Auf der Deponie in Sankt Augustin steht die Mülllagerung dem Ausgleich bei Artenschutz und Natur gegenüber.
Hausmüll liegt seit 1973 dortWarum man auf der Deponie in Sankt Augustin nicht einfach spazieren kann

Martin Peters und Anna Sesterheim sind für den Erhalt und die Renaturierung der Deponie zuständig.
Copyright: Marius Fuhrmann
Der Herbst legt sich auf die Wiese wie ein Schleier aus Erinnerung und goldenem Schweigen. Ein Reh huscht, aufgeschreckt von den Besucherinnen und Besuchern, durch das hohe Gras ins Unterholz. Martin Peters und Anna Sesterheim brauchen nur eine Steinplatte anzuheben, schon wissen sie, was für ein Kleintier sich dort eingenistet hat. Ein attraktives Wandergebiet wäre das hier, ein paar Bänke noch, eine Infotafel mit den hiesigen Frühblühern – wäre da nur nicht der Müll der vergangenen 50 Jahre unter ihren Füßen.
Die Deponie in Sankt Augustin-Niederpleis ist – im Wortsinne oberflächlich betrachtet – ein Naturparadies. Doch einige Meter weiter unten liegen Reste, Ramsch und Relikte, die man am besten nicht wieder ausgräbt. Darum kümmern sich Menschen wie Martin Peters und Anna Sesterheim bei der Rhein-Sieg-Abfallgesellschaft (RSAG), die die Deponie betreibt. Peters’ Aufgabe ist es, Platz für neuen Müll zu schaffen, an dem dieser sicher lagern kann. Sesterheim kümmert sich um Landschaftspflege, Renaturierung, Natur- und Artenschutz auf dem Gelände.
Deponie in Sankt Augustin-Niederpleis wurde in ehemaligem Kieswerk errichtet
Wenn Menschen aus dem Kreis ihre Abfälle aus Haus- oder Gartenarbeit zum Entsorgungs- und Verwertungspark bringen, fahren sie, ohne es zu ahnen, zwischen zwei Deponie-Teilen hindurch. Links und rechts der Zufahrt von der Hauptstraße aus erstreckt sich die alte Hausmülldeponie, ebenso jenseits des Kreisverkehrs, hin zur A3. Jener noch größere Hügel, den man zwischen der Autowaage und der Biogasanlage umfahren muss, besteht dagegen aus nicht abbaubaren Mineralstoffen – und wächst weiter.
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Auf dem noch wachsenden Teil der Deponie werden nicht-organische Abfälle wie Bauschutt, Asbest und Keramik abgeladen.
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Wie viele Deponien wurde auch die Anlage in Niederpleis in einem ehemaligen Kieswerk errichtet. Ziehen die Fördergeräte weiter, bleibt etwas übrig, das im Deponiebau ungemein praktisch ist: ein Loch. „Die ersten Ablageflächen entstanden 1973, so lange liegt der Hausmüll teilweise schon da“, sagt Peters.
Was nicht recycelt werden kann, landet auf der Mineralstoffdeponie
Seit 2005 ist es verboten, diesen ohne Vorbehandlung zu deponieren. „Wir haben aber schon Ende 1999 damit aufgehört. Je nach Art eignet sich der verbrannte Müll zum Deponiebau oder für Straßenarbeiten.“ Was nicht recycelt werden oder in Flammen aufgehen kann, wie nicht verwertbarer Bauschutt, Dämmwolle und Asbest, landet auf der Mineralstoffdeponie.
Damit gehört sie der Deponie-Klasse II von IV an – was bedeutet, dass in Niederpleis nicht so gefährliche Substanzen vergraben sind wie anderswo. „Eine Deponie ist in erster Linie ein technisches Sicherungsbauwerk. Es gibt eine Basisabdichtung für das Grundwasser, außerdem muss das Sickerwasser aufgefangen und abgepumpt werden“, beschreibt Peters. Unter den Straßen lägen Gasleitungen, Strom- und Steuerungskabel, Kanäle und Druckwasserleitungen – allerdings noch nicht so lange wie der älteste Müll.
Ältester Müll liegt schon länger unter den Straßen als die Leitungen
„Die ersten Ablageflächen hat man in den 70ern, noch vor RSAG-Zeiten, ohne Basisabdichtung angelegt. Revolutionär war da schon der Gedanke, den Müll überhaupt zentral zu sammeln, denn vorher hatten viele Gemeinden sogenannte Bürgermeister-Deponien, bei denen der Abfall in irgendeinem Siefen abgeladen wurde“, schildert der Projektleiter der Deponie-Erweiterung. In neueren Abschnitten der Hausmülldeponie lasse sich die Entwicklung der Abdichtungstechnik nachvollziehen. Zunächst legte man, als das der letzte Schrei beim Deponie-Bau war, dem Müll immerhin eine Bitumenschicht zugrunde. „Das macht man heute auch nicht mehr, seit 30 Jahren nimmt man eine Schicht aus Ton und Kunststoff.“
Wer mit einem Spaten hineinstechen möchte in das Zeugnis der Konsumgesellschaft, der hat einigen Aufwand vor sich: „Man hat erst mal zwei Meter sauberen Boden, dann entweder eine Entwässerungsschicht aus 30 Zentimetern Kies oder eine Drainagematte, damit der Regen seitlich abfließt. Für die Dichtung folgt ein halber Meter Ton – erst dann kommt der Müll“, sagt Peters.
Gleichzeitig reinigen wir das aufgefangene Sickerwasser, bevor wir es in die Kanalisation leiten.
Wenn Wasser durch die seit 50 Jahren modernden Unaussprechlichkeiten fließt, droht die Gefahr, dass Schadstoffe ins Grundwasser gelangen – insbesondere an den Stellen, an denen die Basisschicht fehlt. „Deswegen ist eine gute Oberflächenabdichtung so wichtig. Gleichzeitig reinigen wir das aufgefangene Sickerwasser, bevor wir es in die Kanalisation leiten. Auch überprüfen wir die Strömung des Grundwassers auf Schadstoffe“, schildert Peters. Entstehende Gase werden aufgefangen, deswegen stehen über die Deponie-Hügel verteilt 66 Gasbrunnen.

66 dieser Gasbrunnen stehen auf dem Gelände der Deponie, um entstehende Gase aufzufangen und abzuleiten.
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Der Gedanke drängt sich auf, ob es nicht sinnvoller wäre, den Abfall auszugraben und nachträglich zu verbrennen. „Es wäre vor allem ein enormer Kostenfaktor, ihn rauszuholen und zu recyclen. Dabei würden auch die ganzen Gase frei, die dort lagern. Und dann müsste man etwa fünf Millionen Kubikmeter nassen Müll auf Lkw laden und in eine Verbrennungsanlage fahren – das setzt zusätzliche Emissionen frei“, argumentiert Peters.
Anna Sestersheim sorgt für die Renaturierung über der Müll-Deponie
Gut, wenn der Müll bleibt, wo er ist – auch wenn riesige Haufen davon ein massiver Eingriff in die Natur sind. Hier kommt Anna Sesterheim ins Spiel, die dafür Sorge trägt, dass die abgedeckten Müllberge nicht nur schöner aussehen, sondern auch das Zuhause von Schwarzkehlchen, Kreuzkröten und Zauneidechsen sind.
„Wenn ich etwas baue, muss ich Ausgleichsflächen schaffen – ideal ist dafür ein blanker Acker“, sagt sie. Der RSAG gehörten zu diesem Zweck rund 70 Hektar Ausgleichsflächen in der Umgebung. „Eine Renaturierung orientiert sich an den Arten, die man in einem Biotop ansiedeln will. Bei der Planung überlegt man: Was brauchen die? Entsprechend pflanzt man Gebüsch, Bäume und legt Folienteiche in Kiessand an.“
Im nordöstlichen Teil der Hausmülldeponie ist die Renaturierung bereits fortgeschritten. Was aussieht wie ein trostloser Golfplatz, ist ebenso wie Steinhaufen und Totholz-Aufschüttungen genau so geplant, damit auch Ringelnattern und Gelbbauchunken sich hier wohlfühlen. „Einige Arten existieren nur noch, weil wir Menschen in die Natur eingreifen und künstliche Biotope schaffen. Biotope müssen aber miteinander verbunden sein, damit die Arten im Rhein-Sieg-Kreis in ihr natürliches Habitat an der Siegaue zurückfinden“, sagt Sesterheim. Die RSAG plane deshalb eine 17 Meter breite Wildbrücke über die neue Zufahrt zum Kompostwerk.
Während die Hausmülldeponie in den kommenden Jahren weiter renaturiert wird, soll der Berg mit den anorganischen Abfällen weiter wachsen. „Eigentlich ist er seit gut vier Jahren voll“, sagt Martin Peters. Die RSAG wolle ihn erweitern. Die Frage, ob Deponien heutzutage noch nötig seien, stelle sich nicht: „Sie sorgen dafür, Schadstoffe aus dem Umweltkreislauf zu schleusen, die nicht recycelt werden können.“

