„Bares für Rares“-Händler im InterviewWalter Lehnertz: „Das Schlimmste ist Arroganz“

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Walter Lehnertz, Händler bei Bares für Rares.

Walter Lehnertz, Händler bei Bares für Rares.

Die Nation kennt ihn als „80-Euro-Waldi“ aus der Erfolgssendung „Bares für Rares“. Wenn er dreht, hält er sich mit Vorliebe in Köln auf.

„Hochdeutsch kann ich janit“, sagt Walter Lehnertz zu Beginn. Der „80-Euro Waldi“ kommt aus der Eifel, an Drehtagen lebt er in Köln. Man muss sich das Interview dementsprechend als eine Mischung aus Rheinisch und Kölsch vorstellen – met Eifeler Knubbele.

Wie gut waren Sie als Schüler in Mathe?

Gut! In Deutsch dagegen war ich mangelhaft.

Was muss ein guter Händler außer Rechnen noch können?

Er muss authentisch sein und Spaß vermitteln. Denn ohne Spaß verkaufst du nichts.

Mir ist Feilschen peinlich. Warum wohl?

Vielleicht bringen Sie das mit Bettelei in Verbindung. Wenn bei mir jemand nicht feilscht, übernehme ich das selbst. Wenn 55,- draufsteht und der Mensch sagt „Super“, dann antworte ich: „Machen wir 50 draus.“ Sympathisches Maggeln ist das Schönste, was es gibt.

Walter Lehnertz: Arroganz beim Verkaufsgespräch am schlimmsten

Sind Sie mal sauer geworden bei einem Verkaufsgespräch?

Am schlimmsten finde ich Arroganz. Wer mir so rüberkommt, dem verkaufe ich nichts. Den vergraule ich, da ist mir eine Oma mit nem Zehner in der Tasche lieber.

Maggeln Frauen anders als Männer?

Wenn sie clever sind, ja. Bei einer hübschen Frau machst du natürlich einen ganz anderen Preis als bei einem Griesgrämer. Wenn eine beim Lucki (Ludwig Hofmaier, bei BfR inzwischen ausgeschieden, An.d.Red.) ein bisschen Dekolleté gezeigt hat, fand der jedes Objekt super, das konnte der größte Mist sein. (lacht)

Woran merkt man, dass Sie richtig gierig auf etwas sind?

In der Sendung muss ich nur sagen: „Der Prügel geht in die Eifel.“ Das ist die Kampfansage an alle, dass ich was haben will. Wenn mir das dann einer hochjubelt, nehme ich ganz schnell Rache und treibe einen seiner Deals hoch. Am häufigsten passiert mir sowas mit Wolfgang und Julian, da kann´s schonmal scheppern und richtig teuer werden.

Meine Mutter hatte eine Anrichte von 1720. Ein Riesen-Prügel aus Mooreiche, drei Meter lang und tonnenschwer.
Walter Lehnertz

Standen in Ihrem Elternhaus Antiquitäten?

Meine Mutter hatte eine Anrichte von 1720. Ein Riesen-Prügel aus Mooreiche, drei Meter lang und tonnenschwer. Als mein Vater starb und wir umzogen, kam das alles in ein großes Feuer. Und dann wor et dat.

Sie haben jahrelang auf dem Bau gearbeitet, liest man. Hat der Waldi richtig Zementsäcke geschleppt?

Ja, ich habe alles gemacht, auch Gerüstbau und Pflasterarbeiten. Bis mein Arzt sagte: „Wenn du so weitermachst, gehst du in fünf Jahren keinen Meter mehr.“ Danach habe ich angefangen, mit Antiquitäten zu handeln.

Bares für Rares ist jetzt im zehnten Jahr. Warum schalten die Zuschauer nach wie vor massenhaft ein?

Da ist zum einen der super Moderator, Horst Lichter. Aber ich glaube, es liegt auch an den Preisen. Wir haben 30-Euro-Sachen für Oma Elfriede und Zeugs für die High Society. Und man lernt etwas. Wenn du ein Jahr Bares für Rares guckst, bescheißt dich keiner mehr.

Trödel, Kitsch und Antiquitäten

Sie gehören zu den Händlern der ersten Stunde. Was macht Ihnen selbst nach einer Dekade noch immer Spaß?

Da kommen noch immer Vögel mit Dingen an, die du noch nie gesehen hast. Letztens saßen wir ratlos vor einem Teil, das sich als Feuchtigkeitsmesser für Getreide herausstellte.

Haben Sie mitgesteigert?

Nee, wollte ich nicht.

Wo liegen die Grenzen zwischen Antiquitäten, Trödel und Kitsch?

Man sagt, eine Antiquität muss älter als hundert Jahre sein. Aber natürlich gibt es auch wertvollen Trödel etwa aus den 1970ern. Kitsch ist halt China-Kacke: Zeugs, das beim Auspacken schon kaputt geht.

Was sammeln Sie selbst am liebsten?

Anfangs habe ich historische Spieluhren gesammelt. Inzwischen aber gar nichts mehr. Wenn du als Antikhändler erfolgreich sein willst, musst du mit dem Sammeln aufhören. Sonst behältst du die ganzen schönen Sachen für dich, statt sie zu verkaufen. Heutzutage freue ich mich beim Kaufen, aber auch wie Bolle beim Verkaufen, weil ich jemandem damit etwas Schönes überlasse.

Walter Lehnertz: „Rotzfrech, aber lieb“

In welcher anderen Zeit hätten Sie gern gelebt?

In der Ritterzeit. Aber nur als Ritter, also als Adliger.

In einer düsteren, feuchtkalten Burg in der Eifel?

Egal, die Vögel damals hatten noch Lebensqualität.

Wenn Sie die Sendung anschauen: Wie wirkt dieser Typ Waldi Lehnertz auf Sie?

Hm. Rotzfrech, aber lieb. So bin ich ja auch. Habe ich denen vom Fernsehen von Anfang an gesagt: Ich bin, wie ich bin, und so bleibe ich auch. Wenn der Waldi dabei ist, sitzen da nicht fünf Leute mit nem Stock im Hintern, sondern dann ist Spaß in der Bude.

Haben Sie mit manchen Kollegen auch privaten Kontakt?

Ich komme mit fast allen gut aus. Aber mit Julian (Schmitz-Avila), Wolfgang (Pauritsch), Fabi (Fabian Kahl) und dem Kümmel (Detlef) von den Gutachtern treffe ich mich auch sonst oft. Und für Susanne (Steiger) bin ich der große Bruder. Wenn sich einer mit der anlegt, hat er direkt die Eifel am Hals.

Sie sind bekannt als der „80-Euro-Waldi“.

Beim ersten Mal ging es mir nur um ein freches Gebot gegenüber einem arroganten Frettchen mit einer fetten Kaminsuhr. Aber inzwischen vertreibe ich alle möglichen Merchandising-Artikel und habe mir den 80-Euro-Waldi schützen und auch in den Pass eintragen lassen.

Haben Sie schonmal etwas für exakt 80 Euro bekommen?

Jede Menge. Die Kollegen jubeln mir inzwischen auch öfters was unter. Da latz ich die 80 Mäuse und kloppe das Teil zuhause in die Tonne. Wer A sagt, muss auch B sagen.

Wenn ich Sie mit 80 Euro auf die Schildergasse stelle: Wofür geben Sie die aus?

Als erstes hole ich mir ein dickes Eis – gern Maracuja, Zitrone, Amarena-Kirsch und sowas. Danach würde ich mal gucken. Ich kaufe ja alles und nichts, es muss mir nur ins Auge fallen.

Frohnatur aus der Eifel

Wie würden Sie den Eifeler Menschenschlag beschreiben?

Bei mir geht die Eifel ja viele Generationen zurück. Die Eifeler sind den Kölner schon sehr ähnlich: offen, gern in der Kneipe, rheinische Frohnaturen. Aber sie können auch verdammt stur sein.

Was haben Ihre Eltern Ihnen mitgegeben?

Die Kampfbereitschaft. Mein Vater war selbstständig, meine Mutter hatte eine Kneipe, die mussten immer kämpfen. Mir ist zweimal was in die Hose gegangen, und danach habe ich eben neu angefangen.

Ihr Vater starb, als Sie neun waren, Ihre Mutter ist seit zwei Jahren tot. Wie empfand sie ihre Prominenz?

Wenn bei ihr im Häuschen was zu tun war, hieß es: „Fernsehen hin oder her, wenn ich roofe, häs do zo kumme!“ Aber im Geheimen war sie schon stolz, mich da auf der Mattscheibe zu sehen.

Woran merken Sie im Alltag, dass Sie inzwischen ziemlich berühmt sind?

Du kannst ja nirgendwo mehr hingehen, ohne angesprochen zu werden. Und alles wird von Kameras begleitet.

Alles?

Als wir erstmals 25 Prozent Quote hatten, habe ich mir wie angekündigt eine Glatze schneiden lassen. Da wurde ich bei uns auf dem Hof festgekettet, bewacht von großen Weibern mit Sonnenbrille und Schlägerkäppis. Und zu „Spiel mir das Lied vom Tod“ wurde ich dann geschoren.

Mich freut stattdessen, wenn heutige Zwölf- bis, 13-Jährige Fans vom 80-Euro-Waldi sind. Die rennen sonst nur mit ihrem Handy rum und kriegen von uns ein bisschen Kultur um die Ohren gehauen.
Walter Lehnertz

Wie sieht es mit Groupies aus?

Hören Sie mal, ich bin ein alter Sack! Mich freut stattdessen, wenn heutige Zwölf- bis, 13-Jährige Fans vom 80-Euro-Waldi sind. Die rennen sonst nur mit ihrem Handy rum und kriegen von uns ein bisschen Kultur um die Ohren gehauen. Wenn du mit so einer Sendung auch die Jugend erreichen kannst, hast du alles richtig gemacht.

Wenn Sie bei Bares für Rares eine Lampe für 100 Euro ersteigern: Für wie viel geht die wieder weg?

Wenn ich 100 bezahlt habe, schreibe ich 150 drauf, dann wird gemaggelt und die geht für 130 weg. Und wenn da ne arme Omi steht, kriegt die die auch für 120.

Kommen Sie noch zum Angeln?

Ja, das ist mir extrem wichtig. Am liebsten angle ich nachts, da komme ich richtig runter. Genau wie beim Malen.

Spüren Sie den Stress, in der Öffentlichkeit zu stehen?

Ich mach's gern. Aber wenn jeder an dir am Rumzubbeln ist, wird's manchmal zu viel. Ich erinnere mich an eine Situation, wo ich die Stimmen um mich herum nur noch wie ein Echo hörte. Da dachte ich, jetzt kriegst du die große Klatsche. Ich habe mich erstmal hingelegt und bin drei Tage angeln gegangen. Dann war's wieder gut.


Zur Person

1976 wurde Walter „Waldi“ Lehnertz in Prüm geboren. Nach einer Ausbildung zum Pferdewirt arbeitete er u.a. als Gartengestalter und Bauarbeiter, bevor er 2013 zur Urbesetzung von Bares für Rares stieß. Die Sendung mit Moderator Horst Lichter wurde ein großer Erfolg und läuft bis heute. Weil sein Erstgebot häufig 80 Euro lautet, entwickelte sich sein Künstlername „80-Euro-Waldi“, den er inzwischen auch im Ausweis hat eintragen lassen.

2017 fing er mit der Malerei an. Seine Bilder werden zum Teil für mehrere tausend Euro gehandelt und hängen in Firmenschaufenstern und Museen. In Kall-Krekel betreibt der Ur-Eifeler ein Antiquitätenlager. Walter Lehnertz wohnt mit seiner Lebensgefährtin in Kall-Krekel. www.eifel-antik.de

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