Nach dem Treffen der Nato-Mitgliedsstaaten rühmen sich die Staats- und Regierungschefs für die erfolgreiche Vereinbarung der Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben. Doch der Gipfel war vor allem auf Trump zugeschnitten – das gefiel nicht allen.
Rundschau-Debatte des TagesWar der Nato-Gipfel wirklich ein voller Erfolg für alle Seiten?

US-Präsident Donald Trump kommt zu einer Pressekonferenz auf dem NATO-Gipfel.
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Kurz ist es an Friedrich Merz, in dieser großen Donald-Trump-Show die Bespaßung des US-Präsidenten zu übernehmen. Als die 32 Nato-Staats- und Regierungschefs am Mittwochmittag vom Fototermin zum Sitzungssaal schlendern, gehen der deutsche Bundeskanzler und der US-Präsident die Strecke gemeinsam, plaudern rund 15 Minuten miteinander. Ansonsten war es der Job von Generalsekretär Mark Rutte, den unberechenbaren Gast bei Laune zu halten und damit diesen Nato-Gipfel ohne Eklat oder Ausreißer über die Bühne zu bringen.
Worum ging es bei dem Treffen der Staats- und Regierungschefs?
Die Existenz des transatlantischen Verteidigungsbündnisses stand auf dem Spiel. Und Rutte lieferte. Am Ende sprach ein zahmer Trump von einem „sehr, sehr erfolgreichen“ Gipfel. Dafür schnitt der Niederländer das Spitzentreffen nicht nur vollständig auf den Präsidenten und Oberbefehlshaber des mit Abstand wichtigsten Nato-Landes zu, indem er die Arbeitssitzung auf zweieinhalb Stunden herunterstutzte, die Agenda auf ein Thema zusammenkürzte und den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj von einem einstigen Ehren- zu einem Zaungast machte. Rutte bauchpinselte und schmeichelte und lobte Trump auch bei jeder Gelegenheit auf eine Weise, die ein Diplomat „strategisches Anbiedern“ nannte, ein anderer sprach von „peinlicher Selbsterniedrigung“. Doch Ruttes Kuschelkurs zahlte sich aus. Die Verbündeten gaben wie in seinem Drehbuch vorgesehen, ein Bild der Harmonie, Einigkeit und Stärke ab. „Es soll niemand wagen, die Nato anzugreifen und zwar an keiner Stelle“, sagte Merz. Das Signal, das von diesem Mittwoch ausging: Die Nato steht zusammen. Die Nato funktioniert. Und vor allem: Die Vereinigten Staaten sind an Bord.

Den Haag: Giorgia Meloni (l-r), Ministerpräsidentin von Italien, Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine, Mark Rutte, Generalsekretär der Nato, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen, und Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)
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Wie steht es um Trumps Haltung zur Beistandserklärung?
Während am Dienstag Trumps kryptische Bemerkungen zur Beistandserklärung nach Artikel 5 noch Fragen aufgeworfen hatten, räumte der US-Präsident die Sorge der Europäer am Mittwoch ab. „Wir stehen voll und ganz hinter ihnen“, sagte er angesprochen auf die Beistandsgarantie. Es ist jener Musketier-Grundsatz der Nato, nach dem „ein Angriff auf einen ein Angriff auf alle ist“, wie die Alliierten in der gemeinsamen Abschlusserklärung bekräftigten. Mit der Betonung auf das „unumstößliche Bekenntnis zur kollektiven Verteidigung“ wollten sie zum einen ein Signal an Moskau senden, zum anderen nach außen wie auch nach innen Stärke demonstrieren, nachdem Trump immer wieder Zweifel an der Bündnistreue geäußert und die Europäer als Schmarotzer verschmäht hatte. Nun klang er deutlich versöhnlicher. Die USA hätten eine großartige Beziehung zu allen hier, sagte der Amerikaner in seinem Statement an die Alliierten – ein klares Bekenntnis zur Nato.
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Den Haag: US-Präsident Donald Trump gestikuliert
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Was genau wurde in Bezug auf die Verteidigungsausgaben beschlossen?
Der Gipfel im Schnelldurchlauf, er war zumindest für den Moment ein Erfolg. Kaum ein Politiker-Statement kam ohne den Zusatz „historisch“ aus. Und ausnahmsweise traf die abgenutzte Bezeichnung für diesen Gipfel zu. Denn die Verbündeten beschlossen die größte Aufrüstung seit dem Ende des Kalten Krieges. Bis 2035 wollen sie ihre Verteidigungsausgaben von derzeit zwei auf satte fünf Prozent der Wirtschaftsleistung erhöhen. Die Forderung hatte im Januar Trump formuliert. Da winkten die Europäer noch naserümpfend ab. Der Widerstand ließ erst nach, als sie erkennen mussten, dass die gigantische Erhöhung der Preis dafür war, den US-Präsidenten bei der Stange zu halten. Rutte sorgte mit einem Rechentrick und geschickten Verhandlungen mit Washington für einen Kompromiss.
So sieht die jetzige Einigung vor, in spätestens zehn Jahren mindestens 3,5 Prozent des jeweiligen jährlichen Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben aufzuwenden und 1,5 Prozent für verteidigungsrelevante Infrastruktur. Das ergibt zusammen genommen auch fünf Prozent, aber für den zweiten Topf dürfen sicherheitsnahe Bereiche angerechnet werden wie etwa die Terrorismusbekämpfung oder Cyberabwehr.
„Zu lange hat ein Verbündeter, die Vereinigten Staaten, zu viel von der Last dieser Verpflichtung getragen“, sagte Rutte. „Und das ändert sich heute.“ Der Niederländer dankte Trump, „ein Mann der Stärke und des Friedens“, diesen Wandel möglich gemacht zu haben. Trump saß neben ihm und nickte zufrieden. Rutte klang in diesen Tagen wie sein persönlicher Cheerleader. Bereits am Dienstag veröffentlichte Trump eine private Nachricht, in der Rutte den Republikaner mit Lobhudeleien überhäufte. „Du wirst etwas erreichen, was kein amerikanischer Präsident seit Jahrzehnten geschafft hat“, schrieb er da.
Wie bewertet Bundeskanzler Friedrich Merz die Ergebnisse des Gipfels?
Merz schlug einen anderen Ton an. Man unternehme diese Anstrengungen in Sachen Verteidigung nicht, „um irgendjemandem einen Gefallen zu tun, sondern weil es in unserem eigenen Interesse liegt“, sagte der Kanzler in Den Haag. Das hätten alle Mitglieder verstanden. Der CDU-Mann präsentierte sich selbstbewusst bei seinem ersten Auftritt bei einem Nato-Spitzentreffen. Man habe mit der Entscheidung, die im deutschen Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auszusetzen, „auch eine gewisse Führungsrolle übernommen, der andere gefolgt sind“. Ohne diesen Beschluss des zweitgrößten Beitragszahlers Deutschland wäre der Gipfel anders ausgegangen.
Die Frage blieb trotzdem, ob wirklich alle Mitgliedstaaten bereit sind, die vereinbarten neuen Fähigkeitsziele zu erfüllen. Die Bruchlinien dürften bald wieder für Streit sorgen, vorneweg Spanien etwa verweigerte die Erhöhung.