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Kommentar

Pistorius Umgang
Deutscher Streit um Wehrdienst dürfte nur Putin freuen

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Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr

Verteidigungsminister Pistorius verspielt die Chance, Deutschlands Streitkräfte angesichts russischer Bedrohung maßgeblich zu stärken.

Das Thema ist zu wichtig, um es im Koalitionsstreit zu zerreden und auf die lange Bank zu schieben. Wenn Deutschland die neue Bedrohungslage durch Russland ernst nimmt, und das sollte es, braucht es einen verlässlichen personellen Aufwuchs seiner Streitkräfte. Von der Zielmarke von 260.000 Soldaten und mindestens 200.000 Reservisten ist man noch weit entfernt. Heute sind es 183.000 aktive Soldaten.

Die Skepsis der Unionsfraktion, ob allein das geplante Anschreiben der potenziell Wehrdienstfähigen die Lücke zeitnah schließen kann, ist da berechtigt. Für eine sofortige Wehrpflicht für alle gibt es aber weder die politischen Mehrheiten noch die notwendige Infrastruktur. Aber der Unionsvorschlag, künftige Rekruten per Losverfahren aus den Wehrdienstfähigen auszuwählen, erscheint unter Gerechtigkeitsaspekten auch nicht seriös.

Das Losverfahren erscheint nicht als gerecht

Kein gutes Bild gibt in diesem Fall Verteidigungsminister Boris Pistorius selbst ab, weil er es bei diesem vielleicht wichtigsten Projekt seiner Amtszeit zum Koalitionsstreit kommen lässt, statt die Dinge selbst frühzeitig hinter den Kulissen durchzusetzen. Er ist der beliebteste Politiker des Landes. Wann, wenn nicht jetzt, könnte er sein Gewicht für das wichtige Anliegen in die Waagschale werfen, das Land wieder abwehrbereit zu machen? Wer, wenn nicht er, könnte auch die eigenen Parteifreunde für eine Lösung gewinnen, die die Pflicht zum Dienst vorsieht, wenn die Freiwilligkeit nicht ausreicht?

Der deutsche Streit um den Wehrdienst dürfte gerade nur Wladimir Putin erfreuen. Während in Russland die Panzer vom Fließband rollen und ein Heer von 1,3 Millionen, teils kriegserfahrenen Soldaten bereitsteht, kann man sich hierzulande offenbar nicht einmal darauf verständigen, Menschen anzuschreiben und ihnen ein Angebot zu machen. Die Debatte zeigt auch, dass die Zeitenwende vor allem in der SPD-Fraktion im Bundestag noch immer nicht so ernst genommen wird, wie es angemessen wäre.