Der Rentenbeschluss der Koalition war eine schwere Geburt. Insgesamt drei Gesetzentwürfe umfasst das Paket, das der Bundestag am Freitag verabschiedet hat. Was steht drin? Und wie fallen die Reaktionen aus?
Rundschau-DebatteIst das beschlossene Rentenpaket der große Wurf?

Frauen verfolgen von der Besuchertribüne aus die Sitzung des Bundestags. Thema ist die Rentenreform.
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Um 13.21 Uhr ist es vollbracht. Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow hat die Kanzlermehrheit für das umstrittene Rentengesetz der Regierung verkündet und erlaubt sich die Bemerkung: „Ich denke, Sie haben die Steine, die von manchen Herzen geplumpst sind, gehört.“ Schwarz und Rot haben den umstrittensten Teil ihrer Rentenreform aus eigener Kraft durchs Parlament gebracht.
Fernsehsender schalten weg, im Saal herrscht erst noch weiter Konzentration, als Ramelow direkt danach durch weitere Renten-Abstimmungen führt. Am Ende steht ein Paket aus drei Gesetzen – und ein großes Reformversprechen. Worum geht es für die Menschen in Deutschland?
Haltelinie bringt 420 Euro mehr
48 Prozent Rentenniveau bis 2031: Beim Rentenniveau wird eine Standardrente ins Verhältnis zum Durchschnittseinkommen gesetzt. Sinkt es, steigen die Renten bei der jährlich im Sommer stattfindenden Rentenanpassung nicht so stark wie die Einkommen. Es wird bereits seit 2019 per Gesetz stabil gehalten. Doch diese Haltelinie läuft Ende des Jahres aus. Deshalb soll sie nun verlängert werden. Rentnerinnen und Rentner sollen also weiter Erhöhungen gemäß der Lohnentwicklung bekommen.
Ohne eine Haltelinie würde das Rentenniveau absinken, weil immer mehr Babyboomer von Einzahlern zu Rentnern werden – bis 2031 voraussichtlich um rund einen Prozentpunkt auf 47 Prozent. Das Arbeitsministerium rechnet vor: Durch die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent fällt zum 1. Juli 2031 eine Rente von beispielsweise 1500 Euro um etwa 35 Euro pro Monat höher aus. Das ist ein Plus von 420 Euro im Jahr.
Knackpunkt für die Junge Gruppe
Die Junge Gruppe der Unionsfraktion hatte mit Ablehnung des Gesetzes gedroht, weil das Rentenniveau auch nach 2031 um rund einen Prozentpunkt höher als im geltenden Recht liegen soll. Das soll die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler weitere rund 111 Milliarden Euro pro Jahr kosten. Zugutekommen soll das den dann Renten beziehenden Menschen, ihre Bezüge sollen auch nach 2031 nicht so rapide absinken, wie es alleine die Demografie mit den immer mehr Älteren nahelegen würde. Demnach könnte die Niveaumarke 2035 noch 46,7 und fünf Jahre später 46 Prozent betragen. Die Warnung der Jungen vor den Kosten war inhaltlich wenig umstritten, entgegnet wurde ihnen aber, dass sich die Gesellschaft das leisten können müsse.
Wie die Beiträge steigen
Wegen des Anstiegs bei den Erwerbstätigen und den Einkommen in Deutschland sind die Rentenbeiträge seit 2018 stabil geblieben. Zu zahlen sind 18,6 Prozent des Bruttolohns, zur Hälfte durch die Arbeitgeber und zur Hälfte durch ihre Beschäftigten, und zwar bis zu einer Obergrenze, der Beitragsbemessungsgrenze. Ende der 1990er betrugen die Beiträge noch mehr als 20 Prozent.
Nun soll der Beitragssatz erstmals 2027 hochgehen, die 20-Prozent-Marke 2030 wieder erreichen und 2040 bei 21,4 Prozent liegen. Das steht nicht im Gesetz, sondern ist eine Prognose vor allem aufgrund der angenommenen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt.
Pläne jenseits der gesetzlichen Rente
Weil die Sicherung des Lebensstandards für viele alleine durch die gesetzliche Rente nicht reicht, sollen Betriebsrenten weiter verbreitet werden – bei kleineren Unternehmen und für Beschäftigte mit geringen Einkommen. Darauf zielt der zweite Teil des beschlossenen Rentenpakets unter anderem durch konsequente Entbürokratisierung ab. Rund 18 Millionen Beschäftigte haben heute eine solche Anwartschaft – 52 Prozent der Beschäftigten.
Zum Dritten gibt es neben gesetzlich und betrieblich noch privat: Massiv gestärkt werden sollen die heutigen Riester-Renten – mit einem komplett neuen, besseren Modell, einem „neuen Vorsorgeprodukt“, wie es bereits im Koalitionsvertrag heißt. Mehr Geringverdienende als heute sollen sich so absichern können – mit einfacherer staatlicher Förderung. Dieses Vorhaben soll aber erst 2026 angepackt werden – hier spielt die angekündigte Rentenkommission eine Rolle.
Mütterrente und Aktivrente
Bereits mit dem umstrittenen Haltelinien-Gesetz beschlossen wurde dagegen die von der CSU vorangetriebene Ausweitung der Mütterrente. Die Zeit der Kindererziehung, die für die Rente anrechnungsfähig ist, soll für vor 1992 geborene Kinder um weitere sechs Monate auf drei Jahre verlängert werden. Nun auch mit grünem Licht durch den Bundestag ausgestattet soll ab 1. Januar zudem Weiterarbeiten über das reguläre Rentenalter hinaus attraktiver werden. Wer nach Erreichen des Rentenalters weiterarbeitet, soll ab kommendem Jahr bis zu 2000 Euro im Monat steuerfrei verdienen können. Außerdem wird Personen nach Erreichen des Rentenalters eine Rückkehr zu ihrem bisherigen Arbeitgeber in Teilzeit erleichtert.
Auch eine Frühstartrente soll kommen
Für nach den aktuellen Gesetzen ist die Frühstartrente angekündigt. Jedes Kind, das eine Bildungseinrichtung besucht, soll vom 6. bis zum 18. Lebensjahr monatlich zehn Euro bekommen. Ein Gesetzgebungsverfahren steht noch aus. Ab 18 soll das Geld bis zur Rente privat weiter günstig bespart werden können.
Rentenpolitische Zukunft
Voraussichtlich in knapp zwei Wochen soll dann noch die Rentenkommission eingesetzt werden. Die Wissenschaft soll ebenso vertreten sein wie Politikerinnen und Politiker – auch explizit die junge Generation, haben die Koalitionsspitzen versprochen. Bis Mitte 2026 sollen Vorschläge vorliegen – die dann rasch in ein Gesetzgebungsverfahren münden sollen. In der Kommission sollen auch Punkte besprochen werden, die für Union oder SPD Stand heute jeweils Tabus sind: eine weitere Verlängerung der Lebensarbeitszeit über 67 hinaus für gesetzlich Versicherte und die Einbeziehung weiterer Gruppen in die gesetzliche Rente, also eventuell von Beamtinnen und Beamten. Ansonsten soll die Kommissionsarbeit auf kosten- und rentendämpfende Faktoren in der Rentenformel abzielen. (dpa)

