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HockeyTimur Oruz wundersames Comeback bei Rot-Weiss Köln

Lesezeit 7 Minuten
Timur Oruz

Timur Oruz

Köln – Timur Oruz kommt wie jeden Tag aus Witten zum Hockeytraining auf die Anlage von Rot-Weiss Köln. In Witten studiert er an einer Privaten Hochschule im 2. Semester Medizin. Nach dem Training geht es für 23-Jährigen in der Regel sofort wieder zurück. Vorher hat er aber Zeit, mit Martin Sauerborn über sein Comeback und das Final Four am Wochenende in seiner Heimatstadt Krefeld zu sprechen.

Herr Oruz, Sie haben sich am 2. Dezember 2017 beim World-League-Finalturnier im Spiel gegen Australien schwer am Knie verletzt. Wie geht es Ihnen?

Mir geht es aktuell wieder richtig gut.

Was ist in Indien passiert?

Ich habe mir ohne Gegnereinwirkung bei einem Druckpass das Knie komplett kaputt gemacht. Es hat furchtbar geknallt, als wenn ein Knochen bricht. Ich wusste sofort, dass es etwas Schlimmes ist. Wie schlimm habe ich dann erst beim meiner Rückkehr nach Deutschland erfahren. Ich bin operiert worden und die Ärzte haben gesagt, dass ich wohl neun bis zwölf Monate ausfalle.

Keine schöne Nachricht?

Die Wochen nach der OP waren die schwersten bisher in meinem Leben. Ich habe alles in Frage gestellt. Werde ich zurück aufs Hockeyfeld kommen? Was passiert, wenn ich es nicht schaffe? Ich habe drei Wochen lang nur rumgelegen und zugesehen, wie mein Körper verrottet.

Was hat Sie aufgebaut?

Es gab Menschen, die zu mir standen und die mich wie Physiotherapeut und Arzt auf höchstem Niveau unterstützt haben. Irgendwann habe ich den Blick nach vorne gerichtet. In der Regel kehrt man nach einer solchen Verletzung stärker zurück – körperlich und psychisch. Man reift menschlich. Ein Beispiel: Ich habe mich so gefreut, einfach wieder gehen zu können, dass ich jeden Weg gegangen bin, den ich konnte. Es war so schön nach sechs Wochen wieder gehen zu können.

Haben Sie schon wieder volles Vertrauen in Ihren Körper?

Das Knie fühlt sich etwas anders an, als vorher. Ich bin auch noch nicht ganz der Alte. Ich habe erst zweimal wieder Bundesliga gespielt. Da fehlen mir natürlich noch etwas Spielpraxis und Fitness.

Mit welchem Ziel gehen Sie in das Final Four-Turnier?

Ich freue mich, überhaupt dabei zu sein und möchte dem Team, so gut es geht, helfen. Wenn ich schlecht spiele und wir Meister werden, würde mich das mehr freuen, als wenn ich ein tolles Turnier spiele. Wieder zum Training kommen zu können, die Jungs zu treffen – das hat mir gefehlt.

Eigentlich ist es doch ein medizinisches Wunder, dass Sie überhaupt dabei sein können. Seit Indien sind gerade einmal sechs Monate vergangen?

Wenn ich nach der OP gesagt hätte, ich will in Krefeld dabei sein, hätte mit der Arzt sicher einen Vogel gezeigt. Aber ich hatte eine professionelle Betreuung, bin mit der richtigen Einstellung zur Reha gegangen und habe wohl auch gutes Heilfleisch.Ist ein solch frühes Comeback nach so einer Verletzung nicht zu riskant?Es passiert alles in enger Absprache mit Ärzten und Physios. Das ist kein Harakiri-Versuch, das Knie hat alle relevanten Tests bestanden. Es ist auch wichtig, dass ich die beiden Spiele in Mülheim und gegen München gemacht habe. Sonst wäre ich am Wochenende sicher nicht dabei.

Das Final Four findet ausgerechnet in Ihrer Heimatstadt Krefeld statt...

Spielplan

Samstag

Halbfinale Herren:

RW Köln – Harvestehude 16.00

Mannheim – Uhl. Mülheim 18.00

Halbfinale Damen:

Club Alster – Düsseldorf 11.00

Mannheim – UHC Hamburg 13.30

Sonntag

Finale Damen 12.00

Finale Herren 15.00

Das war sicher ein zusätzlicher Ansporn für das frühe Comeback. Wenn das Final Four wieder in Mannheim gespielt worden wäre, wäre die Motivation vielleicht nicht ganz so groß gewesen. Ich bin in Krefeld geboren und habe dort von Klein auf das Hockeyspielen gelernt. Das wird am Wochenende sicher emotional werden. Die Verbindung für mich zu diesem Club und dieser Stadt sind nun mal da. Hier kenne ich jede Ecke und bin als Hockeyspieler groß geworden. Und ich will auch den Krefeldern, die 2015 an meinem Wechsel zu Rot-Weiss Köln gezweifelt haben, beweisen, dass meine Entscheidung richtig war.

Hoffen Sie und Ihre Schwester Selin, die mit dem Düsseldorfer HC bei den Damen im Halbfinale steht, auf Unterstützung der Krefelder Zuschauer?

Ich glaube nicht, dass meine Schwester und ich besonders angefeuert werden, nur weil wir Krefelder sind und für Düsseldorf und Köln spielen.

2017 hat Rot-Weiss den Titel an Mannheim verloren. Wie sehen Ihre Erinnerungen aus?

Der verpatzte Auftritt im DM-Finale unseren Gewinn der Euro Hockey League eine Woche später möglich gemacht hat. Es gab danach eine Krisensitzung. Die DM war ein Dämpfer zur richtigen Zeit, weil mir kapiert haben, dass in Mannheim etwas gefehlt hat. Die Finalniederlage tut aber bis heute weh. Wir mussten ein Jahr warten, um es wettmachen zu können. Der MHC hat zum Jahrestag auf allen Kanälen an seinen Titelgewinn erinnert. Das zu sehen, motiviert uns, die Rechnung zu begleichen.

Wie stehen die Chancen?

Wir haben die Hauptrunde mit neuem Punkterekord abgeschlossen und uns die Favoritenrolle erarbeitet und verdient. Wir haben als Rot-Weiss den klaren Anspruch, zu gewinnen, sind aber weit davon entfernt zu sagen, dass es ein Selbstläufer wird. Beim Final Four sind vier extrem gute Teams am Start,. Das wird eine enge Kiste und am Ende entscheidet sicher die Tagesform.

Was braucht Ihr für eine gute Tagesform?

Wir brauchen alle Spieler am Limit und Selbstbeherrschung, den Schiedsrichtern und uns selber gegenüber. Und es kann auch mal reichen, sich etwas hart zu erarbeiten, ohne perfekt zu spielen. Uns muss klar sein, dass das manchmal genug und genauso cool ist, wie ein perfektes Hockeyspiel mit Hacke, Spitze, eins, zwei, drei.

Zur Person

Timur Oruz wurde am 27. Oktober 1994 in Krefeld geboren. Bis 2013 spielte er für den Crefelder HTC, wechselte dann für ein Jahr zu Uhlenhorst Mülheim und kehrte 2014 nach Krefeld zurück. 2015 verpflichtete Rot-Weiss Köln den Nationalspieler.

2016 gewann der U21-Weltmeister von 2013 den deutschen Feldhockeytitel mit Rot-Weiss und bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die Bronzemedaille, wofür er das Silberne Lorbeerblatt erhielt. 2017 folgte der Gewinn der Euro Hockey League mit den Kölnern. Oruz’ jüngere Schwester Selin spielt auch Hockey und gewann 2016 in Rio ebenfalls olympisches Bronze. Sein türkischer Vater und seine deutsche Mutter sind beide Mediziner und leben in Krefeld.

Rot-Weiss will seinen Titel zurück

Der Stachel sitzt noch tief. Ein Jahr ist es her, dass die Hockeyherren von Rot-Weiss Köln als großer Favorit und Titelverteidiger im Finale um die Deutsche Meisterschaft gegen den Mannheimer HC mit 2:3 unterlagen. Die Zeit der Wiedergutmachung ist gekommen. Am Wochenende steigt das Final Four der Damen und Herren auf der Anlage des Crefelder HTC und die Rot-Weissen wollen mit aller Macht den Pokal wieder nach Köln holen.

„Am Ende wird es wie immer eine Frage der Mentalität sein. Alle vier Teams haben genug Qualität, um Meister zu werden. Wer am Wochenende am besten drauf ist, wird Meister werden“, glaubt RW-Coach André Henning. Die Favoritenrolle seines hochkarätig besetzten Kaders möchte Henning nicht von sich stoßen, die Erinnerungen an das Turnier 2017 in Mannheim haben aber Spuren hinterlassen.

„Für uns war das Turnier eigentlich schon nach einer Viertelstunde gespielt. Da haben wir im Halbfinale gegen Harvestehude alles gezeigt und 3:0 geführt“, erzählt der Trainer. Danach ging aber kaum noch etwas. Der HTHC glich zum 3:3 aus und war dem Sieg nahe, ehe die Kölner noch zum glücklichen Sieg kamen. Im Finale gegen Mannheim fand der Meister von 2016 aber nicht in die Spurt zurück.

In Krefeld kommt es nun in beiden Halbfinals zur einer Neuauflage von 2017. „Die vier Teams haben Abstand zum Rest der Liga und liegen untereinander eng beieinander“, sagt André Henning. Vor dem Duell mit Harvestehude gäbe es „keine großen Überraschungen“. Man kennt sich. „Der HTHC hat mit Tobias Walter einen starken Torwart und baut im Feld auf Tobias Hauke und Michael Körper“, beschreibt Henning.

Der RW-Coach kann bis auf Hendrik Schwarzer und Florian Adrians seine besten Spieler aufs Feld schicken. „Vor Pfingsten haben uns noch zehn Jungs gefehlt. Seitdem ging es mit dem Kader steil bergauf“, freut sich Henning über die Rückkehr seiner Verletzten, zu denen die Nationalspieler Timur Oruz und Jonas Gomoll gehören. Am Ende wird es laut Henning darauf ankommen, gut im Verbund zu verteidigen und die richtige Motivation zu finden. „Die Jungs wollen Revanche aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht zu verbissen sind. Wir brauchen Lockerheit für unser Spiel.“