Das Thema Migration war Top-Wahlkampfthema, nun legt der designierte Innenminister Alexander Dobrindt nach und kündigt schnelle Änderungen an. Doch die Maßnahmen, darunter schärfere Grenzkontrollen, stoßen auf auch auf Kritik, etwa aus Polen.
Rundschau-Debatte des TagesStoppen schärfere Kontrollen die illegale Migration?

Die Bundespolizei kontrolliert an der deutsch-polnischen Grenze. (Archivfoto)
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Der zukünftige Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat rasche Maßnahmen gegen irreguläre Migration angekündigt. „Es wird sofort Entscheidungen geben“, sagte Dobrindt der Süddeutschen Zeitung und fügte an: „An meiner Entschlossenheit gibt es keinen Zweifel.“ Es würden „keine Grenzen geschlossen, aber sie werden stärker kontrolliert“. Der frühere Bundesverkehrsminister und CSU-Generalsekretär sagte zudem, er sei bereits vor seiner Amtsübernahme aktiv geworden, um nach seiner Ernennung rasch aktiv zu werden. „Unser Ziel ist es, auch europäisch mehr zu erreichen. Ich führe dazu bereits Gespräche mit europäischen Partnern“, sagte Dobrindt der „SZ“.
Was plant Dobrindt für Änderungen im Asylsystem?
Insbesondere äußerte Dobrindt den Willen, das europäische Asylsystem über das bereits beschlossene Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) hinaus zu reformieren. „GEAS geht in die richtige Richtung, ist aber zu langsam“, sagte Dobrindt. „Wir wollen zusätzlich etwas erreichen.“ Die „starke Polarisierung“ in Deutschland lasse sich nur verringern, wenn es der neuen Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) gelinge, „die illegale Migration in den Griff (zu) kriegen“. Hierfür seien die Voraussetzungen besser als bei der bislang letzten schwarz-roten Koalition von 2018 bis 2021 unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).„Der Unterschied zur letzten Groko ist: Es gibt dafür mehr Unterstützung aus dem Kanzleramt“, sagte Dobrindt. Für die Umsetzung der verschärften Migrationspolitik wird auch in der neuen Regierung das Bundesinnenministerium zuständig sein, dessen Leitung mit dem Regierungswechsel kommende Woche von der SPD zur CSU übergeht.
Was planen die künftigen Unionsminister an den Grenzen?
Auch der künftige Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) hatte sich schon zu dem Thema geäußert und verschärfte Kontrollen an den deutschen Außengrenzen angekündigt. Die neue Bundesregierung werde „vom ersten Tag an die Personenkontrollen an den deutschen Grenzen ausweiten und intensivieren“, hatte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe gesagt. Um die illegale Migration effektiv und schnell begrenzen zu können, seien auch Zurückweisungen an der Grenze geplant. „Jeder, der illegal nach Deutschland einzureisen versucht, muss vom 6. Mai an damit rechnen, dass an der deutschen Grenze Schluss ist“, sagte Frei weiter mit Blick auf das Datum, an dem der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU) vereidigt werden soll. „Niemand kann im Land seines Wunsches Asyl beantragen“, fügte Frei hinzu. „Das muss nach europäischem Recht dort passieren, wo jemand die Europäische Union erstmals betritt. Das ist so gut wie nie Deutschland.“
Gibt es schon Abstimmungen mit den Nachbarstaaten?
Die künftige Bundesregierung stimme sich dazu bereits mit Nachbarstaaten wie Frankreich, Österreich und Polen ab, hatte Frei gesagt. Der geplante deutsche Kurswechsel bekomme „sehr viel Zustimmung“, so der designierte Kanzleramtschef.
Finden bereits jetzt Zurückweisungen an den Grenzen statt?
Der Sprecher der scheidenden Ministerin Nancy Faeser (SPD) wies Mitte der Woche darauf hin, dass Zurückweisungen an den Grenzen bereits „in großem Umfang“ stattfänden. Seit Einführung der Grenzkontrollen vor anderthalb Jahren habe es 53.000 Zurückweisungen gegeben, sagte der Sprecher. „Wer keine Papiere hat, wird bei diesen Grenzkontrollen zurückgewiesen“ – dies sei schon jetzt die Praxis. Sicherlich sei eine Ausweitung möglich, dafür müssten aber mehr Bundespolizisten eingesetzt werden. „Die fehlen dann aber woanders“, sagte der Sprecher. Der Sprecher wies darauf hin, dass die Zahlen bei der irregulären Migration um mehr als die Hälfte zurückgegangen seien. „Man kann sagen, die Asylzahlen nach Deutschland sind halbiert.“
Was haben Union und SPD zu dem Thema im Koalitionsvertrag vereinbart?
Union und SPD haben die Fortsetzung der Kontrollen an allen deutschen Grenzen und die Zurückweisung von Asylsuchenden in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart – „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“. Für die SPD bedingt dies das Einverständnis der betroffenen Länder, Unionsvertreter hatten bisher eine Einwilligung nicht für notwendig gehalten. Innerhalb der SPD gibt es weiterhin Widerstand gegen die geplante Verschärfung des Kurses. Einige Punkte wie etwa die Zurückweisung an den Grenzen sei rechtswidrig, sagte beispielsweise Aziz Bozkurt, der Bundesvorsitzende der SPD-internen Arbeitsgemeinschaft Migration und Vielfalt, dem Sender RBB. Die wirklichen sozialen Probleme würden nicht gelöst, kritisierte der Berliner SPD-Politiker.
Wie reagiert das Nachbarland Polen auf Dobrindts Ankündigungen?
Der polnische Geschäftsträger in Deutschland hat die künftige Bundesregierung vor geplanten verschärften Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze gewarnt. Bereits die derzeitigen Kontrollen seien „ein Problem für den täglichen Grenzverkehr und das Funktionieren des EU-Binnenmarktes“, sagte der polnische Spitzendiplomat Jan Tombinski dem Magazin „Politico“. „Wir wünschen daher nicht, dass es zu einer Verschärfung der Grenzkontrollen kommt.“ Die Regierung in Warschau stehe „natürlich zu unserer Verpflichtung, die europäische Außengrenze – vor allem zu Russland und Belarus – zu schützen“, betonte Tombinski.
Zugleich erwarte seine Regierung aber, „dass die Freizügigkeit im europäischen Schengenraum erhalten bleibt“. Auf die Frage, ob Polen Zurückweisungen von Migranten akzeptieren würde, sagte Tombinski, dass Polen zu seinen „Verpflichtungen im Rahmen der EU-Gesetzgebung“, darunter auch der neuen GEAS-Asylpolitik, stehe. (afp/dpa)