Schon mehr als 60 AnzeigenSo rücksichtslos wüten Metalldiebe auf Friedhöfen in Rhein-Erft

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Auf dem Foto ist ein Metallkreuz zu sehen, das so gerade eben noch von seiner Verankerung gehalten wird.

Mit roher Gewalt wollten Metalldiebe auch das Kreuz abreißen, das auf einem alten Grabstein steht.

Auf mehreren Friedhöfen vornehmlich im Norden des Kreises trieben Unbekannte zuletzt ihr Unwesen und hinterließen Orte der Verwüstung. Friedhofsbesucher sind besorgt.

Sie kommen meistens nachts, im Schutz der Dunkelheit: Metalldiebe. Sie stehlen Metalle von Baustellen, bauen Dachrinnen von Wohn- und Geschäftshäusern ab und rauben Kabel von Bahnstrecken. Um Bronze, Messing und andere Buntmetalle zu Geld zu machen, ist ihnen nicht einmal die Totenruhe heilig.

Auf mehreren Friedhöfen unter anderem in Bedburg, Elsdorf, Pulheim, mehrfach auch in Bergheim-Quadrath-Ichendorf und auf Ruhestätten in Erftstadt und Pulheim trieben solche Straftäter in den vergangenen Tagen ihr Unwesen und hinterließen Orte der Verwüstung. Mit roher Gewalt schlugen sie bei ihren Raubzügen die Metalle aus den Grabplatten und Grabsteinen, warfen dabei Blumenschmuck und Grablampen achtlos umher.

Rhein-Erft: Polizei geht 60 Anzeigen wegen Störung der Totenruhe nach

In Quadrath-Ichendorf etwa zertrümmerten sie die Gläser der Grablichter und verspritzten heißen Wachs über die Grabsteine. Damit nicht genug: Die Täter haben auf einem der Urnengräber sogar eine Grabplatte gestohlen, eine Statue umgeworfen und eine Mülltonne auf einem Grab ausgeleert.

Waren der Polizei des Rhein-Erft-Kreises am 10. März dieses Jahres insgesamt 40 solcher Straftaten bekannt, so haben die Beamten mittlerweile schon mehr als 60 Strafverfahren wegen der Störung der Totenruhe, schweren Diebstahls und Sachbeschädigung eingeleitet. Und es könnten noch weitere Anzeigen dazu kommen. „Wir wissen von aktuell 15 Fällen auf Friedhöfen in Erftstadt“, erklärt auf Anfrage Erftstadts Pressesprecher Christian Kirchharz.

Robert Sommer kniet am Grab seiner Frau. Jeden zweiten Tag ist er auf dem Friedhof. Seine Grabstätte blieb von der Schändung verschont.

Robert Sommer am Grab seiner Frau. Jeden zweiten Tag ist er auf dem Friedhof. Seine Grabstätte blieb von der Schändung verschont.

Alle von den Grabschändungen und Diebstählen betroffenen Angehörigen sind aufgerufen, sich bei der Polizei zu melden und die Straftaten zur Anzeige zu bringen, sagt er. Ähnlich wie in Bedburg, Elsdorf und Bergheim hatten es die Täter auch in Erftstadt auf Messing- und Bronze-Metalle abgesehen. „Wir erleben zurzeit sehr aufgebrachte und entsetzte Angehörige“, berichtet Kirchharz.

„Ich habe gerade in den sozialen Medien von den Grabschändungen gelesen und bin jetzt auf dem Weg zu unserer Grabstelle, um nachzusehen“, berichtet ein 55-Jähriger aus Quadrath-Ichendorf. „Solche Taten machen mich fassungslos“, sagt er bedrückt. „Haben die kein Gewissen?“, fragt sich auch Robert Sommer.

Solch eine Tat kann jeden treffen.
Peter Loosen

Jeden zweiten Tag geht er zum Grab seiner Frau auf dem Friedhof im größten Bergheimer Stadtteil. „Unsere Grabstelle ist nicht betroffen“, sagt er und zeigt dann auf die Urnengräber, die links und rechts neben der Grabstätte seiner Frau angelegt sind. „Wenn ich diese Verwüstung sehe, könnte ich heulen“, sagt er. „Die haben einfach alles kaputtgeschlagen.“ „Solch eine Tat kann jeden treffen“, befürchtet Friedhofsbesucher Peter Loosen (78).

„Als wäre der Satan persönlich hier gewesen“, merkt ein weiterer Friedhofsbesucher an und zeigt auf das schräg stehende Kreuz, das auf einem sehr alten Grabstein mehr hängt als steht. Um die Täter zu fassen, hat die Kreisstadt Bergheim eine Belohnung von 500 Euro ausgesetzt, für Hinweise, die zur Ergreifung des Täters oder der Täter beitragen.

„Grabschändung und Diebstahl auf Friedhöfen finde ich schlichtweg pietätlos“, sagt Kreisdechant Achim Brennecke. „Einen Toten beklaut man nicht.“ Ein Grab sei eine Stelle, wo Angehörige ihrer Verstorbenen gedenken. Wer solche Erinnerungsstätten beschädigt, verwüstet oder etwas stiehlt, der schände ja nicht nur den Verstorbenen, er führe ja auch den Angehörigen große seelische Schmerzen zu.

Wie groß dieser seelische Schmerz ist, weiß Monika Engels-Welter durch ihre Arbeit, aber auch aus eigener Erfahrung. Im vergangenen Jahr haben Metalldiebe am Grab ihrer Großeltern auf dem alten Friedhof in der Römerstraße in Wesseling das große Bronze-Kreuz einfach abgeflext und gestohlen. „Ich war sehr wütend, aber auch unsagbar traurig“, sagt sie. Als besonders schlimm habe sie die Hilflosigkeit empfunden, dass sie das Grab nicht vor solchen Taten habe schützen können.

Als Trauerrednerin und Floristin hat Engels-Welter oft auch mit Angehörigen von Verstorbenen zu tun. Und auch von ihnen weiß sie, wie sich Trauernde fühlen, deren Grabstelle zerstört, bestohlen und verwüstet wurde. „Viele weinen“, sagt sie. Andere mache die Tat sprach- und fassungslos. Es schmerze ihnen richtig in der Seele. Das sei wie Stiche mitten ins Herz.

Könnten Taten verhindert werden, wenn das Friedhofstor abends verschlossen wäre?

Dieses Gefühl der Ohnmacht und der Wut kennt auch der Ortsbürgermeister Quadrath-Ichendorfs, Erwin Schlachter: „Es ist richtig schlimm, was hier, aber auch auf anderen Friedhöfen passiert ist“, sagt er. Er habe schon überlegt, ob die Taten hätten verhindert werden können, wenn das Friedhofstor abends abgeschlossen wird. „Aber wahrscheinlich wären die Täter einfach über den Zaun geklettert.“ Zeitnah möchte er auf jeden Fall Kontakt mit dem Friedhofsamt aufnehmen, um mit den zuständigen Gremien über Schutzmaßnahmen zu sprechen. „Vielleicht können ja Kameras aufgestellt werden oder Wildkameras“, überlegt er.

Auf dem Foto ist ein Mülleimer zu sehen, in dem zerstörte Grabutensilien liegen.

Angehörige haben wie hier auf dem Friedhof in Quadrath-Ichendorf die Grabstellen aufgeräumt und die zerstörten Utensilien selber zum Mülleimer gebracht.

Die Polizei des Rhein-Erft-Kreises weist auf eine weitere altbekannte und effiziente Präventionsmaßnahme hin: Aufmerksamkeit. Die Beamten appellieren an die Friedhofsbesucher: Sie sollen die Polizei anrufen, wenn sie tagsüber oder auch am Abend Ungewöhnliches auf oder rund um den Friedhof beobachten, oder Personen sehen, die dort nicht hingehören, die möglicherweise sogar mit einer abgedeckten Schubkarre oder einem Handwägelchen vom Friedhof Richtung Auto gehen.

Unbekannte stehlen Bronzeschalen, Grableuchten und Figuren von Gräbern

Auch Sieglinde Dickhaus, die mit ihrem Mann Uwe ein Grabpflegeunternehmen in Pulheim betreibt, bittet Friedhofsbesucher aufmerksam zu sein und sich zu melden, wenn ihnen etwas auffällt. „Jeder kleine Hinweis kann helfen, gegen die Diebe vorzugehen. Die Kontaktdaten sind in den Schaukästen auf den Friedhöfen zu finden.“ Bei ihren Arbeiten auf dem Friedhof an der Blumenstraße war ihnen vor einigen Tagen aufgefallen, dass von vielen Gräbern Bronzeschalen, Grableuchten und Figuren gestohlen wurden.

„Wir sind traurig, dass in unserer Gesellschaft den Toten und deren Angehörigen so wenig Respekt gezollt wird.“ Neben dem materiellen Schaden sei der emotionale Verlust mitunter weitaus schlimmer. Wichtig ist Sieglinde Dickhaus dieser Hinweis: „Nur die Nutzungsberechtigten können Anzeige gegen unbekannt erstatten.“ Anzeige zu erstatten sei mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden. „Aber nur wenn Diebstähle angezeigt werden, kann gegen die unverschämten Diebe vorgegangen werden.“

Die Behördensprecherin der Kreisstadt Bergheim, Christina Conen-Gemmel, erklärt zudem, dass das Ordnungsamt unterstützt durch die Polizei verstärkt in den Abend- und Nachtstunden zu Kontrollfahrten an den Friedhöfen unterwegs ist. Alle Geschädigten ruft sie zudem auf sich zu melden, die Friedhofsverwaltung unterstützt die Geschädigten auch.


Aufmerksam sind auch die Schrotthändler wie Anno Zimmer, Geschäftsführer der Zimmer Schrott- und Metallhandels GmbH aus Hürth. Grableuchten aus Bronze und Messing, aber auch Buchstaben aus den Grabsteinen etwa von abgelaufenen Grabstellen nehme er nur gegen die Vorlage eines offiziellen Schreibens der Friedhofsverwaltung an. Auch lasse er sich stets den Personalausweis zeigen.

Um die seelischen Verletzungen der von den Grabschändungen betroffenen Angehörigen kümmert sich im Übrigen auch der Opferschutz der Polizei mit Gesprächen, aber auch durch die Weitervermittlung an Fachleute, Seelsorger etwa und bei Bedarf auch an Psychologen. Und wer Hinweise auf die möglichen Täter machen kann, wer etwa verdächtige Beobachtungen an oder vor oder um die Friedhöfe herum gemacht hat, der soll die Polizei informieren. Telefon: 02271-81-0 oder per E-Mail. (mkl)

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