Gegen die HedgefondsWie die „Affen“ den Aktienmarkt verändern wollen

Die große amerikanische Kinokette AMC hat einen hohen finanziellen Schaden erlitten.
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New York – „Die Rakete wird zünden!“, „Nur Richtung Mond!“, „Kaufen und halten!“ – mit diesen Aufrufen und Sprüchen motivieren sich aktuell mutmaßliche Kleinanleger in Internet-Foren wie der Börsen-Plattform „Wallstreet-Online“, um gegen die Großen der Finanzbranche anzutreten: die mächtigen Hedgefonds dieser Welt. Und mit ihrer „Lautstärke“ im Netz und ihrer bemerkenswert großen Zahl haben sie bereits mächtig Staub aufgewirbelt.
Denn die „Affen“, wie sie sich selbstironisch nennen, stehen seit einigen Wochen und Monaten im Zentrum einer Bewegung, die mindestens in der Finanzszene gehörig für Aufmerksamkeit sorgt und bei den beteiligten Hedgefonds möglicherweise bereits finanziellen Schaden in Milliardenhöhe angerichtet hat.
GameStop und AMC durch Pandemie in Krise geraten
Worum geht es bei diesem „David-gegen-Goliath“-Kampf an den amerikanischen Börsen? Im Mittelpunkt stehen insbesondere die Aktien einer Einzelhandelskette für Computerspiele (GameStop) und die einer großen US-amerikanischen Kinokette (AMC). Beide Unternehmen vereint, dass sie wirtschaftlich in Schwierigkeiten waren und wegen der Corona-Pandemie massiv unter Druck geraten sind. Eine wichtige Rolle dabei spielen Hedgefonds, in deren Fokus GameStop und AMC geraten sind.
Diese haben aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der genannten Firmen auf weiter fallende Kurse gewettet – ein nicht seltenes Vorgehen der milliardenschweren Finanzriesen, um Gewinne für ihre Fonds zu generieren.
Was nun seit dem Ende letzten Jahres passierte, hat vermutlich nahezu alle Finanzexperten überrascht: Kleinanleger in den USA haben sich über Internet-Foren wie „reddit.com“, den Messengerdienst Telegram oder Social-Media-Kanäle wie YouTube gefunden und verabredet, jeweils kleine Aktienbestände zunächst von GameStop, später dann auch von AMC, aufzukaufen und diese dann auch zu behalten.
Aktien teilweise um das Zehnfache gestiegen
Aus wenigen sind mittlerweile Hunderttausende oder sogar Millionen „Affen“ geworden, und die Werte der genannten Aktien sind zeitweise um das Zehnfache und mehr gestiegen – allerdings kurz danach auch wieder massiv gefallen. Grund dafür ist ein sogenanntes „Short-Squeeze“-Szenario. Die Strategie der „Affen“ stellt damit das Investment der mächtigen Player auf wacklige Füße. Ein wirksames Mittel gegen die organisierte Bewegung der Kleinaktionäre scheinen die Hedgefonds noch nicht gefunden zu haben.
Was versteht man unter einem Short-Squeeze?
Von diesem Szenario an den Börsen spricht man, wenn eine Angebotsknappheit bei einem Wertpapier vorliegt, das vorher in großer Zahl leerverkauft wurde. Für einen Leerverkauf leiht sich ein Hedgefonds gegen eine Leihgebühr Aktien von anderen Anlegern und verkauft die. Er setzt darauf, dass er diese Aktien billiger am Markt kaufen kann, wenn er sie dem Verleiher zum vereinbarten Termin zurückgeben muss. Dann würde er Gewinn machen. Wenn aber der Rückkauf nicht möglich oder sehr eingeschränkt ist, schnellt über die erhöhte Nachfrage der Aktienkurs nach oben. (dhi)
Das zeigt der Fall des britischen 440 Millionen-Dollar-Hedgefonds „White Square Capital“: Denn dessen Wette auf eine GameStop-Pleite ist bereits verloren. Der Fonds wurde jüngst wegen zu hoher Verluste in dem Invest geschlossen.
Aktienbesitzer hat sich Wissen über Videos angeeignet
Aktiver Teilnehmer in der „Affen“-Bewegung ist auch ein 39-jähriger Kleinanleger aus Lübeck. Der gelernte Altenpfleger will anonym bleiben und nennt sich in den Foren „Hanseat81“. Seit rund vier Jahren investiert er Geld, das er am Monatsende übrig hat, in Aktien, um, wie er sagt, „die aktuell attraktivste Möglichkeit zu nutzen, seine Altersversorgung zu sichern“. Das Know-how für die Börse habe er sich übers Internet angeeignet und über Erklär-Videos von YouTube-Influenzern wie „Trey’s Trades“.
Im Dezember erfuhr er im Internet von der „Affen“-Bewegung rund um GameStop – und später dann auch von AMC – und stieg selbst in diesen äußerst riskanten Aktienkauf ein. Er ist überzeugt: „Wir sind mittlerweile genug, um den Hedgefonds richtig wehtun zu können.“
Täglich zwei bis drei Stunden im Forum aktiv
Auf einer der führenden deutschen Börsen-Internetforen „Wallstreet-Online“ (WO) ist „Hanseat81“ seit Wochen fast täglich präsent, um in der deutschen „Affen-Community“ Einfluss zu nehmen. Zwei bis drei Stunden am Tag wendet er auf, um „die Beiträge der anderen zu lesen, gezielte Fake-News zu entlarven oder unbelegte Behauptungen mit Fakten zu untergraben“. Denn wer es ehrlich meint im Forum, ist nur mit Mühen zu erkennen.
„Natürlich lebt da jeder anonym seine Interessen aus. Die Antreiber machen alle nieder, die einen Verkauf von GameStop- oder AMC-Aktien auch nur andeuten. Und die Kritiker versuchen ständig die Anleger zu verunsichern und säen Zweifel und Ängste – denkbar auch, dass einige bezahlt werden, um die Anleger zum Verkauf zu bewegen“, berichtet Hanseat81. Die „Sprücheklopfer“ erkenne man vor allem daran, dass sie nie Quellen angeben, um ihre Behauptungen zu belegen. Natürlich brauche man da auch Erfahrung und viel Eigenrecherche, um sich nicht verrückt machen zu lassen, führt der 39-Jährige weiter aus.
Amerikaner benötigen Aktien für ihre Altersvorsorge
Was ihn so zuversichtlich macht, dass es wie bei GameStop auch bei AMC (Kurs Anfang Januar: 1,58 Euro) in Kürze zum „Big Short-Squeeze“ kommt: „Ich setze auf die hohe Motivation und den Spirit der amerikanischen Anleger, die trotz der vielen Deutschen, die mittlerweile dabei sind, für die Bewegung und das Erreichen der Ziele entscheidend sind.“ Die Amerikaner haben eine völlig andere Einstellung zu Aktien.
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Sie benötigen sie für ihre Altersvorsorge, berichtet Hanseat81 von seinen Informationen aus den amerikanischen Foren. „Und viele in der Bewegung gehören zu den Kindern der Leute in den USA, die in der Finanzkrise 2008 Haus und Hof verloren haben. Sie geben den Hedgefonds die Schuld daran. Und nun wollen sie es ihnen heimzahlen und das, was ihre Eltern damals verloren haben, an sie wieder zurückgeben. Das wird so von vielen offen formuliert.“
Für ihn selbst ist es zunächst einmal eine Chance, finanziell zu profitieren. Aber auch daran beteiligt zu sein, dem Finanzgebaren der Hedgefonds ein Bein zu stellen, damit sich etwas ändere und die Großen sich endlich an die Regeln halten, so der 39-Jährige. Das Ziel wird in den Foren klar formuliert: sprich, einen der großen Hedgefonds in die Knie zu zwingen. Und zumindest er und viele in der „Affen“-Bewegung sind sich sicher: „Wir werden gewinnen!“



