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Interview

Vorstandswahl 1. FC Köln
„Das Stadion ist zu klein für die Stadt Köln“

Lesezeit 11 Minuten
Wollen die Themen beim 1. FC Köln anpacken: Martin Hollweck, Sven-Georg Adenauer und Thorsten Kiesewetter (v.r.n.l.).

Wollen die Themen beim 1. FC Köln anpacken: Martin Hollweck, Sven-Georg Adenauer und Thorsten Kiesewetter (v.r.n.l.).

Sven-Georg Adenauer (65), Thorsten Kiesewetter (53) und Martin Hollweck (57) wollen den neuen Vorstand des 1. FC Köln bilden. Jens Meifert und Martin Sauerborn haben das Trio zum Gespräch eingeladen.

Ein Unternehmensberater, ein Metzgermeister und ein Landrat. Herr Kiesewetter, Herr Hollweck, Herr Adenauer, Ihr Team ist interessant zusammengesetzt. Wie haben Sie zusammengefunden?

Adenauer: Roland Koch, den ich über meine Lebensgefährtin kenne, hat den Kontakt hergestellt. Er hat mir gesagt, dass er zwei Leute kenne, die für ihr Team einen Kandidaten suchen, der Vorstandsvorsitzender werden soll. Ich hatte mich vorher als Einzelkandidat beim Mitgliederrat beworben. Wir haben uns erst zu dritt und dann am 1. Mai mit dem großen Team getroffen, zu dem rund 25 Personen aus den unterschiedlichsten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gehören. Das war so inspirierend und beeindruckend zugleich, dass ich nach kurzer Bedenkzeit entschieden habe, es zu machen.

Kiesewetter: Martin Hollweck hat ursprünglich den Stein ins Rollen gebracht und mich angesprochen. Ich habe nicht lange überlegt, weil ich die vergangenen 30 Jahre viel über den 1. FC Köln geflucht habe und nun die Chance sehe, nicht nur zu fluchen, sondern etwas langfristig zu ändern. Ich trete an, um mit meinen Kompetenzen dabei zu helfen, den Finanzbereich besser als bisher aufzustellen. Wir haben dann jemand gesucht, der unsere Fähigkeiten ergänzt und mit Sven Adenauer den richtigen gefunden.

Hollweck: Ich bin in Köln geboren, seitdem FC-Fan und nach meiner Rückkehr aus Süddeutschland 2014 FC-Mitglied geworden und war seitdem bei jedem Mitglieder-Stammtisch. Ich gehe da hin, weil ich den mitgliederzentrierten Klub leben möchte. Was mich stört, das muss raus. Als der Mitgliederrat seinen Auswahlprozess vorgestellt hat und klar war, dass man nicht vorbestraft sein und nicht beim FC angestellt sein darf, 18 Jahre alt und ein Jahr lang Mitglied sein muss, habe ich meiner FC-Fangruppe geschrieben, dass ich mich für den Vorstand bewerbe. Am nächsten Tag hatte ich die ersten Unterstützer und dann wurden es immer mehr. Ich brauchte einen, der sich gut mit Zahlen auskennt und so sind Thorsten und ich zusammengekommen.

Wie hat sich Sven Adenauer für Ihr Team qualifiziert?

Hollweck: Zwei der größten Baustellen des FC sind der Ausbau des Geißbockheims und des Stadions. Die beiden Probleme hat in den vergangenen 15 Jahre keiner gelöst. Egal wer Vorstand war. Der FC war entweder zu laut oder zu leise. Sven Adenauer hat in unserem ersten Dreiergespräch erläutert, wie man die Themen angehen kann. Er verfügt über eine unglaubliche Kompetenz, die er sich in seinen 26 Jahren als Landrat in Gütersloh angeeignet hat. Es gibt wohl keinen besseren als ihn für die notwendigen Verhandlungen mit allen Beteiligten – insbesondere der Stadt.

Was haben Sie beim Stadion vor? Lautet Ihr Ziel Ausbau auf eine Kapazität von 75.000?

Adenauer: Wir streben auf jeden Fall eine Erhöhung der Kapazität an. Tausende von Fans bekommen bei jedem Heimspiel keine Karte. Ich kenne alle Vorbehalte bei diesem Vorhaben, aber wir wollen das Thema ernsthaft angehen und eine Lösung mit allen Beteiligten finden. Im Kreis Gütersloh habe ich es geschafft, dass die A33 zwischen Paderborn und Osnabrück, eine eminent wichtige Verkehrsachse für die Region, teilweise in einem Naturschutzgebiet gebaut werden konnte. Das war auch ein Kraftakt, aber wir haben es hinbekommen, weil wir mit allen Parteien gehört und offen, transparent und auf Augenhöhe kommuniziert haben. So wollen wir die Dinge auch beim FC angehen. Natürlich immer im Austausch und Gespräch mit der Geschäftsführung.

Kiesewetter: Eine Vielzahl der Fragen, die wir von den Mitgliedern gestellt bekommen, beziehen sich auf das Ticketing. Wir wollen die Probleme auch lösen, indem wir ein größeres Angebot schaffen, aber auch die Verteilung anders gestalten.

Thorsten Kiesewetter.

Thorsten Kiesewetter.

Hollweck: Es geht nicht nur um eine Prüfung eines Ausbaus, sondern auch um einen möglichen Neubau. Gladbach hat sich zum Beispiel auch vom traditionellen Bökelberg verabschiedet. Das ist für uns keine heilige Kuh. Das Stadion ist zu klein für die Stadt Köln. Dortmund hat zum Beispiel rund 600.00 Einwohner und ein Stadion für mehr als 80.000 Zuschauer. Köln hat mehr als eine Million Einwohner und Platz für 50.000. Da stimmt das Verhältnis nicht.

Wie wollen Sie vorgehen?

Kiesewetter: Wir wollen bei dem Thema in einem transparenten Prozess viel mehr Mitglieder mitnehmen und können uns vorstellen eine Mitgliederbefragung zu starten. Bei einem Neubau können wir uns über strategische Partnerschaften auch einen Rückerwerb vorstellen. Die Nutzungsdauer des Stadions ist ohnehin in vier Jahren abgelaufen und es ist in die Jahre gekommen. Es gibt zum Beispiel großen Handlungsbedarf bei den Themen Barrierefreiheit und Komfort. Warum nicht groß denken?

Adenauer: Wir haben am 14. September Kommunalwahlen. Danach wird es zu diesem Thema und zum Thema Geißbockheim in der politischen Spitze vielleicht eine andere Haltung geben. 20.000 oder 30.000 Zuschauer bei jedem Heimspiel mehr sind ein enormer Wirtschaftsfaktor – für den 1. FC Köln und die Stadt Köln.

Worüber haben Sie sich in den vergangenen Jahren beim FC geärgert?

Adenauer: Der FC ist seit 1998 eine Fahrstuhlmannschaft. Das passt nicht zu einem Klub mit einer erfolgreichen Vergangenheit und einem solchen Potenzial. Der FC war bis Anfang der 90ziger Stammgast im internationalen Geschäft, galt unter Franz Kremer als Vorzeigeclub in Europa. Da wollen wir wieder hin. Wir wollen uns nicht – bei allem Respekt – dauerhaft mit Bochum oder Heidenheim messen, sondern mit Freiburg, Gladbach und vielleicht auch mal wieder Bayer Leverkusen. Das muss unser Ziel sein und das soll nicht 20 Jahre dauern. Roland Koch, der in unserem Kompetenzteam die sportliche Expertise vertritt, hat dazu einige Ideen. Der FC hat einen exzellent aufgestellten Nachwuchsbereich, der viel mehr Früchte tragen müsste. Um in der Bildsprache zu bleiben: Wir bilden Talente wie Florian Wirtz, Yann Bisseck und unlängst Justin von der Hitz aus und andere pflücken sie vom Baum. Wir müssen die Spieler früher binden, ihnen und ihren Eltern auch mal den Roten Teppich ausrollen. Dazu braucht es auch den Ausbau und die Modernisierung des Geißbockheims. Die Entwicklungs- und Trainingsmöglichkeiten beim FC sind beschränkt. Das ist ein echter Wettbewerbsnachteil.

Kiesewetter: Wir müssen strukturell einiges ändern. Das betrifft keine einzelnen Geschäftsführer oder Trainer. Dann läuft das mal ein Jahr, zwei schlecht, aber keine 30 Jahre. Der FC braucht Prozessoptimierung. Insbesondere braucht der FC effiziente Aufgabenverteilung und damit verbunden klare Verantwortlichkeiten und Kommunikationswege.

Martin Hollweck

Martin Hollweck

Hollweck: Wann hatte der FC regelmäßig Transferüberschüsse? Nehmen wir Eintracht Frankfurt, die vor ein paar Jahren auch abgestiegen sind, inzwischen die Europa League gewonnen haben und nächste Saison Champions League spielen. Ich wünsche mir, dass Thomas Kessler der Krösche des 1. FC Köln wird. Der FC hat es nicht geschafft, ein Jahr, zwei Jahre vor Vertragsende so vernünftig mit den Spielern zu sprechen, dass zum Beispiel ein Ellyes Skhiri nicht ablösefrei gegangen wäre.

Zu den veralteten Strukturen beim FC gehört in jedem Fall die Satzung. Was hat Ihr Team in diese Richtung geplant?

Kiesewetter: Die Satzung stammt aus dem Jahr 2012 und ist sicher mit der richtigen Intention aufgesetzt worden. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass einige Punkte nicht so gegriffen haben, wie es geplant war. Wir brauchen eine Satzung, die es uns ermöglicht, zum Beispiel Spitzenkräfte in der Geschäftsführung und auf den Trainerposten für den FC zu gewinnen.

Adenauer: Wir sagen nicht, dass die Satzung in Gänze nicht gut ist. Wir werden uns alles genau anschauen und im konstruktiven Dialog mit allen Beteiligten und den Mitgliedern Veränderungen vornehmen, von denen der Verein profitiert. Da geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit.

Welche Punkte in der Satzung wollen Sie angehen?

Adenauer: Es gibt zu viele Gremien mit zu vielen Leuten. Das erweckt den Eindruck, als sollten möglichst viele etwas zu sagen haben. Die Satzung ist ein Punkt. Wir wollen aber auch den Dienstleistungsgedanken bei FC mehr implementieren. Wir wollen ein Vorstand sein, der für die Mitglieder, die Mitarbeitenden und die Geschäftspartner da ist, ein offenes Ohr hat, ansprechbar und nahbar ist. In Gütersloh ist mir das gelungen. Die Kreisverwaltungsstelle gilt dort als Ermöglichungs- und nicht als Verhinderungsbehörde.

Kiesewetter: Es geht um einen mitgliedergeführten Verein. Viele fühlen sich als Mitglieder zweiter Klasse. Wir brauchen zum Beispiel eine hybride Versammlung, warum nicht auch eine Briefwahl. Es kann nicht ein, dass von 150.000 Mitgliedern noch nicht einmal 1.000 über die wichtigen Punkte beim FC entscheiden. Das entspricht nicht unserem Demokratieverständnis. Es gibt FC-Mitglieder, die wohnen so weit entfernt, dass sie nicht anreisen können – schon gar nicht unter der Woche. Die bezahlen aber alle ihren Beitrag. Und es kann auch nicht sein, dass man als Mitglied zu einer Vorstandswahl geht und dann nur die Möglichkeit besitzt, drei Personen abzunicken. Wir merken doch gerade, wie sich der demokratische Prozess in der Anzahl der Neueintritte widerspiegelt.

Hollweck: Wir sind Fans des FC und werden es auch bleiben, wenn wir die 4.600 Unterschriften nicht zusammenbekommen. Wir ändern uns deswegen nicht. Ich finde diesen Demokratiegedanken einfach schön und ich erlebe täglich, was er mit den FC-Fans macht. Wir begrüßen es, dass es auch ein zweites Team gibt, das über den Weg der Unterschriftensammlung geht und für das wir auch unterschrieben haben. Es wäre doch klasse, wenn wir es gemeinsam schaffen, dass bei der nächsten Mitgliederversammlung 10.000 Menschen ins Stadion kommen und dieses Bild des FC in die Welt gesendet wird. Und das ist auch eines unserer Anliegen: Wir wollen, dass der FC in der Öffentlichkeit als sympathischer, offener Verein wahrgenommen wird.

Wie viele Unterschriften haben Sie mittlerweile?

Adenauer: Wir liegen bei knapp 3.000. Wir sind sehr zuversichtlich, dass es am Ende reichen wird und wir uns und unser Konzept im Stadion den Mitgliedern vorstellen dürfen. Wir erleben in den vergangenen Wochen einen großen Zuspruch, aber ein Selbstläufer wird das nicht. Bis zum 31. Juli sind wir permanent im Einsatz, um die Mitglieder für den Demokratisierungsprozess zu begeistern. Ein Blick auf unsere Homepage hilft dabei: https://www.fcwahl25.de

Hollweck: Wir haben viele Unterstützer, die dafür brennen und sich ehrenamtlich für unsere Sache einsetzen, weil sie auch davon überzeugt sind, dass es dem Verein langfristig hilft und er wieder dasteht, wo alle Mitglieder und Fans ihn sich wünschen. Gleiches gilt für unser Kompetenzteam. Diese Vielfalt macht uns aus. Wir haben sogar einen ehemaligen Gladbacher dabei, der mittlerweile zum FC-Mitglied konvertiert ist.

Auf den ersten Blick ist keine Sportkompetenz in Ihrem Vorstandsteam auszumachen…

Adenauer: Wir haben Roland Koch im Kompetenzteam. Der hat als Co-Trainer von Christoph Daum fast alles erlebt. Roland weiß genau, wo wir hinmüssen, um dauerhaft wieder vorne mitzuspielen.

Sven-Georg Adenauer.

Sven-Georg Adenauer.

Kiesewetter: Roland Koch ist zwar 72, aber im Kopf wie 25. Er ist unglaublich energetisch und ist bei allen Themen mehr als nur auf Ballhöhe. Von seiner Expertise könnte auch Thomas Kessler noch profitieren.

Werden Sie sich nach einer Wahl zum Vorstand in das operative Geschäft einschalten?

Adenauer: Der Vorstand sollte sich weitgehend aus dem operativen Geschäft heraushalten, aber es sollte so sein, dass sich jeder Geschäftsführer vor einer wichtigen Entscheidung mit dem Vorstand nicht nur austauscht, sondern auch gemeinsame Überlegungen anstellt. Wir werden, falls wir es schaffen, uns mit der Geschäftsführung zusammensetzen und konstruktiv über die künftige Zusammenarbeit sprechen. Der Vorteil ist, dass ich nach dem Ende meiner Zeit als Landrat zum 1. Oktober der erste Vorstand beim FC wäre, der das Amt in Vollzeit ausübt. Und auch Thorsten Kiesewetter und Martin Hollweck werden ein Großteil ihrer Zeit für unsere Herzensangelegenheit, den FC, einsetzen.

Der FC geht in die Eigenvermarktung und steht vor einer großen Herausforderung. Was können Sie einbringen, um die Geschäftsführung in diesem Prozess zu unterstützen?

Kiesewetter: Wir befürworten die Eigenvermarktung. Das wird ein enorm wichtiger Prozess für den FC und bietet ein riesiges Potenzial. Wir wollen dabei helfen, die richtigen Mitarbeitenden für die Umsetzung zu finden. Wir benötigen die entsprechenden Fachkräfte, um die möglichen Umsätze auch zu generieren. Wir müssen also erst einmal Geld in Personal investieren. Das heißt aber nicht, dass wir auf der Geschäftsstelle alles umkrempeln. Wir werden erst einmal zuhören, um auszuloten, wer den gemeinsamen Weg wie gehen will.

Was liegt Ihnen beim Thema Fanbetreuung am Herzen?

Hollweck: Es geht auch um die einfachen Themen. Und das fängt bei der Dienstleistung Wurstverkauf im Stadion an. Und da kenne ich mich aus (lacht). Das Kundenerlebnis im Stadion ist – gelinde gesagt – nicht optimal. Es gibt viele Abläufe, die unbedingt optimiert werden müssen – etwa beim Einlass vor dem Spiel oder im Business-Bereich. Ich kenne Businesspartner, die alles andere als begeistert sind, wenn sie Geschäftspartner mit zum Spiel nehmen. Auch die Homepage ist nicht so aufgebaut, wie sich das viele wünsche. Die Erfahrungen, die die Menschen im Stadion oder auf den unterschiedlichsten Plattformen mit dem FC machen, sollen positiv sein. Und das gilt auch für die Gäste-Fans.

Kiesewetter: Wir brauchen zudem beim Ticketing faire transparente Verfahren, wie wir es etwa bei den Heimspielen in der Conference League hatten.

Gehen Sie mit einem übergeordneten Ziel in den Wahlkampf?

Adenauer: Wir wollen den FC so aufstellen, dass er den Menschen, die an ihn denken, ein Lächeln ins Gesicht zaubern, sie glücklich macht. Es gibt in der Welt und in Köln genügend Probleme. Der FC soll gesellschaftspolitisch Verantwortung übernehmen und gut aufgestellt sein. Wenn wir gut aufgestellt sind, kommen auch gute Spieler zu uns, dann werden wir auch sportlich erfolgreich sein. Und die Menschen, die ins Stadion kommen, gehen zufrieden und glücklich nach Hause. Das kann einen positiven Schwung in diese Stadt bringen.