Mönchengladbachs Trainer im Interview„Wir wollen um internationale Plätze spielen“

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Trainer Hütter

Engagiert an der Seitenlinie: Trainer Adi Hütter 

  • Wer Borussia Mönchengladbachs Trainer Adi Hütter als „Wandervogel“ bezeichnet, bekommt diesen Satz zurück: „Man muss es erst einmal schaffen, drei Jahre lang bei einem Verein zu sein.“
  • Im Interview mit Olaf Kupfer und Lothar Leuschen redet der 51-Jährige nicht nur bei diesem Thema Klartext.

Herr Hütter, Corona hält den Fußball in Atem. Bei der Nationalelf mussten einige Spieler in Quarantäne, zuletzt machte der impfunwillige Joshua Kimmich von sich reden. Müssen Fußballer Vorbild sein?

Klar haben wir Fußballer Vorbildwirkung, aber es geht schon auch darum, sich selbst entscheiden zu können. Das sind ja nicht alles per se Impfgegner, sondern Menschen, die aus welchem Grund auch immer Angst vor einer Impfung haben. Ich sehe natürlich die Situation in den Spitälern, aber die Entscheidungsfreiheit sollten wir schon jedem zugestehen. Wohlgemerkt mit den Konsequenzen, die es womöglich zukünftig geben wird mit 2G. Klar ist aber auch: Wir würden die Pandemie schneller besiegen, wenn alle geimpft wären.

Wie sehr beeinflusst die Pandemie Ihre Arbeit mit der Mannschaft?

In Köln zu Gast

Nach der Länderspielpause muss der 1. FC Köln am Sonntag, 21. November, 17.30 Uhr, zunächst beim 1. FSV Mainz 05 antreten. Im nächsten Heimspiel empfangen die „Geißböcke“ dann Adi Hütter und Borussia Mönchengladbach. Das Spiel wird am Samstag, 27. November, 15.30 Uhr, angepfiffen.

Jetzt nicht mehr so sehr wie am Anfang. Das ist schon ein riesiger Unterschied zum Beginn der Pandemie, als wir in die Riesenstadien in Deutschland gefahren sind und keine Zuschauer da waren. Das war zu Beginn Wahnsinn, danach hat man sich – so unromantisch sich das anhört – fast daran gewöhnt.

Sie sind unter diesen Bedingungen in einen neuen Verein gekommen. Angekommen?

Eintracht Frankfurt war schon ein Traditionsverein, und Borussia Mönchengladbach ist auch einer. Hier ist einfach wunderschön, dass alles in einem ist, in Frankfurt etwa war der Nachwuchs räumlich ganz woanders gelegen. Du bekommst hier im Borussia-Park so richtig mit, was der Club hergibt.

Der Sieg im DFB-Pokal gegen die Bayern ist vielen jetzt ein Maßstab. Ist das nicht ein Fluch?

Wir haben oft gesehen, dass wir gegen Topteams auch Top-Leistungen abrufen können. Aber wir sind noch schwankend, keine Frage, das gilt es, in den Griff zu bekommen. Die Leute glauben, wenn du Bayern 5:0 besiegst, musst du jeden Gegner wegschießen. Das ist aber nicht so.

Ein Titel ist Ihr Traum, sagten Sie unlängst und hielten das für möglich. Ist das realistisch?

Träumen darf man immer. Der Verein läuft seit 26 Jahren einem Titel hinterher. Die Konkurrenz ist enorm, klar. Was hier in den letzten zehn bis zwölf Jahren geschafft wurde, ist beeindruckend. Im Pokal ist die Möglichkeit aber auf jeden Fall da, einen Titel zu holen. Ich will etwas erreichen, man muss halt daran glauben, sonst wird es nie eintreten. Sonst hätten wir in Bern mit den Young Boys auch nicht nach 32 Jahren einen Titel geholt.

Wer ist für Sie die größte Stütze im Team, wer hat Sie wirklich überrascht?

Ich halte an allen Spielern fest. Ich habe selbst 20 Jahre lang Fußball gespielt und bin seit 13 Jahren Trainer, deswegen weiß ich, dass nicht immer jeder Einzelne in Top-Verfassung ist. Natürlich kristallisieren sich immer wieder Leute heraus, mit denen vorher niemand gerechnet hat: Dass Jonas Hofmann jetzt öfter Tore schießt und fix Nationalspieler ist, dass Denis Zakaria wieder so stark retour kommt, dass der unbekannte Joe Scally auf diese Art von der Lainer-Verletzung profitiert und US-Nationalspieler wird, dass ein Luca Netz mit 18 Jahren spielt – da können wir gerne über Titel reden, wir versuchen aber auch, diese Mannschaft umzubauen.

Können Sie sich in Florian Neuhaus hineinversetzen, der sich jetzt beklagte, er habe sich mehr Rückendeckung vom Verein gewünscht, als er zuletzt seinen Stammplatz verlor? Was sagen Sie ihm? Wie verhalten Sie sich?

Natürlich muss er ruhig bleiben und trainieren, es wird ihm auch nichts anderes übrigbleiben. Klar kann ich mich hineinversetzen, wenn er die Chance bekommt, nach einem Tor etwas sagen zu können. Aber man kann darüber diskutieren, was er gesagt hat. Was heißt das denn? Wen hat er denn gemeint? Solche Sachen gehören aber dazu, wir werden das intern besprechen.

Kann das mit Ihnen und Gladbach was Langes werden – oder sind Sie eher ein „Wandervogel“?

Das sehe ich überhaupt nicht so. Wenn jemand über mich sagt: Nach drei Jahren geht der immer, dann sage ich: Man muss es erst einmal schaffen, drei Jahre lang bei einem Verein zu sein. Und zwar wie ich bei Traditionsvereinen wie Bern, Frankfurt oder Mönchengladbach. Es gab ja immer ganz eigene Gründe: In Bern hatte ich schon ein Angebot aus der Bundesliga. Ich habe abgesagt, bin geblieben und wir sind Meister geworden. Dann bekam ich wieder ein Angebot, irgendwann, so dachte ich, ist dann womöglich die Tür zu, und ich wollte aber immer in diese deutsche Bundesliga. Und die Entscheidung nach Gladbach zu gehen, die hatte ja auch Gründe.

Die da wären?

Alle Leute, die mich seinerzeit in Zürich nach Frankfurt geholt und mich dort in den drei Jahren begleitet haben, waren weg in Frankfurt. Fredi Bobic, Bruno Hübner, auch Aufsichtsrat Wolfgang Steubing, der für mich wichtig war. Und ich bin ja vertragstreu geblieben, hatte ja eine Ausstiegsklausel. Die wurde gezogen, und ich hatte hier in Mönchengladbach tolle Gespräche. Ich habe die Chance dann genutzt, noch einmal einen tollen Traditionsverein zu übernehmen. Mein ganzes Umfeld war der Meinung, dass es der richtige Schritt ist.

Kontinuität und Verlässlichkeit, wie sie Christian Streich in Freiburg vorlebt. Ist das noch vorstellbar in der Liga?

Freiburg ist mit Streich abgestiegen und wieder aufgestiegen. Wenn man einen Trainer durch eine Krise bringt, dann machst du ihn auch stärker. Ich hatte dieses Gefühl in Frankfurt und habe es auch jetzt in Gladbach: Es ist alles ruhig intern. Jeder weiß, wie ich arbeite. Und dann ist es entscheidend, ob man auch Ergebniskrisen überdauern kann.

Als Trainer bleiben Sie immer abhängig von der Gunst Ihrer Spieler.

Ich bin jetzt 13 Jahre Profitrainer und musste einen harten Weg gehen, dass ich hier in Gladbach Trainer sein darf. In 13 Jahren bin ich ein einziges Mal entlassen worden, ganz am Anfang. Und ich weiß: Das ist Part of the Game. Ich mache mir überhaupt keine Gedanken darüber. Dafür bin ich schon zu lange dabei, habe über 550 Spiele als Trainer im Profifußball gemacht. Ich weiß, was ich kann. Ich weiß, dass du manchmal auch Glück brauchst. Die Spieler gewinnen dir die Spiele, du musst mit ihnen auch können. Aber ob einer mal enttäuscht ist oder nicht, davon kann ich meine Entscheidungen nicht abhängig machen. Ich kann nicht jeden glücklich machen. Nach Christian Streich und Julian Nagelsmann bin ich der Trainer in der Liga, der hier am längsten arbeitet. Und ich habe bei vielen anderen Vereinen in dieser Zeit schon drei verschiedenen Trainern die Hand gegeben.

Wir wollten es auch nicht beschreien, sondern nur unser Mitgefühl ausdrücken.

Ich habe in der zweiten österreichischen Liga begonnen, aber eines können sie mir glauben: Auch dort fliegen sie raus, wenn sie fünf Mal nacheinander verlieren. Ich sag es gerne, weil ich stolz darauf bin: Ich hatte 400 Pflichtspiele als Trainer, bevor ich in der deutschen Bundesliga Trainer geworden bin. So ein Rüstzeug ist ein anderes im Vergleich mit einem, der gleich frisch in die Bundesliga kommt. Das ist brutal. Ich weiß, mit welchen Werkzeugen ich aus Krisen herauskommen kann. Dafür braucht man Erfahrung.

Wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Sportdirektor Max Eberl?

Er hat um mich gekämpft, und die Zusammenarbeit hat sich so herauskristallisiert, wie ich ihn zuvor wahrgenommen habe, als wir uns drei Mal getroffen hatten. Er ist ein top Sparringspartner. Und menschlich etwas ganz Besonderes. Max ist eine ganz eigene Persönlichkeit.

Was geht noch in der Saison?

Dass wir um die internationalen Plätze spielen wollen, dieses Ziel werden wir nicht aus den Augen verlieren. Aber die Konkurrenz ist stark: Freiburg macht es wieder hervorragend, Union Berlin bewundere ich auch. Da wird einfach gute Arbeit gemacht.

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