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Hoffnung beim Kampf gegen CoronaDeutschlands Impfstoff-Szene zeigt, was sie kann

Lesezeit 4 Minuten
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Eine Laborantin in einem Labor von CureVac in Tübingen

  1. Deutschland gehört momentan zu den stärksten Standorten im Kampf gegen Covid.
  2. Zwei der drei größten Hoffnungsträger sind hier beheimatet.
  3. In Tests scheinen bereits geringe Dosen eine hohe Wirksamkeit zu erzählen.
  4. Ein Überblick über den Stand der Forschung

Hoffnung an der Corona-Front: Pharmafirmen und Biotech-Startups kommen bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 voran. Vor allem das Unternehmen Biontech aus Mainz präsentiert ermutigende Ergebnisse: In ersten Tests an Menschen haben sämtliche Teilnehmer Antikörper gegen das Virus entwickelt – und zwar noch deutlich mehr, als eine überstandene Infektion hinterlässt. Auch von konkurrierenden Projekte weltweit kommen gut Nachrichten.

Da sich der Weg einer schnellen „Durchseuchung“ der Bevölkerung als ethisch nicht gangbar erwiesen hat, weil er zu viele Tote fordern würde, ist eine zügige Beendigung der Pandemie nur mit einer Impfung möglich. Bis sie für die breite Bevölkerung zur Verfügung stehen, dürfte trotz aller Eile zwar noch rund ein Jahr vergehen. Schließlich muss die Sicherheit des Präparats nachgewiesen sein. Die Zwischenergebnisse weisen aber immerhin darauf hin, dass sich ein Impfstoff gegen Sars-CoV in Reichweite befindet.

Erste positive Resultate

Von mehreren der weltweit 14 Impfstoffkandidaten, die Forscher bereits an Menschen ausprobieren, sind bereits erste positive Resultate zu hören. So hat ein Wirkstoff der großen chinesische Firma Sinopharm ebenfalls zuverlässig zur Bildung von Antikörpern geführt, wie das Unternehmen in der vergangenen Woche mitgeteilt hat. Die US-Unternehmen Inovio und Moderna sind ebenfalls schon mit Erfolgsnachrichten an die Öffentlichkeit gegangen. Die Universität Oxford in Großbritannien testet ihren Impfstoff derweil bereits an Tausenden von Menschen weltweit. Weitere rund 150 Forschungsprogramme laufen derzeit an.

Zwei Hoffnungsträger aus Deutschland

Eine Sonderstellung nehmen drei Unternehmen ein, von denen zwei in Deutschland beheimatet sind. Moderna aus den USA sowie Curevac und Biontech aus Deutschland arbeiten mit einer brandneuen Technik und sind auf dem Weg zum Impfstoff besonders weit fortgeschritten. Statt tote oder geschwächte Viren in die Spritze zu packen, um das Immunsystem gegen Sars-CoV-2 aufzustacheln, nutzen sie Gentechnik. Sie haben ein Verfahren entwickelt, um Boten-Erbsubstanz (mRNA) in körpereigene Zellen einzuschleusen. Diese wirken wie ein Herstellungsprogramm für die Zellmaschinerie. Die Zellen stellen danach einzelne Teile des bösen Virus im in großer Menge selbst her. So bekommt das Immunsystem den Feind gezeigt, ohne dass jemals ein echtes Virus beteiligt war.

Große Produktion in wenigen Monaten

Da die Spritze nicht den Impfstoff selbst enthält, sondern nur das Programm zu seiner Herstellung, reichen winzige Mengen aus. Die Produktion des Impfstoffs wird gewissermaßen aus der Medikamentenfabrik in die Zellen des Impflings verlagert. Mit einer Badewanne voll Impfstoff lässt sich mindestens die Bevölkerung von Nordrhein-Westfalen durchimpfen. Die Hersteller haben sich daher bereits optimistisch gezeigt, nach Beginn der Massenproduktion innerhalb weniger Monate eine Milliarde Impfdosen bereitstellen zu können.

Die mRNA-Technik befindet sich erst seit wenigen Jahren in Erprobung – es gibt noch keinen einzigen zugelassenen Impfstoff, der darauf beruht. Außer den drei genannten Unternehmen arbeiten zwar noch andere Biotech-Startups damit, darunter die Firma Baseclick aus München oder Translate Bio aus den USA; sie sind jedoch in ihrer Forschung bei weitem noch nicht so weit wie die drei Marktführer.

Hohe fianzielle Unterstützung

Den größten Unterschied macht die Finanzkraft. Moderna, Biontech und Curevac haben reiche Unterstützer. Curevac hat sich im Juni eine Investition in Höhe von 300 Millionen Euro von der Bundesregierung gesichert. Das internationaler eingestellte Team von Biontech konnte als Großinvestor den Staatsfonds von Singapur gewinnen. Gewissenhafte Forschung in der derzeit vorgelegten Geschwindigkeit ist eben enorm teuer.

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Dem Singapurer Investor Temasek-Holdings geht es dabei nach eigener Aussage gar nicht in erster Linie um den Covid-Impfstoff. Das ist nicht nur Propaganda: Die Schatzmeister des reichen Stadtstaats investieren routinemäßig in Biotech-Unternehmen mit guten Langzeitaussichten. Das Kerngebiet der Forschung bei Biontech ist ohnehin die Krebsforschung. Die Anwendung der mRNA-Technik auf das Corona-Virus ist eher eine kurzfristige Ablenkung von den laufenden Vorhaben – wenn auch eine sehr PR-trächtige.

Deutschland als einer der stärksten Standorte

Deutschland gehört mit der starken biomedizinischen Forschung an Universitäten und Unternehmen derzeit generell zu den stärksten Standorten im Kampf gegen Covid. Der Verband der forschen Pharma-Unternehmen (VFA) zählt acht wichtige Projekte. Die Mehrheit der Forscher arbeitet dabei an einer herkömmlichen Variante, bei der ein harmloses Virus äußerlich als Sars-CoV-2 verkleidet wird. Daran forscht beispielsweise das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig zusammen mit den Universitäten München, Marburg und Hamburg.

Der Privatsektor liegt jedoch klar vorn. Biontech wird seine Tests vermutlich noch in diesem Monat auf 30.000 Personen ausweiten. Ein so schnelles Vorgehen ist ungewöhnlich, doch das Unternehmen hat sich schon im Februar entschieden, für „Projekt Lichtgeschwindigkeit“ eine andere Gangart anzuschlagen als in der Pharma-Forschung sonst üblich. Die Behörden spielen angesichts der Corona-Schäden für Gesundheit und Wirtschaft mit.

Die 36 Testkandidaten der ersten Biontech-Tests in den USA haben nur leichte Nebenwirkungen wie Fieber gezeigt, die bei Impfungen generell zu erwarten sind. Es hat sich zur Freude des Unternehmens herausgestellt, dass auch die niedrigste Dosis des Wirkstoffs ausreichte, um eine kräftige Immunantwort zu erzielen. Sie muss dafür bloß zweimal mit etwas Abstand gespritzt werden. Auf die niedrige Dosis reagierten nur acht Prozent der Testpersonen mit leichtem Fieber, die übrigen hatten gar keine Nebenwirkungen.