Henns GeschmacksacheWie viel vom alten Moissonnier im neuen „Le Moissonnier Bistro“ steckt

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Inhaber Liliane Moissonnier und Vincent Moissonnier.

Liliane Moissonnier und Vincent Moissonnier im neuen „Le Moissonnier Bistro“.

Ein ganz einfaches Bistro? Was aus Kölns legendärem Gourmet-Restaurant geworden ist. Restaurantkritiker Carsten Henn war dort.

Als das Kölner Zwei-Sterne-Restaurant „Le Moissonnier“ im Frühjahr verkündete, die Pforten zu schließen, flossen viele Tränen. Jetzt zeigt sich: sie waren unnötig. Um direkt die zwei größten Veränderungen zu nennen: das Restaurant hat jetzt nur noch mittags und nachmittags geöffnet, und es gibt wirklich famose Speisen außer Haus, die bundesweit ihresgleichen suchen. Nachhaltig verpackt und sehr einfach zu zubereitet. Ja, es wurde auch ein wenig umgebaut, aber den meisten wird es kaum auffallen.

Geändert hat sich natürlich auch die Speisekarte. Aber weniger als viele befürchteten. Vincent Moissonnier kündigte viele einfache Bistro-Gerichte an, pro Tag sollte zudem ein warmes Hauptgericht serviert werden – jetzt sind es schon sechs. Bei meinem ersten Testbesuch war die in einer Cocotte servierte Plat du jour tatsächlich ein wunderbar rustikales Enten-Ragout, beim zweiten lag der feinbuttrige Heilbutt dann nur noch pro forma in dem Schmortöpfchen. Selbstverständlich hat Eric Menchon nicht verlernt zu kochen, und damit meine ich hochklassig zu kochen, präzise, fein abgestimmt, mit Fine-Dining-Touch selbst bei manch bäuerlichen Genüssen.

Das "Le Moissonnier Bistro" von innen

Man kann auch nur eine Kleinigkeit essen, wie ein Schinken-Baguette oder die klassische Fischsuppe.

Was ein großes Glück, auch wenn es Vincent Moissonniers erklärtem Wunsch endlich Kneipier in einer kleinen Weinbar zu sein entgegenläuft. Es mag noch nicht wieder Menchons berühmte Dreieinigkeit (oder zu Köln passend: Dreikönigheit) von drei Tellern pro Gericht sein, aber zwei Teller sind es jetzt ab und an schon wieder.

Beim herausragenden norwegischen Lachs zum Beispiel, perfekt einseitig gebraten, mit Miso auf Zwiebelkompott und Hollandaise-Bisque-Creme. Á part gibt es Millefeuille von Wirsing und Rotkohl, das zeigt zu welcher Meisterschaft es Menchon auch im Vegetarischen gebracht hat (genau wie mit einem Gemüse-Blätterteig, das ein Meisterstück in luftigleichter Knusprigkeit darstellt).

Auch Kleinigkeiten zu essen

Die Preise für solche Preziosen sind auf Gourmet-Niveau, aber man kann auch nur eine Kleinigkeit essen, wie ein Schinken-Baguette oder die klassische Fischsuppe. Oder Meeresfrüchte, die es so hier zuvor nicht gab. Zum Beispiel eine beeindruckende Auswahl seltener Austern (auf Crushed Ice serviert, mit Namensschildchen), oder die Miesmuscheln aus dem Haus Morisseau, die einen denken lassen, man hätte nie zuvor Miesmuscheln gegessen. Und ansonsten? Gnocchi gelingen herrlich fluffig, die Mayonnaise zu den Crevetten tänzelt über den Gaumen, das Kaninchen kommt fast butterzart auf den Teller, eine simple baskische Kabeljau-Brandade wird zum Kabinettstück.

Von außen: „Le Moissonnier Bistro“

Von außen: „Le Moissonnier Bistro“

Dazu kann man einen der vielen offenen Tropfen bestellen oder eine Flasche von der großartigen Weinkarte, die fast ausschließlich der Grande Nation huldigt. Auch die legendäre Aperitifkarte gibt es weiterhin, von der ich mir wünschte viele andere Restaurants nähmen sie zum Vorbild.

Crêpe Suzette oder Tarte Tartin

Der fantastische Chef Pâtissier Olivier Toussaint, seit 1998 im Betrieb, ist weiterhin an Bord. Sein Crêpe Suzette ist geradezu idealtypisch, jeden Tag bietet er auch eine Tarte du Jour an, bei meiner Tarte Tatin war der Mürbeteig begeisternd saftig, bei den Äpfeln hätte ich mir allerdings eine säurebetontere Sorte gewünscht.

Reservierung per Time-Slot

Die Reservierung ist ein wenig eigentümlich, denn nur möglich, wenn man einen Hauptgang isst. Stünde wirklich zu befürchten, dass Gäste sonst das Brotkörbchen für 3 € bestellen und wieder gingen? Die Tische werden nun mehrfach besetzt, in der Woche bucht man einen Slot für zwei Stunden, am Wochenende für zweieinhalb.

Das neue „Le Moissonnier Bistro“

Das neue „Le Moissonnier Bistro“: Im Innenraum hat sich nicht viel verändert.

Viel hat sich in den ersten Monaten verändert und einiges wird sich sicher noch ändern. Anfangs hatte das „neue“ Moissonnier zum Beispiel nur Mittwoch bis Samstag geöffnet, jetzt ist der Dienstag dazugekommen - wegen der großen Nachfrage und auch, weil dem „Kneipier“, wie er zugibt, die Arbeit fehlte. Die sollte ja weniger werden, aber mein Eindruck ist, dass er mehr rödelt als je zuvor und ständig am Tresen Austern öffnet. Bei der Pressekonferenz zur Neueröffnung sagte er, Bewertungen wolle man keine mehr. Vor einem Michelin-Stern werden er und sein großartiges Team sich aber kaum schützen können.

Fazit: Das neue Moissonnier ist im Kern das alte, nur lässiger gekleidet – und näher am Meer verortet. | Bewertung: 6 von 6 Punkten

Le Moissonnier Bistro, Krefelder Straße 25, 50670 Köln, Tel. 0221-729479 | Di-Do 12-16 Uhr (Letzte Bestell-Annahme für die Küche 15 Uhr), Fr-Sa 12-17 (letzte Bestellannahme 16 Uhr) | www.lemoissonnier.de

Henns Auswahl:

Norwegischer Lachs im neuen Bistro Moissonnier

Norwegischer Lachs im neuen Bistro Moissonnier

  • Tartelette Provençale 19 €
  • Miesmuscheln 11 € (kleine Portion), 22 € (große Portion)
  • Le Classique Sandwich Jambon-Beurre 10 €
  • Fischsuppe 18 €
  • Norwegischer Lachs 24,50 €
  • Plat du Jour 32 €
  • Tarte du Jour 9 €
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