Rundschau-Debatte des TagesIst die Cannabis-Legalisierung überfällig?

Lesezeit 5 Minuten
Eine Cannabis-Pflanze

Eine Cannabis-Pflanze

Nach langem Ringen hat die Bundesregierung ihre Pläne für legale Konsum vorgestellt. Sie weichen von den ursprünglichen Plänen ab und naturgemäß regt sich Kritik von mehreren Seiten.

Wer mit Cannabis erwischt wird, muss bisher mit Geldstrafe oder in schweren Fällen sogar mit Gefängnis rechnen. Die Bundesregierung will Besitz sowie kontrollierten Anbau und Verkauf der Droge nun zulassen. Fragen und Antworten zu den Plänen:

Was ist Cannabis? Cannabis ist eine Hanfpflanze. Sie enthält den psychoaktiven Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC). Das Rauschmittel stammt dabei aus den Blütenspitzen und Blättern oder dem Cannabisharz. Als Droge wird Cannabis fast ausschließlich geraucht, oft vermischt mit Tabak. In kleinen Dosen erzeugt Cannabis Euphorie, Angstverlust, Beruhigung und Schläfrigkeit. Todesfälle, die direkt auf Cannabis zurückgeführt werden, sind selten.

Warum will die Regierung Cannabis teilweise legalisieren?

Die Ampel-Parteien hatten sich schon in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, „die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken“ zu ermöglichen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verweist darauf, dass die Versuche, den Schwarzmarkt strafrechtlich zurückzudrängen, gescheitert seien. Dort werde Cannabis „häufig verunreinigt“ angeboten, was Gesundheitsgefahren schaffe.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Eckpunkte vorgestellt: Cem Özdemir und Karl Lauterbach. Foto: dpa

Eckpunkte vorgestellt: Cem Özdemir und Karl Lauterbach. Foto: dpa

Wie sehen die Legalisierungspläne konkret aus?

Der Besitz von 25 Gramm zum Eigenbedarf soll straffrei bleiben. Anbau und Abgabe soll vorerst über Vereine oder Cannabis-Clubs ermöglicht werden. Im Eigenanbau Zuhause sind bis zu drei Pflanzen erlaubt. In einer zweiten Stufe will die Bundesregierung in Modellregionen für fünf Jahre auch den Verkauf über lizenzierte Fachgeschäfte testen.

Wann soll die Legalisierung kommen?

„Noch in diesem Jahr“ soll laut Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) der Konsum legal werden. Der Gesetzentwurf dazu und zu den Cannabis-Clubs soll demnach im April vorgestellt werden. Nach der Sommerpause soll dann das Gesetzesvorhaben für die Modellregionen vorgestellt werden.

Wie viel Cannabis kann über die Vereine bezogen werden?

Die Vereine oder Clubs dürfen den Plänen zufolge maximal 25 Gramm Cannabis pro Tag an ihre bis zu 500 Mitglieder abgeben und 50 Gramm pro Monat. Mitglieder können nur Erwachsene werden. Sind sie unter 21 Jahre alt, bekommen sie höchstens 30 Gramm pro Monat. Bei ihnen soll es auch Begrenzungen für den Gehalt des THC-Gehalts geben. Die Cannabis-Vereine dürfen zudem Samen und Stecklinge an die Mitglieder zum Eigenanbau Zuhause weitergeben. Hier sollen maximal sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat erlaubt sein. Über einen Konsum in den Clubs wird derzeit noch gestritten. Lauterbach will das nicht. Laut Özdemir ist dies in der Koalition aber noch nicht abschließend geklärt.

Was ist der Unterschied zu den Niederlanden?

In den Niederlanden lässt sich Cannabis in Coffeeshops zwar in kleineren Mengen problemlos kaufen. Nach dem niederländischen Opiumgesetz ist Anbau, Besitz und Verkauf aber grundsätzlich illegal. Sie werden allerdings vom Staat geduldet. Lauterbach verweist darauf, dass die Drogen in den Niederlanden vor allem auch vom Schwarzmarkt kommen. In Deutschland soll das durch den legalen Anbau gerade verhindert werden.

Was wäre in den geplanten Modellregionen erlaubt?

In ihnen will die Bundesregierung den kommerziellen Verkauf testen. Für fünf Jahre soll Unternehmen dabei „die Produktion, der Vertrieb und die Abgabe“ in lizenzierten Fachgeschäften an Erwachsene ermöglicht werden. Die Modellregionen sollen sich auf bestimmte Kreise und Städte in mehreren Bundesländern erstrecken. Wo diese sein werden, steht noch nicht fest.

Bayern etwa warnt vor einem Tourismus in diese Regionen. Lauterbach will „umfängliche Schutzmaßnahmen“ ergreifen, damit es nicht dazu kommt. So soll etwa sichergestellt werden, dass in einer Modellkommune nicht mehr Cannabis produziert wird, als von den dortigen Abnehmern überhaupt konsumiert wird. Özdemir verweist darüber hinaus darauf, dass durch die überall möglichen Cannabis-Clubs auch gar keine Notwendigkeit zu Reisen in die Modellgebiete bestehe.

Müssen auf die Drogen Steuern gezahlt werden?

Bei den Vereinen und Clubs nicht; sie stellen Cannabis zum Selbstkostenpreis bereit. Im kommerziellen Verkauf aber würden die Drogen wie etwa Alkohol oder Zigaretten besteuert.

Entsprechen die Pläne den Koalitionsvereinbarungen?

Nein. Diese sind weitergehend und fordern die bundesweite Abgabe über lizenzierte Geschäfte. Dies sah ein erster Eckpunkte-Entwurf von Lauterbach aus dem Oktober auch vor. Doch die EU-Kommission hatte Bedenken. Die Bundesregierung will mit den Erfahrungen aus den Modellregionen für Gesetzesänderungen auf EU-Ebene werben. Diese sollen dann die ursprünglichen deutschen Pläne doch noch ermöglichen. Lauterbach will aber auch nicht ausschließen, dass die Ergebnisse der Modellprojekte letztlich dagegen sprechen und dies scheitert. Die Prüfung sei „ergebnisoffen“ angelegt. (afp)


Reaktionen aus NRW

Teils harsche Kritik an den Plänen wurde in NRW laut. Von „Realsatire“ sprach Michael Mertens, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Glaubt jemand ernsthaft, dass kontrolliert wird, ob jemand drei Hanf-Zimmerpflanzen hat?“, sagte Mertens unserer Redaktion. Zunächst müssten wichtige Begleitfragen geklärt werden. „Zum Beispiel die nach der Fahrtüchtigkeit. Wann ist ein Mensch, der Cannabis konsumiert hat, noch fahrtüchtig und wann nicht mehr? Das ist elementar wichtig für die Verkehrssicherheit.“ Auch an Arbeitsplätzen könne eine Cannabis-Legalisierung zu Problemen führen, so Mertens.

Der Chef des Apothekerverbandes Nordrhein, Thomas Preis, kritisierte: „Es ist absurd, dass wir gegen Lieferprobleme bei Medikamenten für Kinder, Blutdruck-Patienten, Krebskranken und Diabetikern kämpfen müssen und jetzt viel politische Energie verwenden, um Drogen salonfähig zu machen“. Die Cannabis-Legalisierung sei medizinisch und pharmazeutisch „nicht vertretbar“. Eine andere Meinung vertritt die rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Dagmar Hanses, sieht dies anders. „Wir begrüßen die Eckpunkte zur Entkriminalisierung von Cannabis.

Unser Ziel ist es, den Jugend- und Gesundheitsschutz zu stärken sowie den Schwarzmarkt einzudämmen. Die Eckpunkte sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg„, sagte sie. Mit der kontrollierten Abgabe an Erwachsene würden auch die Strafverfolgungsbehörden in NRW entlastet. Die bayerische Staatsregierung will die teilweise Legalisierung von Cannabis im Freistaat möglichst verhindern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte das Vorhaben auf Twitter einen „Irrweg“. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte: „Die Ampelkoalition versucht jetzt krampfhaft, mit juristischen Winkelzügen Schlupflöcher für ihr ideologisches Legalisierungsprojekt zu finden.“ Gesundheitsrisiken würden verharmlost. (mit dpa) (dpa/mk)

Rundschau abonnieren