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Carolin Kebekus„Im Lügen waren Eltern ja immer gut“

8 min
Köln: Comedian und Autorin Carolin Kebekus

Köln: Comedian und Autorin Carolin Kebekus

Carolin Kebekus spricht im Interview über ihre langwierige Entbindung, Männer – und das neue Leben mit Kind

Lustig sind Wehen eher nicht. Die Comedienne Carolin Kebekus hat trotzdem ein komisches Buch über alles das geschrieben, was sie in der Schwangerschaft, bei der Entbindung und jetzt mit dem Kind erlebt: „8000 Arten, als Mutter zu versagen“. Im Interview mit Daniel Benedict spricht sie über Senfbäder, Social-Media-Mütter und väterliche Hormonschwankungen.

Frau Kebekus, bevor Ihr Kind zur Welt kam, lagen Sie vier Tage mit Wehen in der Klinik. Das stellt man sich ja eigentlich anders vor.

Wie wir wissen, war ich bei der Entbindung uralt. Da wird einem empfohlen, dass man die Geburt am errechneten Termin einleitet. Meine Vorstellung war: Am Stichtag fahren wir hin, ich kriege eine Tablette und dann kommt das Kind. Ich habe auch wirklich Tabletten bekommen, alle paar Stunden neue, und es setzten auch Wehen ein, mal stärker, mal schwächer. Aber es kam kein Kind. Zwischendurch wurde der Muttermund kontrolliert und der öffnete sich nicht. Das Kind lag irgendwie nicht tief genug – whatever. Unter uns: Muttermundunwirksame Wehen sind die asozialste Art, auf die man Wehen kriegen kann. Weil es einfach gar nichts bringt.

Was haben Sie in all der Zeit gemacht – und was Ihr Partner?

So witzige Sachen wie Massagen. Oder Fußbäder mit Senf. Die hat der Papa vom Baby sogar mitgemacht.

Logisch. Wenn der ein Fußbad macht, ist das ja wahrscheinlich genauso nutzlos wie ein Fußbad der Mutter.

Eben. Wir haben einfach alles mitgenommen. Am ersten Abend habe ich gefragt: Was machen wir denn jetzt? Dann hieß es: Gehen Sie mal spazieren und Treppen steigen; und dann kriegen Sie noch eine Spritze und wenn dann immer noch nichts passiert, legen Sie sich schlafen. Ja, wie jetzt? Ich geh schlafen? Hä? Das war für mich so seltsam. Wir sind dann in dieses Zimmer gegangen, in das wir morgens eingecheckt hatten, und haben überlegt, ob wir einen Film gucken sollen. Es war wie früher, wenn die Schule ausgefallen ist. Plötzlich hat man freie Zeit und überhaupt nichts zu tun. So ging es munter weiter, vier Tage lang. Die Laune wurde nicht besser, aber am Ende hat es geklappt.

Als ich Vater wurde, wusste das der Käsemann zuerst. Weil man wegen all der Infektionsgefahren ja pedantisch nach dem Rohmilchanteil fragt. Wer hat Sie der Schwangerschaft überführt?

Das war ein Kumpel, bei dem wir zum Grillen waren. Ich musste nur sagen, dass ich mein Steak gern schön durch esse. Da hat er sofort gefragt, ob ich schwanger bin. Das war lange, bevor man es erzählt. In der ersten Zeit ist es ja noch unsicher, ob das Kind überhaupt bleibt. Ich habe dann auch sehr viele Geschichten von Frauen gehört, die schwanger waren und das Kind doch noch verloren haben. Ich glaube, gerade deshalb habe ich es relativ früh erzählt. Ich war 42, als ich schwanger wurde. Und da habe ich mir gedacht, dass ich diesen Moment es zu erzählen auf jeden Fall erleben will.

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Fiel es Ihnen schwer, auf Kölsch zu verzichten?

Irgendwie gar nicht. In der Schwangerschaft hatte ich da gar keinen Bock drauf. Das roch für mich sogar komisch. Alles mit Alkohol – ganz egal, ob Bier oder Wein – kam mir vor wie Nagellackentferner. Einmal habe ich aus Versehen aber wirklich ein Kölsch getrunken. Das war bei einer Aufzeichnung für die „Carolin Kebekus Show“, und Ina Müller war zu Gast.

Alles klar, mehr müssen Sie gar nicht erklären.

Oder? Das sehen Sie auch so! Sie hat mich natürlich nicht zum Trinken angestiftet. Ich hatte einfach nur ihr richtiges Bier mit meinem alkoholfreien verwechselt. Hinterher habe ich alle gefragt, ob ich mir jetzt den Finger in den Hals stecken muss, damit das sofort wieder rauskommt. Aber ehrlich – da war ich in der zehnten Woche oder so. Viele wissen da noch nicht mal, dass sie schwanger sind.

Wenn das erste Kind kommt, merkt man, dass man selbst gar nicht der Endpunkt ist – sondern auch nur Teil einer Generation, auf die weitere folgen. Wie hat das Ihr Lebensgefühl verändert?

Für mich hat es das Gefühl für meine Eltern verändert. Das war immer voll gut. Aber jetzt merke ich, was es heißt, Kinder großzuziehen und nebenher ein eigenes Leben haben zu wollen. Wie es sich anfühlt, all das zu managen, was man heute Mental Load nennt. Meine Mutter hat das in einer Zeit gemacht, als der Mann sich weitestgehend rausgehalten hat. Wenn der von der Arbeit kam, hat er sich erstmal ausgeruht. Und als Frau war man so wahnsinnig zuständig für das Kind. Das ist heute ja schon besser. Mir fallen jetzt auch wieder Situationen von früher ein. Zum Beispiel wie ich als Teenagerin mit meiner Mutter gestritten habe: Ist mir doch egal, ob die Wäsche auf der Treppe liegt oder im Schrank! Ich hab Megaschiss vor allem, was da noch auf mich zukommt. Also, das hat sich verändert: wie ich meine Mutter sehe, meine Oma und meine Uroma auch.

Kinder leben heute mit weniger Freiräumen als früher. Ich selbst war in den 70ern schon als Fünfjähriger allein unterwegs – mit allen Freuden und Gefahren.

Ich wundere mich jetzt schon, wieso ich meine Eltern damals so vorsichtig und spießig fand. Aus der Rückschau waren sie unfassbar locker. Wir sind früher immer vier Wochen in die Bretagne gefahren. Meine Eltern haben das immer so beschrieben: „Morgens machen wir die Tür auf, dann laufen die Kinder an den Strand und abends sehen wir uns wieder.“ Was für eine Horrorvorstellung. Wissen Sie, wie krass die Gezeiten in der Bretagne sind? Ich weiß noch, wie ich und eine Freundin mit unseren kleinen Geschwistern bei Ebbe los sind, Krebse und Seesterne suchen. Plötzlich war Flut und wir standen auf so ein paar Steinen. Um uns rum war Wasser. Mein Bruder war vier und die Schwester meiner Freundin wahrscheinlich so zweieinhalb. Und dann haben wir die huckepack genommen und sind durch das Wasser zurück, halb gelaufen, halb geschwommen, und ohne Ende am Heulen. Und alles, was unsere Eltern am Strand gesagt haben, war … (Kebekus wechselt in breites Kölsch.) „Kinder, nee, wat seid ihr nass? Wir sind am Meer! Ihr müsst doch auf dat Wasser gucken!“

So war das damals.

Ein bisschen beneide ich meine Eltern aber auch, dass sie diesen Druck aus Social Media nicht hatten, oder? Uns wird auf Instagram doch ständig gesagt, wie wir unsere Babys waschen müssen, wie wir mit dem Kleinkind über Gefühle diskutieren und was wir bei der Förderung schon wieder verpasst haben. In der soundsovielten Woche entwickelt sich dieser oder jener Hirnlappen, und deswegen braucht das Kind jetzt unbedingt farbiges Spielzeug. Und dann steht man im Laden und das Spielzeug gibt’s nur in beige.

Als Sie Social Media gesagt hatten, dachte ich zuerst nicht an Eltern-Coaches auf Instagram, sondern an den täglichen Zank, wenn ich meinen Kindern den Zugriff auf mein Handy verweigern muss. Bei Ihnen kommt das natürlich erst noch.

Mein Handy will das Kind auch jetzt schon haben. Das war schon beim ganz kleinen Baby so, weil es halt leuchtet. Und jetzt, ähm, wird bei uns notfallmäßig ab und zu die „Sendung mit der Maus“ geguckt, die kurzen Clips mit Maus und Elefant. Absurd finde ich, wie selten das nötig ist und wie oft das Baby dann trotzdem danach fragt. Ich sage dann immer: Die Maus macht heia. Im Lügen waren Eltern ja immer gut. Wir hatten als Kinder Videokassetten mit Disney-Filmen. Einmal war meine Cousine da und wir haben unseren Vater bequatscht, dass wir was gucken dürfen. Und meine Cousine hat dann völlig verdattert gefragt, warum das überhaupt geht. Bei ihr funktionierte der Videorekorder nämlich nur, wenn’s regnet. Da hatte mein Vater mal kurz das Erziehungskonzept meiner Tante zerstört.

Was das Leben mit ganz kleinen Kinder so toll macht: Man sieht die Welt noch mal mit ihren Augen. Eine Pfütze oder ein Regenwurm werden auf einmal ein intensives Erlebnis. Was haben Sie zuletzt schon alles neu entdeckt?

Ich weiß noch, wie ich das erste Mal was auf ein Blatt Papier gemalt habe – und das Baby hat das gesehen. Wie wahrscheinlich jedes Kind mag es Bälle und Wauwaus. Und als ich dann einen Hund gemalt habe, konnte es das gar nicht glauben. Eben war da noch nichts! Und jetzt – ein Wauwau! Und das hat Mama gemacht! Natürlich erlebt man viele solche Momente. Es macht Spaß und alle sagen mir auch, wie schnell das vorbei ist und dass ich es genießen soll. Stimmt alles. Aber man schläft halt auch sehr schlecht.

Hormonelle Schwankungen sind etwas, das man landläufig gern Frauen unterstellt. Ich glaube aber, dass das in der Stillzeit auch Männer intensiv betrifft. Können Sie diese These mit Beispielen von Ihrem Partner stützen?

Wir haben gelesen, dass beim Mann kurz vor der Geburt der Testosteronspiegel sinkt. Wahrscheinlich, damit der nicht mehr so aggro ist. Meiner Erfahrung nach verändern sich alle, aber Väter machen dann andere Sachen anders als Mütter. Bei uns sagt der Vater zum Beispiel gern: So, ich gehe jetzt mal los mit dem Kind. Dann frage ich natürlich sofort: Hast du das Fläschchen dabei? Hast du Pulver dabei? Hast du eine Windel dabei? Aber er ist quasi schon weg und nimmt einfach gar nichts mit. Wie, gar nichts? Aber das geht doch auf keinen Fall gut, denke ich mir. Irgendwann kommen die dann aber wieder und das Kind hat keine Hose mehr an und statt der Windel ein Handtuch um den Po. Aber – es ist happy.

Streckenweise ist Ihr Buch ganz schön derb und offen, dann aber auch wieder sehr diskret. Als Leser erfährt man weder das Geschlecht des Kindes noch den Namen des Vaters. Wie haben Sie Ihre Grenzen gesetzt?

Meine Schwangerschaft war ja sowieso öffentlich. Die hätte ich gar nicht verbergen können. Von meiner eigenen Intimität gebe ich dann ganz bewusst viel preis. Weil es etwas ist, wo die meisten Frauen sich wiederfinden. Und damit ist es auch etwas, das uns als Gesellschaft interessieren sollte: Wie gehen wir mit dem Wochenbett um? Wie öffentlich ist so ein schwangerer Körper? Wie viel Zugriff hat die Gesellschaft darauf? Wie sehr wird mein Körper kontrolliert – auch vom Gesetzgeber? Eine Schwangerschaft ist intim, aber auch eine gesellschaftliche Frage. Das Geschlecht von dem Baby und die Identität meines Partners sind einfach nur privat. Vielleicht rede ich auch mal über den Stuhlgang des Kindes, weil das sowieso alle Kinder gemeinsam haben. Aber mehr gebe ich nicht preis.

Ihr Buch erzählt auch von dem Druck, dem Mütter heute ausgesetzt sind. Und vieles kommt dabei von anderen Frauen. Gibt es auch so etwas wie eine toxische Weiblichkeit oder ist der Begriff in einer patriarchalen Gesellschaft schief?

Ja, für mich klingt das wirklich schief. Das kann man nicht vergleichen. Es stimmt schon: Der gesellschaftliche Druck auf Mütter ist hoch und er kommt nicht nur von Männern, sondern auch von Frauen. Aber am Ende geht es immer auch um die Machtfrage. Wenn eine Frau sich für Kinder entscheidet, ist das gleichzeitig eine Entscheidung für die Altersarmut. Als Mutter fehlt es dir später an Rente, du hast Probleme, nach der Elternzeit zurück in den Beruf zu kommen… Wir sind noch lange nicht an einem Punkt, an dem die Dinge gerecht verteilt sind.