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Wegen Straßenbeleuchtung„Weltfremde Verhinderer“ –  Palmer schreibt Brandbrief an Habeck

Lesezeit 3 Minuten
Boris Palmer lächelt in die Kamera

Boris Palmer

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich mal wieder mit den Grünen angelegt. Diesmal in Person von Energieminister Robert Habeck.

Boris Palmer hat einen offenen Brief an Robert Habeck geschrieben, in dem er eine Positionierung des Wirtschafts- und Energieministers zum Thema Energiesparen verlangt. Palmer beklagt, dass die Stadt Tübingen bei ihren Energiesparmaßnahmen behindert werde. Konkret geht es um die Straßenbeleuchtung. Die Stadtverwaltung habe die Laternen in vier Nächten pro Woche in der Zeit von 1 bis 5 Uhr morgens abgeschaltet, so Palmer in seinem Brief, den er auch bei Facebook postete. Damit wolle Tübingen den Appellen auch des Wirtschafts- und Energieministeriums zum Energiesparen Rechnung tragen.

„Damit können wir den Stromverbrauch der Stadt als Körperschaft um etwas 10% senken“, schreibt Palmer. Das entspreche in etwa dem Jahresverbrauch eines Vier-Personen-Haushaltes. 

Nun werde der Stadt aber genau dies untersagt, genauer gesagt: Laut einer Verordnung müsse das Licht an Zebrastreifen ohne Unterbrechung leuchten. Darauf habe das von Grünen geführte Verkehrsministerium von Baden-Württemberg hingewiesen. Palmer argumentiert, es sei technisch unmöglich, nur die Laternen an Zebrastreifen anzulassen, da „die rund 11.000 Lichtpunkte in der Stadt“ zu Gruppen von jeweils 100 Laternen zusammengeschaltet seien.  

Alles zum Thema Deutsche Bahn

Palmer findet das Herumreiten auf dieser Vorschrift völlig aus der Zeit gefallen und viel zu bürokratisch. Mit genau diesen Methoden werde immer wieder Fortschritt in Deutschland verhindert. Bezogen auf Tübingen meint er: „Schon am späten Abend interessieren sich Fußgänger in Tübingen nicht für rote Ampeln, sondern laufen über die Straße, wann und wie sie wollen. Um drei Uhr in der Frühe sind kaum Menschen auf den Straßen und ganz sicher keine Kinder“, empört er sich. Man könnte einfach auf den gesunden Menschenverstand der Bürgerinnen und Bürger setzen. 

Boris Palmer: „Völlig lahm gelegte Republik“

Palmer schreibt, er übernehme gerne die persönliche Verantwortung für das Abschalten der Beleuchtung. Allerdings benötige er dafür eine klare Aussage der Bundesregierung: Man solle sich dazu äußern, ob das Abschalten der Beleuchtung nicht tatsächlich eine vernünftige Abwägung zwischen den Risiken des Straßenverkehrs und einer akuten Bedrohung der Energieversorgung darstelle.  

In seinem Kommentar zum Brief wird Palmer noch deutlicher: Es gehe ihm um sehr viel mehr als Licht an Zebrastreifen. „Es geht um eine völlig lahm gelegte Republik“, meint der 50-Jährige, dessen Mitgliedschaft bei den Grünen derzeit ruht. Mit der Aufforderung, die persönliche Verantwortung zu übernehmen, könne er gut leben. „Das ist der Kern der kommunalen Selbstverwaltung. Je weniger weltfremde Verhinderer und Vorschriftenliebhaber den Kommunen reinregieren, umso besser“, schreibt Palmer.

Ob es allerdings juristisch überhaupt möglich ist, als Einzelperson bzw. Bürgermeister eine Verantwortung für den Bruch geltenden Rechts zu übernehmen, ist fraglich. 

Boris Palmer provoziert immer wieder

Mit dieser Aktion macht Palmer einmal mehr bundesweit auf sich aufmerksam. Sein Ruf reicht seit Jahren weit über seine Kommune hinaus, da er sich mit umstrittenen Äußerungen auch immer wieder gegen die Politik seiner eigenen Partei stellte. So sah er sich Rassismus-Vorwürfen ausgesetzt, weil er eine Werbung der Deutschen Bahn kritisierte, in der mehrere Menschen mit Migrationshintergrund zu sehen waren.

Im Mai 2021 hagelte es erneut Rassismusvorwürfe. Hintergrund waren umstrittene Äußerungen der beiden ehemaligen Fußballnationalspieler Dennis Aogo und Jens Lehmann. Palmer kritisierte die Kritik an beiden als übertrieben und verwendete dabei auch das N-Wort. In der Folge kam es zu einem Parteiausschlussverfahren gegen Palmer. Dieser lässt als Kompromiss seine Parteimitgliedschaft bis Ende 2023 ruhen.

Ob Robert Habeck unterdessen auf Palmers Brief antworten wird, bleibt abzuwarten. In die Zuständigkeit des Bundeswirtschaftsministeriums fällt die kommunale Straßenbeleuchtung zumindest nicht. (cme)