Fehlende Schwimmkurse„Gibt Grundschüler, die haben kein Hallenbad von innen gesehen“

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Die Corona-Pandemie hat das Problem verstärkt, dass zu wenige Kinder sicher schwimmen lernen.

Rhein-Sieg-Kreis – Der Badeunfall, der sich am vergangenen Wochenende in Eitorf ereignete, hat gezeigt: Schwimmen können kann lebensrettend sein. Zwei Frauen und ein Mädchen wären in der Sieg beinahe ertrunken, zwei couragierte Helfer retteten sie in letzter Sekunde aus dem Fluss. Die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) hatte schon vor der Pandemie festgestellt, dass 60 Prozent der Zehnjährigen nicht oder nur unsicher schwimmen können. Die Situation habe sich durch Corona weiter verschärft.

Franz Alfter, Vorstandsmitglied im Schwimmbezirk Mittelrhein, Wolfgang Müller, Präsident des Kreissportbunds, und Martin Herkt, Beigeordneter der Stadt Hennef und früher Sport- und Bäderamtschef in Bonn, trafen sich zu einem kleinen Gipfel, um Ursachen zu analysieren. Einig waren sie sich, dass die Erwartungshaltung eines Landeserlasses kaum zu halten ist, nach dem am Ende der Grundschule Kinder schwimmen können sollen. „In Eitorf gibt es Grundschüler, die haben kein Hallenbad von innen gesehen“, erzählte Müller.

Grund für fehlende Schwimmkurse ist oft der Sanierungsstau in Bädern

Damit sprach er eines der Probleme an: die zur Verfügung stehenden Wasserflächen. In den Schwimmbädern, von denen viele in den 70er Jahren gebaut wurden, herrscht oft erheblicher Sanierungsstau. Das Hermann-Weber-Bad in Eitorf etwa wird seit Jahren repariert. In Niederkassel könnte der nächste schwierige Sanierungsfall anstehen. Das Troisdorfer Freibad bleibt in diesem Jahr geschlossen. In Sankt Augustin wechseln die Öffnungszeiten wegen fehlenden Personals fast täglich.

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Franz Alfter, Martin Herkt und Wolfgang Müller (v.l.)  trafen sich zum „kleinen Schwimmgipfel“ in Hennef.

Die Ursachen sind vielfältig: Baustoffmangel, Lieferengpässe, hohe Mitarbeiterfluktuation gehören dazu. Herkt versichert, dass die Stadt Hennef alles tue, um die beiden Lehrschwimmbecken in Uckerath und in der Sportschule in Stand zu halten. Aber auch hier steht eine Verzögerung an. An der Sportschule soll ein neues Edelstahlbecken eingebaut werden. Das wird in diesem Jahr nicht mehr klappen. Die Förderung bleibt in gleicher Höhe, die Preise steigen und damit der Eigenanteil.

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Es gibt aber auch Lichtblicke. In Hennef, so Müller, gehe gerade eine Schwimmlehrer-Assistenten-Ausbildung zu Ende. Die zertifizierten Teilnehmer, immerhin 16 an der Zahl, können sehr bald beim Schwimmunterricht helfen. Denn immer zwei Ausgebildete müssen bei den Kursen dabei sein, Nachfrage und Bedarf sind größer als das Angebot.

Schwimmen an Schulen: Immer weniger Lehrkräfte bieten Kurse an

In den Schulen gibt es immer weniger Lehrerinnen und Lehrer, die Schwimmkurse anbieten. In den Vereinen ist das Engagement groß, aber sie können nicht die gesamten Ferien hindurch einen Kurs nach dem anderen abhalten. „Es ist ein immenser Aufwand, und es gibt einen hohen Standard, den man halten muss“, sagte Alfter. Er plädierte dringend für die Schwimmassistenten.

Als Teil des Programms „NRW kann schwimmen“ würden in Meckenheim gerade Ferienkurse angeboten, berichtete Müller. Er unterstütze den Ansatz aus der Bundespolitik, in jeder Kommune ein Lehrschwimmbecken zu sanieren oder zu bauen. Jährlich mindestens eine Milliarde Euro sei dafür notwendig, um den Sanierungsstau abzubauen, erklärte Herkt. Zunächst einmal sei es wichtig, den Status quo zu erhalten.

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Schwimmkurse für Kinder sind auch im Rhein-Sieg-Kreis Mangelware.

Alfter formulierte seine Sichtweise noch einmal deutlich: „Es geht darum, Kinder zu befähigen, dass sie nicht untergehen. Das ist eine soziale Aufgabe.“ Bürger und Vereine nähmen den Schulen viel ab. Er forderte: „Schule und Land, ihr müsst mithelfen, Schwimmunterricht zu machen.“ Tatsächlich aber wirke es so, dass Kinder vom Schwimmenlernen abgekoppelt seien. „Die Verantwortung liegt beim Staat“, hielt Müller fest.

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