Die Wehrpflicht bleibt freiwillig – vorerst. Doch die Debatte um Gleichberechtigung beim Wehrdienst ist nicht vom Tisch. Während junge Männer ab Geburtsjahrgang 2008 zur Musterung müssen, bleiben Frauen außen vor.
Rundschau-DebatteSollte der Wehrdienst auch für Frauen gelten?

Angetretene Rekruten der Bundeswehr zum feierlichen Gelöbins auf der Grasrennbahn in Zweibrücken.
Copyright: IMAGO/Björn Trotzki
Die Koalition ist sich einig, der Wehrdienst bleibt freiwillig. Für Männer und Frauen. Eine Reaktivierung der Wehrpflicht ist damit vorerst vom Tisch. Aber, so klingt es aus den Kreisen von Sicherheitspolitikern: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.
Ob irgendwann doch noch eine Wehrpflicht kommen wird, ist offen. Was klar ist: Sie würde weiterhin nur die Männer betreffen. So wie die verpflichtende Musterung im neuen Wehrdienstgesetz ebenfalls reine Männersache ist. Alle jungen Männer ab dem Geburtsjahr 2008 müssen sich zumindest durchchecken lassen, ob sie wollen oder nicht. Für Frauen bleibt alles, was mit der Bundeswehr zu tun hat, freiwillig.
Ob das noch zeitgemäß oder gerecht ist, daran scheiden sich die Geister. Aber vor allem ist es aktuell gar nicht zu ändern. Denn das Grundgesetz sieht für den verpflichtenden Dienst in Streitkräften oder im Zivilschutz nur Männer vor. Würde eine Bundesregierung das ändern wollen, bräuchte sie eine Zweidrittelmehrheit. Die hat die Koalition aus Union und SPD nicht mal dann, wenn sie die Grünen für ihre Sache gewinnen würde. Es bräuchte die sogenannten Ränder: Linkspartei oder AfD. Es sind gleichermaßen jene Parteien, die bei der Bundestagswahl bei jungen Wählern den höchsten Zuspruch hatten.
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Und was halten diese Parteien von einem Wehrdienst auch für Frauen? Linken-Chef Jan van Aken erteilt dieser Idee eine deutliche Absage: „Wir sind gegen jede Form von Zwangsdienst, egal wen es betreffen soll. Eine schlechte Sache wird ja nicht besser, nur weil sie alle Menschen betrifft“, sagte er unserer Redaktion.
Und die Gleichberechtigung? Sollten Männer und Frauen nicht die gleichen Rechte und die gleichen Pflichten haben? Van Aken dazu: „Gleichberechtigung entscheidet sich nicht daran, ob auch Frauen in den Krieg ziehen dürfen. Eine echte Gleichberechtigung wäre es, wenn niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen wird.“ Wird allerdings auch niemand. Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ist grundgesetzlich verbrieft. Zum Dienst an der Waffe darf niemand gezwungen werden.
Gesellschaftsjahr als Alternative?
Wenn Van Aken sich so vehement gegen eine Wehrpflicht für Frauen ausspricht, ist das nicht nur eine ur-linke Position, sondern auch eine Botschaft an die eigenen Wähler. Laut der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hat jede dritte Frau zwischen 18 und 24 Jahren bei der vergangenen Bundestagswahl die Linkspartei gewählt. „Ich habe von vielen Problemen beim Thema Gleichberechtigung in Deutschland gehört. Fehlende Zwangsdienste und Wehrpflicht für Frauen sind keine davon“, so van Aken weiter.
Der nötigen Grundgesetzänderung würde auch die AfD nicht zustimmen. Der verteidigungspolitische Sprecher Rüdiger Lucassen konnte sich seinen Spott in einer Bundestagsdebatte zur Wehrpflicht jedoch nicht verkneifen: „Geht es nämlich ans Eingemachte, ans Kämpfen, ans Töten, ans Beineverlieren, ans Sterben, dann verlässt sich die SPD auf die Naturgesetze, dann fällt die Gleichberechtigung, und alle ihre weiblichen Abgeordneten nehmen es dankend und schweigend hin.“
Die politische Chancenlosigkeit, verpflichtende Elemente für Frauen beim Wehrdienst zu integrieren, vermeidet zumindest an dieser Stelle Streit zwischen den Regierungsparteien. Union und SPD haben das Thema von Beginn an ausgespart.
Doch ganz vom Tisch ist die Frage nach Pflichten für Frauen nicht. So wird in der AfD-Bundestagsfraktion über ein alternatives Modell nachgedacht, wie unsere Redaktion aus Parteikreisen erfuhr: einen einjährigen „Gemeinschaftsdienst“ – etwa in der Pflege, bei der Feuerwehr oder im Technischen Hilfswerk. Er soll für Frauen und Männer gelten und, anders als die Wehrpflicht, auch für Ausländer.
Ganz neu ist die Idee nicht: Schon im Bundestagswahlprogramm 2021 hatte die Partei einen Gemeinschaftsdienst gefordert, vor der letzten Wahl im Februar verschwand der Vorschlag jedoch wieder. Auch andere Parteien denken regelmäßig laut über ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr nach, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gilt als Befürworter der Idee. Doch auch dafür müsste das Grundgesetz wohl geändert werden.
Aktuell verbietet das Arbeitszwang-Verbot im Grundgesetz ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Wollen Union und SPD daran etwas ändern, bräuchten sie ebenfalls die Linke oder die AfD. Zumindest Letztere könnte, gemessen an den eigenen Plänen, tatsächlich Bereitschaft signalisieren.

