Eine Expertin erklärt im Interview, wie man sich im immer größer werden Angebot an nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten zurechtfindet.
Finanzexpertin zu Geldanlage„Es gibt kein staatliches Siegel für Nachhaltigkeit“

Viele Verbraucher wollen auf Nachhaltigkeit setzen bei der Finanzplanung.
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Geldanlagen, die gut für das Konto sind und für die Umwelt wünschen sich immer mehr Sparer. Worauf dabei zu achten ist – darüber sprach Vera Arenz mit Karin Baur, Finanzexpertin der Stiftung Warentest.
Was bedeutet nachhaltige Geldanlage?
Bei nachhaltiger Geldanlage sind nicht nur die ökonomischen Kriterien entscheidend, auch ökologische und soziale Kriterien spielen eine Rolle. Die Fonds verzichten unter anderem auf Investitionen in fossile Energien, sie investieren nicht in Waffen und lassen keine Kinderarbeit zu.
Welche Kriterien gibt es?
Es gibt Ausschlusskriterien: Fonds vermeiden bestimmte Investitionen. Dann gibt es noch sogenannte Positivkriterien: Fonds wählen gezielt Unternehmen beispielsweise aus dem sozialen Bereich – Krankenhäuser, Kindergärten oder Pflege. Ein soziales Kriterium ist auch Gleichberechtigung, also dass es Kinderbetreuung gibt, damit Frauen gut arbeiten können. Meistens liegt die Kinderbetreuung ja in den Händen der Mütter.
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Was ist das Wichtigste?
Schwierig! Das ist abhängig davon, was gerade auf der Welt passiert. Vor 14 Jahren ist in Japan die Katastrophe mit Fukushima passiert. Da stach das Kriterium Atomkraft sehr heraus. Die Leute, die nachhaltige Fonds kaufen wollten, haben extrem darauf geachtet, dass diese Atomkraft ausschließen. Jetzt – mit dem Klimawandel – sind es eher die fossilen Energien, allen voran die Kohle. Wir wissen, ethisch-ökologisch orientierte Anlegerinnen und Anleger achten auch stark darauf, dass keine Kinderarbeit geduldet wird.
Wie aussagekräftig sind die sogenannten ESG-Kriterien?
Das steht für Environment, Social und Governance und ist der Oberbegriff für die Kriterien. Fossile Energien und Atomkraft gehören zum „E“, soziale Kriterien wie Gleichberechtigung werden unter „S“ zusammengefasst und bei „G“ – für Governance - geht es um gute Unternehmensführung.

Karin Baur, Finanzexpertin der Stiftung Warentest
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Anlegerinnen und Anleger müssen sich entscheiden, was ihnen besonders wichtig ist.
Sie sollten sich informieren, bevor sie in einen nachhaltigen Fonds investieren, manche sagen auch einfach ESG-Fonds dazu. Es gibt welche, die haben nur ein paar Ausschlusskriterien und dafür andere nicht, die einem aber vielleicht auch wichtig sind. Manche Leute sind zufrieden, wenn Waffen ausgeschlossen sind oder fossile Energien. Andere wollen auch keine Tierversuche, keine Investitionen in Tabak, keine Umweltzerstörung. Insgesamt prüft die Stiftung Warentest 29 Ausschlusskriterien. Die Ausschlüsse sind nicht immer gleich streng.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Ein Unternehmen stellt Technologieprodukte her, die unter anderem vielleicht auch in Waffen verwendet werden könnten. Dafür hat man Toleranzgrenzen eingeführt und sagt, mehr als fünf Prozent des Umsatzes soll das nicht ausmachen. Das toleriert man dann, weil es schwierig wäre, das immer ganz genau nachzuweisen. Fünf Prozent ist tolerabel. Wenn es 30 Prozent wären, wäre es das nicht mehr. Es gibt Unternehmen, die sagen, sie investieren nicht in fossile Energien. Wenn man dann genau hinguckt, erzielen sie bis zu 30 Prozent ihres Umsatzes mit Kohleförderung. Das sind Sachen, die sollten Anlegerinnen und Anleger vorher genau angucken, weil sie hinterher sonst enttäuscht sind. Die Stiftung Warentest untersucht das alles und hat eine Übersicht erstellt, wo man schon auf den ersten Blick erkennen kann, was vollständig oder vielleicht nur teilweise ausgeschlossen ist.
Sind „nachhaltig“, „ethisch“ und „ökologisch“ überhaupt die richtigen Begriffe? Vor allem, wenn von einer Toleranz die Rede ist?
Das mit der Toleranz wird deswegen gemacht, weil es anders nicht immer funktioniert. Es gibt auch Unternehmen, die befinden sich in der Übergangsphase und haben vielleicht noch Restbestände an fossilen Energien, sind aber auf einem guten Weg. Es wäre dann schade, wenn man alle disqualifizieren würde. Deshalb gibt es Toleranzgrenzen. Wenn man das pure, reine Öko-Ding will, muss man gucken, dass überall ein vollständiger Ausschluss steht.
Kann Rüstungsindustrie und Atomkraft unter Umständen als nachhaltig bezeichnet werden?
Eins unserer Ausschlusskriterien ist Rüstung. Wir sagen dann, ob das Ausschlusskriterium voll erfüllt, teilweise erfüllt oder gar nicht erfüllt ist. Bei Atomkraft genauso. Es liegt beim Anleger, sich auszusuchen, was er gerne möchte. Bei der Geldanlage zählen ja nicht nur die nachhaltigen Aspekte, sondern auch die ökonomischen, also die finanziellen. Manche Leute achten auf beides, manche wollen nur den Nachhaltigkeits-Testsieger und sonst nichts. Wer sagt, er möchte bei ETFs bleiben, weil die günstiger und zuverlässiger sind, was die Performance angeht, dann macht man vielleicht Abstriche bei der Nachhaltigkeit. Das muss jeder für sich entscheiden. In der Übersicht der Stiftung Warentest sagen wir auch, wenn ein Fonds Nachhaltigkeitskriterien nur teilweise erfüllt. Dann wäre er nicht „streng nachhaltig“. Das sind nur die, die wirklich alle Kriterien voll erfüllen.
Wie kann man Geld nachhaltig anlegen?
Wir haben bisher über Fonds gesprochen. Es gibt Aktienfonds und Rentenfonds. Rentenfonds investieren in Anleihen. Man kann auch einzelne Aktien oder einzelne Anleihen kaufen. Die bewerten wir aber nicht. Und was man auch machen kann, ist, zu einer nachhaltigen Bank gehen und dort Tagesgeld oder Festgeld abschließen, oder auch ein Girokonto. Wenn man ein Girokonto unterhält oder Tagesgeld, dann arbeitet die Bank mit dem Geld. Das ist anders als bei Fonds. Da werden keine Wertpapiere gekauft, sondern die Bank nimmt das Geld und leiht es an andere Kunden der Bank aus. Nachhaltige Banken achten darauf, wem sie einen Kredit geben und für welche Zwecke.
Kann man noch allein nachhaltig anlegen oder setzt man besser auf Fonds?
Wir empfehlen generell, egal ob man nachhaltig anlegen will oder nicht, dass man Fonds nimmt, statt einzelner Wertpapiere. Wenn man sehr viel Geld hat, kann man einzelne Wertpapiere mischen. Wenn man nicht so viel Geld hat – was bei den meisten Leuten so ist – ist es besser in Fonds zu investieren, weil das kostengünstig ist und man eine gute Streuung bekommt. Vorausgesetzt, man nimmt die richtigen Fonds. Wir empfehlen immer weltweit gestreute Aktienfonds als Basis. Wenn man gerne in Anleihenfonds investieren möchte, in Rentenfonds, dann empfehlen wir Fonds mit Euro- oder deutschen Staatsanleihen. Wenn das zu kompliziert ist mit den Rentenfonds oder den Anleihenfonds, dann kann man zu einer nachhaltigen Bank gehen und Tages- oder Festgeld abschließen.
Wie sieht es aus mit Rendite und Sicherheit?
Vergleichbar mit der konventionellen Geldanlage. Ein Vorurteil, das sich hartnäckig hält, ist, dass man, wenn man nachhaltig Geld anlegt, auf Rendite verzichten muss. Das stimmt aber so nicht. Es gibt immer wieder Jahre, da ist die nachhaltige Geldanlage vorne. Dann gibt es Jahre, da ist die konventionelle Geldanlage vorne. Aber der Vorsprung jeweils ist meistens nicht groß. Und wenn man sich das über einen längeren Zeitraum anschaut, dann ist es vergleichbar. Im Moment ist es so, dass die nachhaltigen ETFs ein bisschen besser waren als die strengen, aktiv gemanagten Fonds. Unterm Strich kann man aber sagen: ist gehupft wie gesprungen.
Kann unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit eine ausreichende Risikostreuung erreicht werden?
Ja. Es ist natürlich schon klar, dass – wenn bestimmte Branchen ausgeschlossen sind – die Streuung nicht ganz so breit ist: Die eine oder andere Branche fehlt im Portfolio. Wir können nicht feststellen, dass das jetzt zu höheren Risiken führt auf längere Sicht. Wenn man einen ETF hat auf den MSCI World, dem Weltindex – also, den ganz klassischen ETF – hat man ungefähr 1300 Titel im Portfolio seines ETFs. Wenn man das Ganze nachhaltig nimmt, sind es nur noch ungefähr 400 Aktien. Aber selbst diese 400 Aktien bieten eine große Streuung. Schwieriger wird es, wenn man sich nur eine Branche herauspickt. Da kann es sehr heftig hoch und runter gehen. Das ist dann auch riskant. Das sollte man nicht als Basis machen, sondern nur zur Beimischung.
Worauf muss man achten, um nicht auf Greenwashing hereinzufallen?
Sich vorher einen Überblick verschaffen: Was macht der Fonds? Ob man immer von Greenwashing sprechen kann, ist die Frage. Es gibt Fonds, die einfach nicht so streng nachhaltig sind. Die sagen aber auch nicht, dass sie das sind. Es gibt inzwischen auch Regeln: Namensregeln für grüne Fonds. Damit ist es jetzt ein kleines bisschen genauer, als es vorher war. Wir haben aber festgestellt, dass es immer noch erhebliche Qualitätsunterschiede gibt. Wenn man jetzt nur vom Namen her gehen würde, könnte man einen erwischen, der vielleicht doch nicht so streng nachhaltig ist, wie man das gerne hätte. Man kann auch gezielt in sogenannte Transitionsfonds investieren wollen – mit Unternehmen im Portfolio, die erst im Übergang sind, richtig nachhaltig zu werden. Dazu brauchen die schließlich auch Geld.
Gibt es Gütesiegel, auf die man sich verlassen kann?
Es gibt kein staatliches Siegel oder eine gesetzliche Definition für Nachhaltigkeit. Unsere Bewertung kann einen Überblick bieten, was gut ist. Die Stiftung Warentest hat übrigens auch ein Vorab-Screening. Wir schauen uns die Fonds an: In was investieren Fonds, die sich als nachhaltig bezeichnen? Was haben die genau im Portfolio? Bevor wir uns damit befassen, was Ausschlusskriterien und Anlagekriterien sind, gucken wir an: Was machen Sie in der Praxis? Und wenn das nicht nachhaltig ist, dann passt es nicht. Dann kommen die Fonds nicht in die weitere Auswertung.
Was mache ich, wenn der Fonds die Kriterien ändert?
Das kann passieren, ist aber eher selten. Es gibt Fonds, die sind noch strenger geworden. Wir stellen aber nicht fest, dass ein strenger Nachhaltigkeitsfonds plötzlich ganz lax wird. Wir untersuchen die Fonds einmal im Jahr und halten unseren Test auf dem Laufenden. Ausgeschlossen werden kann natürlich nicht, dass ein Fonds seine Strategie ändert. Das gilt für die Nachhaltigkeit als auch für die ökonomische Strategie. Wenn man nicht mehr zufrieden ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als den Fonds zu verkaufen.
