Weiberfastnacht in KölnLeere Straßen und Kneipen in der Kölner Altstadt

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Nur vereinzelte Jecke zogen durch die Gassen der Altstadt, in den sonst zu Weiberfastnacht drangvolle Enge herrscht.

Nur vereinzelte Jecke zogen durch die Gassen der Altstadt, in den sonst zu Weiberfastnacht drangvolle Enge herrscht.

Köln – Frohsinn? Der will einfach nicht aufkommen. Wie auch. „Heute morgen haben wir alle die entsetzliche Nachricht gehört“, begrüßt Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker das Dreigestirn im historischen Rathaus. Wegen der Corona-Pandemie hatte sie schon im Vorfeld gesagt, sie werde im Abschluss nicht mit auf die Bühne am Alter Markt gehen. Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine in der Nacht auf Donnerstag hat sie spontan auf jegliche Kostümierung verzichtet. „Es ist ein Auftakt, wie ich ihn noch nie erlebt habe“, sagt Reker. Genau genommen ist es noch nicht einmal ein Auftakt. Nur wenige Stunden später ist der Karneval in Köln im Grunde abgesagt.

Rollende Panzer und geschmückte Festwagen - passt das zusammen?

Krisendiplomatie: In den frühen Nachmittagsstunden laufen die Drähte zwischen Rathaus und Festkomitee heiß. In der Ukraine rollen die Panzer und in Köln sollen am Rosenmontag die Festwagen durchs Stadion fahren? „Ein unbeschwertes Feiern ist derzeit nur schwer denkbar, denn unsere Gedanken sind bei den Menschen in der Ukraine. Während der Straßen- und Kneipenkarneval an Weiberfastnacht nicht mehr abzusagen war, stellt sich die Situation für die anderen Karnevalstage anders dar“, heißt es daraufhin in einer Mitteilung des Festkomitees. Die Konsequenz: Das Rosenmontagsfest im Station ist abgesagt. Das ist der erste Dominostein, der fällt.

Trauriger Narr: Bei der Demonstration für die Ukraine auf dem Neumarkt spielte die Nationalflagge eine wichtige Rolle.

Trauriger Narr: Bei der Demonstration für die Ukraine auf dem Neumarkt spielte die Nationalflagge eine wichtige Rolle.

Die Wagenparade soll nun zu einer Friedensdemonstration werden. Ohnehin war geplant, die Persiflagewagen auf verschiedenen Plätzen in der Stadt zu zeigen. Dorthin werden sie nun bereits in der Nacht zu Montag gebracht. „Die Wagen, die auf die Situation in Osteuropa hinweisen, stehen im Mittelpunkt. Sie sind das Ausdrucksmittel der Karnevalisten, um auf Missstände hinzuweisen“, so Festkomiteepräsident Christoph Kuckelkorn. Noch am Mittwoch hatte es einen Testlauf im Stadion gegeben. 4700 Teilnehmer aus 65 Gesellschaften wären beim Zoch dabei gewesen. 8800 Zuschauer hatten bereits ein Ticket. Wenn sich am Montag dann eventuell 100 000 Menschen die Wagen anschauten, würde das zeigen, dass die Kölner nicht nur feiern sondern auch solidarisch mit Menschen in Not sein könnten. „Das ist dann ja auch ein Statement“, heißt es aus dem Festkomitee.

Konfetti-Regen fürs Dreigestirn um 11.11 Uhr. Doch die Feierstimmung wurde von der Kriegsnachricht niedergedrückt.

Konfetti-Regen fürs Dreigestirn um 11.11 Uhr. Doch die Feierstimmung wurde von der Kriegsnachricht niedergedrückt.

Für das Kölner Dreigestirn fällt damit dennoch auch dieser Zoch komplett aus. Bereits in der vergangenen Session hatte das Trifolium der Altstädter auf den Großteil der Veranstaltungen verzichten müssen. Vor dem 11.11. ereilte Prinz Sven I. zudem eine Corona-Infektion. Er konnte auch nicht bei der Sessionseröffnung auf dem Heumarkt dabei sein.

Ein Zeichen der Solidarität gab es schon zu Weiberfastnacht. Viele Jecke schlossen sich einer spontan organisierten Demonstration auf dem Neumarkt an. In Köln lebende Ukrainer hatten dazu aufgerufen, zum Neumarkt zu kommen. „Solidarität mit der Ukraine. Stoppt Putin“, schallte es über den Platz. Die Fraktionsvorsitzenden der Ratsparteien waren ebenso anwesend wie Oberbürgermeisterin Henriette Reker (siehe Stimmen).

Gespenstische Leere in der Altstadt

„Die Menschen in der Ukraine sind gerade unschuldig einem ungeheuerlichen kriegerischen Akt ausgesetzt“, sagte SPD-Fraktionschef Christian Joisten. „Angesichts dieser Entwicklungen ist es richtig, den Rosenmontagszug abzusagen.“ Für Sonntag ist um 14 Uhr eine erneute Demonstration auf dem Neumarkt geplant.

Politische Statements auf dem Neumarkt an einem Tag, an dem ansonsten lauthals kölsche Lieder in den Kneipen der Altstadt gesungen werden. Doch dort war es fast schon gespenstisch ruhig. Statt drangvoller Enge reichlich Platz zum Flanieren am Rheinufer und in den Altstadtgassen. Die Wirte hatten sich für den „Außerhausverkauf“ mit Bergen von Dosenbier eingedeckt – und blieben auf einem Großteil davon sitzen. An den Bierbuden wurde vereinzelt ein wenig geplauscht.

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Eine Arena auf dem Altermarkt mit Kartenvorverkauf sollte verhindern, dass wie üblich Massen zum offiziellen Auftakt des Straßenkarnevals strömen. Unbegründet die Sorge, dass die Menschen trotzdem zum Altermarkt kommen, um jenseits der Abzäunung im Takt der Musik zu schunkeln und zu tanzen. Nur im lockeren Verbund sammelten sich hier und dort ein paar Grüppchen an. Ebenso in der Südstadt. Ordnungsamtsleiter Wolfgang Büscher berichtet von einem Einsatz mit Dienstfahrzeugen, den seine Kräfte dort fahren mussten: „Wir kamen einfach so durch. Das wäre in den Vorjahren undenkbar gewesen.“ Gruppen junger Menschen versammelten sich zwar zwischenzeitlich auf dem Chlodwigplatz, doch schnell merkten sie, die Südstadt ist in diesem Jahr kein „Hotspot“. Sie zogen weiter zur Zülpicher Straße. Auf der Feiermeile im Studentenviertel konzentrierte sich das Feiern in Köln im zweiten Corona Jahr und am ersten Tag des Ukraine-Kriegs – dort allerdings so, als wäre nie etwas gewesen.

Stimmen zu Weiberfastnacht in der Ukraine-Krise

Henriette Reker, Oberbürgermeisterin:

„Der Angriff ist nicht akzeptabel. Ich bin mit meinen Gedanken bei den Familien und bei den Soldatinnen und Soldaten auf beiden Seiten. Der Krieg muss so schnell wie möglich beendet werden. Ich werde mich für Geflüchtete einsetzen.“

Christiane Martin, Fraktionschefin der Grünen:

„Karneval kann man nicht kurzfristig komplett absagen. Aber es ist vollkommen klar, dass wir alle, auch die Jecken, in Gedanken bei der Ukraine sind. Karneval hatte schon immer einen friedlichen, demokratischen, solidarischen Geist, ihn müssen wir in diesen dunklen Tagen stärker denn je nach außen tragen. Die Programmänderung des Festkomitees für den Rosenmontag begrüßen wir sehr. Die angekündigte Friedensdemonstration ist das richtige Signal.“

Bernd Petelkau, Partei- und Fraktionschef der CDU:

„Angesichts der aktuellen Ereignisse hat das Festkomitee heute die einzig richtige Entscheidung getroffen, die wir voll und ganz unterstützen. Im Osten Europas sind Demokratie und Freiheit in akuter Gefahr. Alle Demokraten müssen jetzt weltweit gegen die russische Aggression zusammenstehen. Krieg ist und darf kein Mittel der Politik sein.“

Bastian Campmann, Sänger Kasalla:

„Die Entscheidung, den Rosenmontagszug abzusagen und stattdessen eine Friedensdemo zu veranstalten, ist vollkommen richtig. Wir haben entschieden, heute trotz allem aufzutreten, aber dabei natürlich den Angriff auf die Ukraine thematisiert. Die Momente auf der Bühne haben wir genutzt, um den Leuten mitzuteilen, wie wir uns fühlen.“

Robert Kleine, Stadtdechant:

„Es ist gut und richtig, dass es statt des Umzugs am Montag jetzt Friedensdemonstrationen gibt! Die Persiflagewagen zu Putin haben gezeigt, dass man Kriegstreibern und Despoten im Karneval den Spiegel vorhält und sie auslacht. Aber jetzt ist Zeit zum Demonstrieren, Zeit für Solidarität mit der Ukraine, Zeit für Gebet, Zeit für klare Konsequenzen Richtung Putin.“

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