Rundschau-Debatte des TagesWorum geht es bei der EU-Militäroperation im Nahen Osten?

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ARCHIV - 08.02.2024, Niedersachsen, Wilhelmshaven: Die Fregatte «Hessen» läuft aus dem Hafen aus.

Wilhelmshaven: Die Fregatte „Hessen“ läuft aus dem Hafen aus.

„Der ernsthafteste Einsatz einer deutschen Marineeinheit seit vielen Jahrzehnten“: Mit diesen Worten beschreibt der deutsche Vizeadmiral Kaack die EU-Militäroperation „Aspides“. Nun geht es los.

Die Außenminister der EU-Staaten haben bei einem Treffen in Brüssel den Start des neuen gemeinsamen Militäreinsatzes zur Sicherung der Handelsschifffahrt im Nahen Osten beschlossen. Die Operation „Aspides“ gilt im Vergleich zu anderen aktuellen Einsätzen allerdings als besonders gefährlich.

Worum geht es bei dem Einsatz?

Vorrangiges Ziel ist der Schutz vor Angriffen der militant-islamistischen Huthi aus dem Jemen. Die vom Iran unterstützte Miliz beschießt regelmäßig internationale Handelsschiffe im Roten Meer mit Raketen – seit Beginn des Krieges zwischen Israel und der Palästinenserorganisation Hamas im vergangenen Oktober. Die Huthi wollen so ein Ende der israelischen Angriffe im Gazastreifen erzwingen, die auf das Massaker der Hamas in Israel folgten.

„Es ist die erste EU-Marineoperation, die in ihrem Exekutivmandat einen Waffeneinsatz vorsieht, zum Schutz der Handelsschifffahrt“, sagte der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, Robert Brieger. Der frühere österreichische Generalstabschef betonte: „Bei der Mission geht es um handfeste Interessen der Europäischen Union.“

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Können die Schiffe nicht einfach einen anderen Weg fahren?

Theoretisch schon. Die Route an der Küste des Jemen vorbei ist allerdings die mit Abstand kürzeste, wenn es um den Schiffstransport von Gütern zwischen Asien und Europa geht. Sie führt aus dem Golf von Aden über die Meerenge von Bab al-Mandab ins Rote Meer und dann durch den Suezkanal ins Mittelmeer. Die Alternativroute um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika herum ist um mehrere Tausend Kilometer länger – höhere Transportkosten und Lieferverzögerungen sind die Folge.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Montag in Brüssel: „Wir haben gesehen, dass mit Blick auf die Angriffe der Huthis auf die zivile Seefahrt die ganze Weltwirtschaft getroffen wird.“ Es seien nicht nur europäische Schiffe, die im Roten Meer immer wieder von Huthi-Raketen gefährdet würden, sondern es betreffe zum Beispiel auch die Golfstaaten, deren Häfen nicht mehr angefahren werden könnten.

Haben Verbraucher in Europa das schon zu spüren bekommen?

Experten der EU-Kommission haben bislang noch keinen signifikanten Einfluss auf die Preise für Waren und Energie in Europa beobachtet. Dies könnte sich aber bald ändern, wenn Frachtschiffe weiter die Route durch das Rote Meer meiden. Unternehmen in Europa mussten wegen Lieferengpässen schon ihre Produktion drosseln – etwa der US-Elektroautobauer Tesla in seinem Werk in Grünheide bei Berlin.

Wie will die EU die Handelsschiffe schützen?

Kern des Einsatzes wird die Präsenz von mindestens vier europäischen Kriegsschiffen insbesondere im südlichen Roten Meer und in der Meerenge von Bab al-Mandab sein. Sie sollen Handelsschiffen sicheres Geleit geben und im Ernstfall Angriffe abwehren. Zudem will die EU nach Brüsseler Angaben Begleitflugzeuge wie Hubschrauber und Drohnen entsenden, auch um Seeaufklärung zu betreiben.

Wird es auch Angriffe auf Ziele der Huthi im Jemen geben?

Nein. Das Mandat ist rein defensiv ausgerichtet und setzt Waffeneinsätzen enge Grenzen. Schutzmaßnahmen müssen „unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts, einschließlich der Grundsätze der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit“ erfolgen. Die USA und Großbritannien greifen die Huthi-Rebellen im Rahmen einer US-geführten internationalen Koalition dagegen seit Wochen aus der Luft an, auch im Jemen.

Wie beteiligt sich Deutschland?

Deutschland schickt die 143 Meter lange Fregatte „Hessen“ in den bewaffneten Einsatz. Das Schiff, das schon am 8. Februar in Wilhelmshaven ausgelaufen ist, ist mit Flugabwehrraketen ausgerüstet und wurde speziell für den Geleitschutz und die Seeraumkontrolle konzipiert. An Bord sind rund 240 Soldaten. Mit seinem speziellen Radar kann es nach Angaben der Bundeswehr einen Luftraum von der Größe der gesamten Nordsee überwachen. Die Waffensysteme sind in der Lage, Ziele auf eine Entfernung von bis zu 160 Kilometern zu bekämpfen. Zudem will Deutschland Stabspersonal für das Hauptquartier der Operation im griechischen Larisa sowie Hubschrauber bereitstellen.

Die Bundesregierung hatte das „Aspides“-Mandat bereits am vorigen Freitag gebilligt. Es sieht eine Personalobergrenze von 700 Soldatinnen und Soldaten vor und ist vorerst bis Ende Februar 2025 befristet. Es bedarf allerdings noch der Zustimmung des Bundestags, die für diesen Freitag vorgesehen ist.

Wie gefährlich ist der Einsatz für die Soldaten?

Da die Huthi in der Vergangenheit auch nicht vor Angriffen auf Kriegsschiffe zurückgeschreckt sind, gilt die Operation „Aspides“ als vergleichsweise risikoreich. Marine-Inspekteur Jan Christian Kaack sagte zum Auslaufen der Fregatte „Hessen“: „Das ist der ernsthafteste Einsatz einer deutschen Marineeinheit seit vielen Jahrzehnten.“ Er nannte als mögliche Bedrohungen Angriffe der Huthi-Miliz mit Raketen, Drohnen und ferngesteuerten „Kamikaze-Booten“. Gleichzeitig werden die Risiken für kontrollierbar gehalten. „Es gibt keine Einheit in der deutschen Marine, die besser vorbereitet, besser ausgebildet und besser dafür ausgestattet ist“, sagt Kaack.

Welche EU-Staaten beteiligen sich außerdem mit Kriegsschiffen?

Öffentlich bekannt sind bislang Zusagen von fünf Regierungen. Belgien, Frankreich, Griechenland und Dänemark wollen wie Deutschland eine Fregatte in den Einsatz schicken, Italien einen Lenkwaffenzerstörer. (dpa/mit afp)

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