Experte über das Fahrradfahren in Rhein-Erft„Die Helmpflicht ist völlig sinnlos“

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Axel Fell, Vorsitzender des ADFC-Kreisverbands, legt im Jahr mehr Kilometer mit dem Rad zurück als mit dem Auto.

Axel Fell, Vorsitzender des ADFC-Kreisverbands, legt im Jahr mehr Kilometer mit dem Rad zurück als mit dem Auto.

  • Axel Fell ist Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) im Rhein-Erft-Kreis.
  • Im Interview äußert sich der Experte zum schlechten Abschneiden der Städte beim ADFC-Test, Falschparker und die Gefahr von E-Bikes.
  • Und er macht deutlich, warum er eine Helmpflicht für Radfahrer für völlig sinnlos hält.

Rhein-Erft-Kreis – Axel Fell aus Kerpen-Horrem ist Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC) im Rhein-Erft-Kreis. Der Kreisverband hat 1300 Mitglieder. Mit dem 59 Jahre alten Axel Fell, der demnächst für den ADFC-Landesvorsitz kandidieren will, sprachen Udo Beißel und Patrik Reinartz.

Herr Fell, beim Fahrradklima-Test des ADFC haben die Städte aus dem Rhein-Erft-Kreis fast alle schlecht abgeschnitten. Woran liegt das?

Die Städte aus dem Rhein-Erft-Kreis haben nicht genügend für die Radwege getan. Viele Fahrradfahrer fühlen sich gegenüber den Autofahrern benachteiligt. Die Radwege sind oft von schlechter Qualität, sie sind holprig, nicht breit genug und haben Schlaglöcher. Es geht dabei in erster Linie gar nicht um die Sicherheit. Wir sprechen in diesem Zusammenhang vom „Komfort“. Da geht es darum, ob die Radler sich auf den Wegen wohlfühlen. Ein Thema sind dabei auch die sogenannten „Bettelampeln“, an denen Radfahrer nur auf Knopfdruck Grün bekommen und dann sehr lange warten müssen, während die Autos immer weiterfahren dürfen.

Muss mehr Geld in den Bau und die Sanierung von Radwegen investiert werden?

Sanieren würde schon ausreichen. Im Großen und Ganzen ist das Radwegenetz im Rhein-Erft-Kreis gut ausgebaut. Nur sind viele Wege eben in einem schlechten Zustand. Bei den Städten türmen sich die Verkehrskonzepte, doch das reicht nicht aus. Es muss jetzt auch mal etwas davon umgesetzt werden.

Gibt es im Kreis auch konkrete Beispiele für gute Projekte für Fahrradfahrer?

Rund um Pulheim-Brauweiler zum Beispiel sind die Radwege saniert worden, sie sind auch ordentlich breit. Wie bequem das ist, merkt man, wenn man von dort nach Frechen-Königsdorf fährt. Dort herrscht ein einziges Chaos.

Vor einiger Zeit hat es eine Gesetzesänderung gegeben, dass Autofahrer beim Überholen Abstand von mindestens 1,50 Meter zu Radfahrern halten müssen. Hat das für mehr Sicherheit gesorgt?

Wir haben seitens des ADFC für diese Regelung gekämpft, und es ist gut, dass sie eingeführt wurde. Ich persönlich rate bei dem Thema aber zu etwas mehr Gelassenheit. Für geübte Radfahrer sind die Überholvorgänge kein großes Problem, und Unfälle sind sehr selten. Wenn es doch einmal zu einem Zusammenstoß kommt, dürfte es nur sehr schwer nachweisbar sein, dass der Autofahrer nicht genügend Abstand eingehalten hat.

Auf Radwegen geparkte Autos sind schon seit Jahren ein Problem. Haben Sie den Eindruck, dass bei den Autofahrern mittlerweile ein größeres Problembewusstsein entstanden ist?

Nein, überhaupt nicht. Es wird nach wie vor munter auf den Fahrradwegen geparkt, vor allem in den Innenstädten. Deswegen gibt es in Großstädten mittlerweile Poller an manchen Radwegen. Wir werden das für den Rhein-Erft-Kreis auch fordern, zum Beispiel an der Aachener Straße in Königsdorf, wenn dort nach der Fertigstellung des neuen Autobahnanschlusses die Verkehrsführung neu geregelt wird.

Was halten Sie von den E-Scootern, die es ja mittlerweile in einigen Städten des Rhein-Erft-Kreises gibt?

Die E-Scooter stören mich nicht als Fahrzeuge. Es macht mir nichts aus, wenn jemand mit dem E-Scooter auf dem Radweg unterwegs ist. Mich stört, dass die Dinger überall herumstehen und teilweise die Radwege blockieren.

Nach der jüngsten Polizeistatistik ist die Zahl der Unfälle mit Elektrofahrrädern im Rhein-Erft-Kreis gestiegen. Halten Sie die E-Bikes für gefährlich?

Es gab 102 Unfälle mit den Pedelecs. Es sind aber Tausende von Menschen mit den E-Bikes unterwegs. Im Jahr kommt da sicherlich eine sechsstellige Anzahl von Fahrten zusammen. Die Zahl der Unfälle ist also eher gering. Nein, die E-Bikes sind keine Gefahr. Die Leute müssen sich an die Fahreigenschaften gewöhnen, sie müssen meiner Meinung nach auch besser informiert werden, zum Beispiel beim Kauf oder auch bei einer unserer Veranstaltungen. Ein Pluspunkt ist, dass sich auch ältere Leute ein Pedelec kaufen, die sonst nie mehr Radfahren würden.

Über eine Helmpflicht für Radfahrer wird teils kontrovers diskutiert. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Ich halte die Helmpflicht für völlig sinnlos. Dies zeigen eine Vielzahl von Studien. Der Helm schützt nur bei einem verschwindend geringen Anteil von Unfällen, bei denen der Radfahrer auf den Kopf fällt. Deswegen eine Helmpflicht für alle zu fordern, ist nicht angemessen. Die Helmpflicht führt nur dazu, dass weniger Fahrrad gefahren wird. In Dänemark etwa hat allein eine Debatte über die Helmpflicht dazu geführt, dass der Radverkehr bis zu zehn Prozent zurückgegangen ist. Danach hat man die Überlegungen wieder eingestellt. Es gibt kaum Länder, in denen eine Helmpflicht gilt, und es gibt kaum jemanden, der sie fordert. Statt einer Helmpflicht ist meiner Meinung nach Eigenverantwortung gefragt und auch vorhanden.

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Ist wenigstens eine Helmpflicht für die Kindern sinnvoll?

Wenn Kinder ordentlich Fahrradfahren gelernt haben, sind sie meiner Meinung nach nicht mehr gefährdet als andere. Deswegen halte ich auch nichts von einer Helmpflicht für Kinder. Auch bei ihnen ist der Anteil der Unfälle, bei denen ein Helm helfen würde, verschwindend gering. Das ist statistisch nicht relevant.

Kann der ADFC den Fahrradfahrern zu mehr Sicherheit verhelfen?

Wir haben ein neues Projekt geplant, ein Fahrradschule. Zielgruppe sind Erwachsene, der Bedarf dafür ist da. Es gibt schon zwei Fahrradlehrerinnen im Rhein-Erft-Kreis, die ansprechbar sind. Als nächstes wollen wir Fahrräder besorgen. Um zu üben, wie man das Gleichgewicht hält, werden die Pedale abmontiert.

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