Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Poker im KanzleramtIst das angestrebte Aus für Verbrenner verfrüht?

5 min
Die EU-Staaten werden am kommenden Dienstag nicht wie ursprünglich geplant eine endgültige Entscheidung über das pauschale Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 treffen.

Die EU-Staaten werden am kommenden Dienstag nicht wie ursprünglich geplant eine endgültige Entscheidung über das pauschale Verbot neuer Autos mit Verbrennungsmotor ab 2035 treffen.

Soll das Aus für neue Diesel und Benziner ab 2035 fallen? Beim Spitzentreffen entscheidet sich Deutschlands Auto-Zukunft. Die wichtigsten Fragen & Antworten

Friedrich Merz, Markus Söder und Lars Klingbeil wollen sich endlich einigen: Muss das EU-weite Verbot, ab 2035 neue Diesel und Benziner zu verkaufen, wieder weg? Oder wäre ein Festklammern an den Verbrenner eine doppelte Kapitulation: vor der E-Auto-Konkurrenz aus China und im Kampf gegen die Erderwärmung?

Beim Spitzentreffen im Kanzleramt an diesem Abend könnte die Entscheidung fallen. Wie sie vermutlich aussehen wird, und was davon zu halten ist: Die wichtigsten Fragen & Antworten:

Gibt es wirklich ein „Verbrennerverbot“ in der EU?

Nach aktueller EU-Gesetzgebung dürfen ab 1. Januar 2035 – in nicht mal zehn Jahren – keine neuen Autos mehr verkauft werden, die CO2 ausstoßen. Bereits zugelassene Diesel und Benziner darf man aber weiterfahren!

Die Ampel hatte auf Druck der FDP ein Schlupfloch für Verbrenner geschaffen, die nur mit CO2-freiem Kraftstoff betankt werden können. Solche Autos gibt es aber ebenso wenig wie E-Fuels in nennenswerter Menge und zu erschwinglichen Kosten. Weiter erlaubt bleiben auch Autos mit Wasserstoff-Brennstoffzelle. Allerdings ist auch hier fraglich, ob jemals genug bezahlbarer Wasserstoff zum Tanken verfügbar sein wird.

Will Markus Söder das Aus für Diesel und Benziner wieder komplett abräumen?

Tja, so hat es die Union im Wahlkampf versprochen, und das will Söder einlösen, auch weil ihm die AfD mit einer Kampagne gegen das Verbrennerverbot im Nacken sitzt. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gehört zu den entschiedenen Gegnern des Verbotes. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD das Thema komplett ausgeklammert.

Während der Verhandlungen galt allerdings auch Volkswagen noch als Verfechter des Verbrenner-Aus, weil der Wolfsburger Autobauer in den zurückliegenden Jahren voll auf E-Mobilität gesetzt hatte. Inzwischen setzt sich auch VW für einen Aufschub und mehr Flexibilität ein – und wird dabei von Niedersachsens Ministerpräsident Olaf Lies (SPD) unterstützt. Das Land hält 20 Prozent der Stammaktien.

Angeführt von Söder und Kretschmer haben sich die Länderchefs tatsächlich auf die Forderung geeinigt, „hocheffiziente Verbrenner“ von dem Neuzulassungsverbot auszunehmen. Das ist insbesondere auf Diesel-Motoren gemünzt. Allerdings ist auch nach mehr als 140 Jahren mit dieser Technologie bei einem Effizienzgrad von 50 Prozent Schluss.

Was steckt hinter den Rufen nach dem Aus fürs Verbrenner-Aus?

Die Angst um Jobs und das Überleben von Deutschlands Autobauern. Das Münchner ifo-Institut schätzt, allein in Deutschland hingen bis zu 620.000 Arbeitsplätze am Verbrenner, da sind auch die Beschäftigten an Tankstellen und Raffinerien mit eingerechnet. Das könnte durch neue Stellen, etwa in der Batterieproduktion, nicht ausgeglichen werden.

Ein zweiter Punkt: Die Autobauer verdienen mit ihren Diesel und Benzinern noch viel mehr Geld als mit Batteriefahrzeugen. Die Gewinnmargen bei Verbrennern sind gerade bei teuren Autos noch immer sehr hoch. Und da im Rest der Welt auf absehbare Zeit keine Verbrennerverbote zu erwarten sind, möchte man sich das Geschäft nicht kaputtmachen lassen.

Und was spricht für das Verbrennerverbot?

Neben der Begrenzung der Erderwärmung sieht Klimaökonom Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung die globale Marktentwicklung als entscheidenden Grund: „Die chinesische E-Auto-Strategie war keine Strategie der Grünen. Dahinter steckt das Ziel, den Markt für saubere Technologien zu erobern und den Europäern die Marktanteile streitig zu machen durch die Massenproduktion von Green-Tech-Produkten.“

Soll heißen: Die Autoindustrie brauche politischen Druck und verlässliche Rahmenbedingungen, um den Rückstand gegenüber China wettzumachen. „Es gilt jetzt vor allem jene Teile der Industrie zu stärken, die Produkte des 21. Jahrhunderts herstellen. Verbrennungsmotoren werden nach meiner Überzeugung nicht mehr lange dazugehören“, sagte Edenhofer.

Ist ein Kompromiss zwischen Klimaschutz und der Rettung von Jobs möglich?

Die Lage ist, gelinde gesagt, kompliziert. Sollten E-Autos jemals billiger als UND mindestens so praktisch wie Verbrenner werden, würden diese zu Nischenprodukten, so erging es der Pferdekutsche. Aber wer sich mit einem erschwinglichen Batterie-Fahrzeug auf die Autobahn traut, weiß: Da sind wir noch nicht!

Ein Kompromiss, der beim Koalitionsausschuss am Donnerstagabend herauskommen könnte: Die EU hält grundsätzlich am Zulassungsverbot neuer Verbrennermotoren fest. Aber der Verkauf von Hybrid-Antrieben, zu denen auch die in China und den USA extrem populären Range Extender mit kleinem Sprit-Motor zur Stromerzeugung zählen, bleibt noch einige Jahre erlaubt.

Diskutiert wird ebenfalls, ob man VW & Co. bei reinen Verbrennern mehr Zeit geben könnte – im Gegenzug für Job- und Standort-Garantieren.

Und was wäre am besten für VW, BMW, Mercedes UND das Klima?

Das darf Clemens Fuest beantworten. „Das Verbot der Neuzulassung von Verbrennern ab 2035 ist kein überzeugendes Instrument für den Klimaschutz. Es wird nur dazu führen, dass Autos mit alten Verbrennungsmotoren länger gefahren und nicht ausgetauscht werden“, sagt der Präsident des Münchner ifo-Instituts. „Man kann das als Havanna-Effekt bezeichnen. Diese länger benutzten alten Fahrzeuge schädigen das Klima mehr als neue, sparsame Verbrenner.“

Fuests Vorschlag: „Die EU sollte das Verbrennerverbot abschaffen und den Autoverkehr voll in das europäische System des CO2-Emissionshandels integrieren.“ Das würde natürlich den Sprit viel teurer machen, und genau das wäre die Absicht. Denn „dass sorgt für Anreize, vor allem ältere Verbrenner mit hohem Benzinverbrauch zu ersetzen“, sagt der Professor. Insgesamt würden zuerst dort CO2-Emissionen abgebaut, wo es die geringsten Kosten verursacht.

Schon möglich, aber wäre die Politik echt bereit, die absehbaren Massenproteste gegen hohe Benzinpreise auszuhalten? Dazu sagt Fuest: „Verbote und Regulierungen wie das Verbrennerverbot haben ja ähnliche Akzeptanzprobleme, wie man derzeit sieht.“ Anders formuliert: Ohne Weitsicht und Standfestigkeit kommen Merz und Klingbeil aus der Sache nicht raus.