Tafeln im Rhein-Sieg-KreisEhrenamtler haben mehr Kunden, aber weniger Lebensmittel

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Immer weniger Lebensmittel haben die meisten Tafeln zu verteilen. 

Rhein-Sieg-Kreis – Die Tafeln stehen vor großen Herausforderungen: Nicht nur die Geflüchteten aus der Ukraine vergrößern den Kundenstamm immens, während die Zahl der Lebensmittelspenden aus Supermärkten zurückgeht. Beispiele aus dem Rhein-Sieg-Kreis.

Hennef, Much, Bad Honnef, Königswinter

„Es gibt Dinge, die nicht mehr übrig bleiben“, hat Peter Sieler registriert, Leiter der vier Tafeln, die die Arbeiterwohlfahrt Rhein-Sieg unterhält. Obst und Gemüse seien bei den Discountern oft schon im Laufe des Tages ausverkauft, „und da rede ich gar nicht von Öl oder Mehl.“

Geldspenden bräuchten die Tafeln in Bad Honnef – wo sich die Zahl der Kunden seit Februar verdoppelt hat –, in Hennef, Königswinter und Much aber nicht nur für die notwendigen Zukäufe an Lebensmitteln: Bei einem Dieselpreis von 2,25 Euro je Liter seien die Transportkosten um 50 Prozent gestiegen, andere Energiekosten könne man jetzt noch gar nicht absehen. Ebenso gut gebrauchen könnten die ehrenamtlichen Teams helfende Hände „an allen unseren Standorten“, betont Peter Sieler.

Sankt Augustin

Barbara Helmich, Leiterin der Sankt Augustiner Tafel des SKM, hofft auf eine nur vorübergehende Einschränkung des Betriebs. Nachdem die Zahl der Kunden von rund 700 im Januar auf aktuell 1200 gestiegen ist, werden Helmich und die insgesamt 69 Ehrenamtlichen jeden Kunden nur noch alle zwei Wochen – statt wie bisher wöchentlich – bedienen.

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Fast verdoppelt hat sich die Zahl der Menschen, die von der Tafel in Sankt Augustin unterstützt werden.

Am Dienstag dieser Woche sind die mit blauem und gelbem Punkt auf dem Tafelausweis dran, in der kommenden Woche die Kunden mit Rot und Grün. Auch ohne Flüchtlingszuzug wäre die Zahl der Kunden übrigens deutlich gewachsen, berichtet Helmich: „Viele kommen wegen der Preissteigerungen nicht mehr über die Runden.“

Zugleich hat Real im Huma zum Jahresende seine Spenden für die Tafel eingestellt, kleinere Läden wie Bäckereien haben geschlossen.

Eitorf

Zwei Herzen schlagen derzeit in der Brust von Paul Hüsson. Eine Idee der Tafel sei ja einst gewesen, Lebensmittel vor der Tonne zu bewahren. Insofern freut er sich darüber, dass die Märkte besser kalkulieren als früher. Aber – und nun spricht aus Hüsson der Leiter der Eitorfer Tafel: „Das sind Waren, die wir nicht mehr bekommen.“

Zugleich nimmt die Zahl der Menschen zu, die von den Tafeln mit Lebensmitteln unterstützt werden. Die Preissteigerung „gerade bei Grundnahrungsmitteln“ sei eine Ursache, so Hüsson. Kamen viele Bezieher von Hartz-IV-Leistungen bislang „so gerade rum“, herrscht nun vielfach schon am 20. des Monats Ebbe im Portemonnaie.

„Not und Mensch sind maßgeblich“

Mit Geflüchteten aus der Ukraine und anderen Herkunftsländern stieg die Zahl der Kunden von etwa 100 Haushalten Anfang März in Eitorf auf aktuell 140 Haushalte, die nun wöchentlich statt 14-täglich Waren bekommen können. Klar positioniert sich Hüsson mit dem Team gegen Rivalität oder Schuldzuweisungen („die da kommen jetzt auch noch“) in der Warteschlange. „Die Not und der Mensch sind maßgeblich“, betont er; „egal, wo er herkommt.“

Lohmar

„Wir werden derzeit überlaufen“, berichtet Manfred Kauschke, der in Lohmar die wie in Eitorf vom Katholischen Verein für Soziale Dienste SKM getragene Tafel leitet. Allein am Mittwoch wurden acht weitere Familien vorstellig, statt 110 Pakete je wöchentlicher Ausgabe sind es aktuell 150. Über fehlende Ware könne er nicht klagen, sagt Kauschke. Der Handel habe vor Ostern stark eingekauft und nicht alles verkaufen können.

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„Mit Sorge“ betrachtet Kauschke indes Entwicklungen wie die „Rette mich“-Taschen oder -Kisten eines Discounters, der so am Abend noch Obst und Gemüse verkauft, das vielleicht tags darauf die Tafel bekommen hätte. Und womit könnte man derzeit am besten helfen?

Am besten helfen Dosen

„Akut und am schnellsten hilft uns die Palette mit Dosen.“ An Geldspenden fehle es nicht. Vielfach seien aber die Regale einfach leer. Trotz der wachsenden Schwierigkeiten spricht Manfred Kauschke in Lohmar wohl vielen bei den Tafeln aus dem Herzen: „Wir versuchen, den Betrieb aufrecht zu erhalten und alle zu bedienen; eventuell machen wir in Zukunft die Pakete etwas kleiner.“

Neunkirchen-Seelscheid

In einer „recht friedlichen und reichen Gemeinde“ führt Maron Skarpil die Tafel unter dem Dach der Evangelischen Kirchengemeinde Neunkirchen-Seelscheid. „Ich habe mehr Geld als andere Tafeln“. So ist sie bisher auch immer in der Lage gewesen, Lebensmittel zuzukaufen. „Hamsterkäufe“ wohlmeinender Spender indes sind für Skarpil und ihr Team „nicht sinnvoll“: Zum einen sei das Gespendete nicht fair zu verteilen, zum anderen fehle es dann im Laden.

Zumindest vorübergehend erhalten daher die ukrainischen Geflüchteten Gutscheine, die im lokalen Lebensmittelhandel einzulösen sind. „Keine langfristige Lösung“, betont Skarpil, schaffe es doch so etwas wie eine Zweiklassengesellschaft. Nach vier Wochen soll das System daher auf den Prüfstand kommen.

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