Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Slovácko-Kapitän im Interview„Köln wird Respekt vor uns haben“

Lesezeit 6 Minuten
Slovacko's Michal Kadlec

Slovacko's Michal Kadlec im Spiel gegen Nizza

Michal Kadlec, Kapitän und Abwehrchef des 1. FC Slovácko, stand fünf Jahre lang für Bayer Leverkusen auf dem Rasen. Am Donnerstag (18.45 Uhr, RTL+) empfängt der Club aus dem Osten Tschechiens den 1. FC Köln zum vorentscheidenden Gruppenspiel ums Weiterkommen in der Conference League. Tobias Carspecken unterhielt sich mit dem Routinier. 

Herr Kadlec, ist der Glaube ans Weiterkommen wieder da?

Wir sind zurück im Geschäft. Danach sah es bis zur 74. Minute in Nizza nicht aus, ehe wir den 0:1-Rückstand noch in einen 2:1-Sieg gedreht haben. Jetzt ist wieder alles möglich.

Wie schätzen Sie die Ausgangslage ein?

Die Gruppe D ist sehr ausgeglichen, es kann noch alles passieren. Aktuell sieht es danach aus, dass Belgrad als Erster direkt weiterkommt und dass sich ein Dreikampf zwischen Nizza, Köln und uns um Playoff-Platz zwei entwickelt.

Ist das Duell mit Köln ein vorgezogenes Endspiel?

Jedes Spiel ist in dieser Phase ein Endspiel. Beide Mannschaften werden gewinnen wollen, um sich ihre Chance aufs Weiterkommen zu wahren. Wir spielen zu Hause, dort sind wir stark. Wir hätten vor eigenem Publikum sowohl gegen Belgrad (3:3) als auch gegen Nizza (0:1) gewinnen können. Ich erwarte ein offenes Spiel.

Zur Person

67 Länderspiele bestritt Michal Kadlec (37 Jahre) für die tschechische Nationalmannschaft (acht Tore). Seit der Saison 2018/19 steht der Innenverteidiger zum zweiten Mal beim

1. FC Slovácko unter Vertrag, bei dem er 2001 seine Profikarriere startete. In der vergangenen Spielzeit führte Kadlec seinen Heimatverein als Kapitän zum Gewinn des tschechischen Vereinspokals. Es war der größte Erfolg in der Geschichte des 2000 gegründeten Clubs.

Seine vorherigen Stationen waren Sparta Prag (2016 bis 2018 und 2005 bis 2008), Fenerbahce Istanbul (2013 bis 2016) sowie Bayer 04 Leverkusen, für das er von 2008 bis 2013 158 Spiele (14 Tore, 15 Vorlagen) absolvierte. In der Türkei gewann der Sohn der Lauterer Legende Miroslav Kadlec (58) je einmal die Meisterschaft und den Superpokal, in Tschechien zweimal die Meisterschaft und viermal den Vereinspokal. (tca)

Wie ordnen Sie die 2:4-Niederlage in Köln ein?

Das Spiel ist für uns sehr unglücklich verlaufen. Wir haben in der ersten Halbzeit zwei Gegentore durch Standardsituationen kassiert und unsere eigenen Chancen nicht genutzt. Ich möchte nicht nachkarten, aber Ondrej Duda hätte in der Anfangsphase nach einem Foul mit gestrecktem Bein die Rote Karte sehen müssen. In der zweiten Halbzeit sind wir super rausgekommen. Nach dem 2:2-Ausgleich hätte es zudem Elfmeter für uns geben können. Wer weiß, wie das Spiel dann ausgegangen wäre. Es war schade.

Steht Köln als Bundesligist stärker unter Druck?

Das denke ich schon, weil der FC der viel größere Verein ist. Dennoch haben wir bewiesen, dass wir trotz Außenseiterrolle mithalten können. Ich bin mir sicher, dass Köln Respekt hat.

Warum belegt Slovácko in der Meisterschaft derzeit nur einen Mittelfeldplatz?

Die Liga ist sehr eng, da geht es schnell in beide Richtungen. Wir haben am vergangenen Wochenende durch zwei späte Tore 2:1 gegen Teplice gewonnen. Das war wichtig für die Moral und das Selbstvertrauen. Diesen Schwung wollen wir mitnehmen. Insgesamt entspricht der bisherige Saisonverlauf allerdings nicht unserem Anspruch. Die Englischen Wochen machen sich bemerkbar. Eigentlich wollen wir weiter oben mitspielen.

Der FC kämpft mit personellen Problemen, die die Doppelbelastung erschweren.

Auch wir spüren, wie herausfordernd es ist, alle drei, vier Tage zu spielen. Wenn du einen großen und qualitativ guten Kader hast, ist das zu stemmen. Wenn es aber Verletzte gibt, ist das nicht so einfach wegzustecken.

Beheimatet ist der 1. FC Slovácko in Uherské Hradiste, einem 25 000-Einwohner-Städtchen. Was erwartet FC-Anhänger, die trotz des Gästefan-Verbots anreisen?

Uherské Hradiste ist ein kleines, ruhiges Städtchen im Osten Tschechiens, ganz in der Nähe der slowakischen Grenze gelegen. Der historische Kern ist denkmalgeschützt. Angst um die eigene Sicherheit muss hier kein Kölner Fan haben.

Das Stadion fasst nur 8121 Plätze. Welche Atmosphäre kommt auf den FC zu?

Bei uns herrscht eine andere Atmosphäre als in einem Bundesliga-Stadion. Ich würde sie mit einem DFB-Pokalspiel vergleichen, wenn ein Bundesligist bei einem Dritt- oder Viertligist antritt. Wir haben zwar nur ein paar Tausend Zuschauer, doch auch die können in unserem kleinen, engen Stadion die eigene Mannschaft pushen und Druck auf den Gegner ausüben.

Ist das Gästefan-Verbot ein Vorteil für Slovácko?

Wir haben in Nizza vor leeren Rängen gespielt, das war sicherlich kein Nachteil für uns. Nun wollen wir es für uns zum Vorteil machen, dass der FC keine Karten an Gästefans verkaufen durfte. Auch wenn wir gehört haben, dass sich viele Kölner Fans im Vorfeld Karten für den Heimbereich gesichert haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Einen Teil Ihrer Jugend haben Sie beim 1. FC Synot verbracht, dem Vorgängerverein von Slovácko. Hat sich mit der Rückkehr vor vier Jahren für Sie ein Kreis geschlossen?

Genauso habe ich es mir gewünscht. Hier bin ich zum Profi geworden, und hier wird meine Karriere zu Ende gehen.

Fünf Jahre Ihrer Karriere haben Sie bei Bayer 04 Leverkusen verbracht. Welche Erinnerungen sind geblieben?

Es war eine super Zeit. Arturo Vidal, Michael Ballack, René Adler, Simon Rolfes – ich habe, nur um ein paar von ihnen zu nennen – viele tolle Spieler kennenlernen dürfen. Schade war jedoch, dass wir keinen Titel gewonnen haben. Ich habe in Köln gelebt, den Karneval kennengelernt und dort Freunde gefunden.

2012 wurde Ihnen bei einem Angriff von zwei FC-Hooligans vor einer Kölner Diskothek das Nasenbein gebrochen. Kommen diese Erinnerungen derzeit wieder hoch?

Leider Gottes gehört es zu unserer Welt mit dazu, dass so etwas passieren kann. Es war unangenehm. Ich habe versucht, es wie mit einer Sportlerverletzung zu handhaben. Der Vorfall ist abgehakt, auch wenn in diesen Tagen Erinnerungen hochkommen.

Ihr Vertrag läuft 2023 aus. Sie sind dann 38. Hängen Sie noch eine weitere Saison dran?

Stand jetzt mache ich Schluss. Eigentlich wollte ich schon nach der vergangenen Saison aufhören. Doch dann haben wir den tschechischen Pokal gewonnen und uns für das internationale Geschäft qualifiziert. Damit hatte niemand gerechnet. Das hat mich gereizt.

Was kommt danach?

Bei mir hat sich jahrelang alles auf den Fußball konzentriert. Daher freue ich mich, wenn ich in Zukunft mehr Zeit für meine Familie haben werde. Ich kann mir gut vorstellen, dem Fußball in einer anderen Funktion treu zu bleiben.

Ihr Vater Miroslav Kadlec genießt in Lautern Legenden-Status. Diskutieren Sie noch immer viel über Fußball?

Mein Vater hat beim 1. FC Slovácko eine Ehrenkarte und ist bei jedem Heimspiel dabei. Wir wohnen auch nur 50 Meter voneinander entfernt. Dennoch tauschen wir uns nicht mehr so intensiv über Fußball aus, wie das früher der Fall gewesen ist. Ich bin schließlich in einem Alter angekommen, in dem auch mein Vater mit dem Fußballspielen aufgehört hat. Da reicht es, wenn der Trainer dir etwas sagt. Und außerdem verbringt mein Vater inzwischen viel Zeit auf dem Golfplatz (schmunzelt).

War Ihr Vater Ihr größter Fan oder eher Ihr größter Kritiker?

Er war eher der Kritiker als der Schönredner. Als junger Spieler war das genau richtig für mich, weil ich so am meisten lernen konnte. Bei meinem Opa war das umgekehrt. Wenn ich nach Spielen nach Hause gekommen bin und der Opa mir eine gute Leistung bescheinigt hat, dann wusste ich: Okay, das Gegenteil war der Fall (lacht).