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2:2 in LeipzigFC-Torwart patzt und glänzt – Torpremiere für Florian Dietz

5 min
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Leipzigs Timo Werner (r) trifft hier zum 1:0.

Leipzig – Thomas Kessler kann aus Erfahrung sprechen. Der Sportliche Leiter des 1. FC Köln war selbst bis vor zwei Jahren Bundesliga-Torwart und kennt die entscheidenden Details. „Ich habe Marvin nach dem Spiel gefragt, was der Unterschied zwischen einem guten und sehr guten Torhüter ist. So ein 0:1 passiert jedem Torwart der Welt. Entscheidend ist aber, dass er sofort wieder da war, als wenn nichts gewesen wäre“, beantwortete Kessler die Frage und adelte Marvin Schwäbe. Die Nummer Eins des 1. FC Köln war beim imposanten 2:2 (1:1) der Geißböcke gegen RB Leipzig Depp und Held. Als Mentalitätsmonster schrieb der 27-Jährige damit die Hauptgeschichte eines denkwürdigen Spiels.

Zwei Torvorlagen des überragenden Florian Kainz

36 Minuten waren vor 43 579 Zuschauern in der Red Bull-Arena absolviert, als der ansonsten recht blass spielende RB-Rückkehrer Timo Werner 25 Meter vor dem Tor so viel Platz hatte, dass er auf die Idee kam, einfach mal abzuziehen. Ein Flachschuss des Nationalspielers, dessen Harmlosigkeit Schwäbe aus der Balance brachte. „Das Problem war, dass ich den Ball schärfer vermutet habe, er aber so lange in der Luft war und ich zwei Gedanken hatte. So etwas geht dann meistens nicht gut aus als Torwart“, beschrieb er die Situation. Der Ball, den er beim zweiten Gedanken festhalten wollte, rutschte so unglücklich unter seinem Körper zum 1:0 für die Leipziger durch.

Ein Moment, in dem sich ein Torwart am liebsten vergraben würde. Schwäbe aber schüttelte nur kurz ungläubig und verärgert den Kopf, putzte sich den Mund ab und bewies, dass er Kesslers Definition eines „sehr guten Torwarts“ entspricht. Als in der 40. Minute nämlich mit Christopher Nkunku der Fußballer des Jahres 2022 frei vor ihm auftauchte und alle schon das 2:0 notieren wollten, demonstrierte der 27-Jährige seine Extraklasse und parierte, als hätte es seinen schweren Patzer nie gegeben. „Wie Marvin nach dem 0:1 die Nerven im Griff hat und uns im Spiel hält, da muss ich sagen: Hut ab“, war Steffen Baumgart schwer begeistert.

Die erste Reaktion des FC-Trainers nach dem 1:1 war folgerichtig eine erhobene Faust in Richtung seines Torwarts. Denn Schwäbes Glanztat gegen Nkunku leitete ausgehend von Kapitän Jonas Hector einen FC-Konter aus dem eigenen Strafraum ein, an dessen Ende der überragende Florian Kainz von rechts einen flachen Flankenball an den zweiten Pfosten brachte, wo Florian Dietz mit links zur Stelle war (40.). „Es war schön für mich, dass ich vor dem 1:1 mit meiner Parade wieder etwas zurückgeben konnte. Wir stehen als Mannschaft zusammen, auch wenn es mal einen Fehler gibt“, sagte Schwäbe.

Dietz Torpremiere

Dieses 1:1 erleichterte aber nicht nur den FC-Torhüter, es war auch Dietz Torpremiere in seinem erst zweiten Bundesligaspiel. Der 24-Jährige, der vergangene Saison noch für die U21 des FC in der Regionalliga West auf Torejagd ging und wohl noch keine Bundesligaminute absolviert hätte, wenn Anthony Modeste nicht nach Dortmund gewechselt wäre und Neuzugang Steffen Tigges nach seiner Verletzung schon spielen könnte. „Wir wissen, dass Flo in der Box eine fantastische Qualität hat. Das ist der Grund, warum wir ihm im Sommer einen neuen Vertrag gegeben haben“, freute sich Kessler für den Torschützen.

Nach 95 extrem intensiven und unterhaltsamen Minuten war das verdiente und bemerkenswerte Remis der Kölner beim hochkarätig besetzten Pokalsieger trotz Schwäbe und Dietz aber vor allem ein Erfolg des Kollektivs. Baumgart hatte sich mit Debütant Eric Martel und Ellyes Skhiri für eine Doppelsechs entschieden. Der Plan ging vor allem in der ersten Hälfte voll auf. Die Kölner pressten tief in der gegnerischen Hälfte und schlossen mit unermüdlicher Laufarbeit (fünf Kilometer mehr als Leipzig in Hälfte eins) die Räume, in denen RB umschalten wollte. Zeitweise kam der Champions League-Teilnehmer nicht aus der eigenen Hälfte heraus. „In der ersten Halbzeit war es ein sehr gutes Spiel. Hut ab vor der gesamten Mannschaft. Das 2:2 war mehr als gerecht, auch wenn wir die Chance hatten das Spiel zu gewinnen.“

Mit dieser Chance meinte Steffen Baumgart konkret die Überzahl, in die Kölner nach einer harten Roten Karte gegen Dominik Szoboszlai (45.+1/Ellbogenwischer gegen den Hals von Florian Kainz) nach dem Wechsel agieren durften. Anders als in der Vorwoche beim 3:1 gegen Schalke gab der Platzverweis aber nicht den entscheidenden Ausschlag. Er veränderte das Spiel zwar dahingehend, dass der FC mehr Ballbesitz hatte, sich dadurch aber gegen tiefer stehende Leipziger in der Offensive deutlich schwerer tat.

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Die Unterzahl bedeutete für den auf 480 Millionen Euro taxierten Kader der Roten Bullen auch keinen Verlust ihrer individuellen Qualität. Als Florian Dietz im Mittelfeld ein Ballverlust unterlief, zeigte sich die Klasse der Sachsen. Dani Olmo, dessen 1:0 Videoassistent Felix Zwayer wegen eines vorausgegangenen Handspiels von David Raum einkassieren musste (9.), schickte Nkunku, der sein Team zum zweiten Mal in Führung brachte (56.). „Wenn du gegen RB den Ball verlierst, macht es keinen Unterschied ob sie zu zehnt oder elft sind. Sie sind vorne immer gefährlich“, erklärte Thomas Kessler.

Der FC rappelte sich aber ein zweites Mal auf und kam nach einer der gefährlichen Kainz-Ecken durch ein Eigentor von Gvardiol zum erneuten Ausgleich. „Es war ein Teamerfolg“, sah Kessler einen bockstarken Auftritt der Kölner. Wie übrigens auch RB-Coach Domenico Tedesco, der sein Kompliment an den Gegner in ein Lob für das eigene Team verpackte: „Viele andere Mannschaften hätten dieses Spiel verloren.“