und Rückmeldungen der Betroffenen sehr dankbar. Sie sind in die Bewertung mit eingeflossen.
Wie wollen Sie die Bernd-Alois-Zimmermann-Musikschule angesichts knapper Kassen langfristig erhalten?
Das wird sich in den nächsten Haushaltsplanberatungen zeigen, wie die Stadtverordneten zum Erhalt der Musikschule stehen. Möglicherweise könnte eine interkommunale Zusammenarbeit in Betracht kommen. Dazu werde ich das Gespräch mit unseren Nachbarkommunen im Rhein-Erft-Kreis suchen.
Der Zeitplan für den Start der Hochschule des Bundes 2027 ist ehrgeizig, auch der Ausbau der K44 muss dann abgeschlossen sein. Ist Erftstadt dafür strukturell gut genug aufgestellt?
Selbstverständlich. Es sind Mittel hierfür im Haushalt vorhanden und das von mir eingerichtete Projektteam „Campuslandschaft“ leistet eine hervorragende Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Vorhabenträger und dem Rhein-Erft-Kreis.
Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit ein „neues Miteinander“ in der Politik angekündigt. Wie hat sich das Klima im Stadtrat seitdem verändert?
Zynismus, Polemik und überzogene ironische Bemerkungen erlebe ich nicht mehr. Diskussionen erfolgen weitgehend auf Sachebene. Ich lege größten Wert auf einen respektvollen Umgang, insbesondere gegenüber meinen Mitarbeitenden. Respekt, Anstand und Wertschätzung sind Motor für Motivation und Freude bei der Umsetzung der Beschlüsse. Schließlich geht um das Wohl unserer Stadt. Insofern freue ich mich sehr über die neue Gesprächs-Kultur und das Miteinander in der Stadt.
Was braucht Erftstadt in den nächsten fünf Jahren am dringendsten?
Mehr Personal, das uns in der Aufgabenerledigung unterstützt. Viele Stellen sind vakant. Wir suchen immer Fachkräfte in Kitas und im Feuerwehr- und Rettungsdienst, im technischen Bereich, zum Beispiel der Bäder und Stadtwerke und in der Gesamtverwaltung. Insgesamt sind wir in den letzten Jahren zu einem starken Team zusammengewachsen. Wir sind hoch motiviert, gemeinsam mit der Bürgerschaft und dem Rat unsere Stadt weiterzuentwickeln und den Bürgerservice auszubauen.
Unsere Stadt braucht in einer Zeit der Krisen und Veränderung besonders Kontinuität und Erfahrung sowie Mut zu Entscheidungen, die unsere Stadt voranbringen.