Die EU entschärft das Lieferkettengesetz aus wirtschaftlichen Gründen, aber die moralische Verantwortung bleibt bestehen. Die Verbraucher selbst beeinflussen faire Standards.
LieferkettengesetzDie Entschärfung ist kein Freibrief zum Wegsehen

Containerschiffe werden am Containerterminal be- und entladen. Die EU hat das Lieferkettengesetz abgeschwächt.
Copyright: Christian Charisius/dpa
Zuletzt wurde der ökonomische Druck einfach zu groß. Nun will die EU das europäische Lieferkettengesetz zum Schutz von Menschenrechten abschwächen, noch bevor es in Kraft getreten ist. Die Entscheidung lässt weite Teile der Wirtschaft aufatmen. Angesichts der angespannten ökonomischen Lage, hoher Energiepreise und sich intensivierenden globalen Unsicherheiten ist das nachvollziehbar.
Viele Unternehmen, insbesondere in Deutschland, hatten davor gewarnt, dass zu strenge Auflagen mit weitreichenden Nachweis- und Haftungspflichten sie im internationalen Wettbewerb überfordern könnten. Brüssel hat die Bedenken zahlreicher Mitgliedstaaten ernst genommen und reagiert pragmatisch. Doch die Entschärfung ist kein Freibrief zum Wegsehen. Wer auf globalen Märkten agiert, trägt auch Verantwortung für die Bedingungen, unter denen produziert wird – von der Baumwollspinnerei in Asien bis zur Kobaltmine in Afrika.
Realismus ersetzt keine moralische Verantwortung
Dass die gesetzliche Verpflichtung jetzt schwächer ausfällt, um die Unternehmen vor allem auch bürokratisch zu entlasten, bedeutet nicht, dass ethisches Handeln obsolet wäre. Im Gegenteil: Wer gegenüber Verbrauchern glaubwürdig sein will, sollte sich freiwilliger Selbstverpflichtung nicht verschließen.
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Vielen Unternehmen ist inzwischen bewusst, dass nachhaltige und menschenwürdige Produktion kein Widerspruch zu wirtschaftlichem Erfolg sein muss. Sie stärkt das Vertrauen von Kunden und Investoren sowie die Loyalität von Mitarbeitern. Eine Lieferkette, die auf Ausbeutung basiert, mag kurzfristig Gewinne bringen – langfristig zerstört sie Reputation und gesellschaftliche Akzeptanz.
Denn auch Verbraucher haben Einfluss. Jeder Kauf – auch der unterlassene – ist ein Signal. Wenn Konsumenten gezielt Produkte bevorzugen, die fair und transparent hergestellt wurden, entsteht ein wirksamer Marktanreiz für bessere Standards entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Dass die EU nun gewillt ist, ein Stück Realismus walten zu lassen, war notwendig. Aber moralische Verantwortung lässt sich nicht einfach deregulieren. Es muss sich nun zeigen, ob Europas Unternehmen und Bürger reif genug sind, Freiheit mit Haltung zu verbinden. Das Lieferkettengesetz mag abgemildert sein – die Verpflichtung gegenüber der Menschenwürde ist es nicht.

