Sven Wolf (SPD) war Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zur Flut-Katastrophe im NRW-Landtag. Im Interview zieht er Bilanz.
Untersuchungsausschuss zur Flut„Der Respekt vor den Toten hat uns stets begleitet“

Die Luftaufnahme zeigt die Ausmaße der Flutkatastrophe im Jahr 2021 in Erftstadt-Bliesheim.
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Die Flut-Katastrophe ist nun mehr als vier Jahre her. Sich so intensiv mit den Auswirkungen zu beschäftigen, war sicher auch eine emotionale Herausforderung?
Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, es war für alle, die im Ausschuss mitgearbeitet haben, immer wieder auch eine Erinnerung an die sehr tragischen Ereignisse, die man nicht so schnell vergisst. Wir mussten aber auch immer wieder daran denken, dass 49 Menschen ihr Leben bei dem Ereignis verloren haben. Der Respekt vor diesen Toten hat uns in der Arbeit stets begleitet. Aber es gab auch Positives: So haben wir mit unserer Arbeit auch die ausdrücklich außergewöhnliche Leistung der vielen Helferinnen und Helfer gewürdigt.
Der in dieser Woche beschlossene Abschlussbericht, der noch nicht öffentlich vorliegt, benennt auf rund 660 Seiten viele Fehler im Krisenmanagement und in der Kommunikation?
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Wir haben tatsächlich auch sehr viele kritische Punkte zusammentragen können. Das ist gelungen trotz unterschiedlicher politischer Perspektiven, die die Mitglieder im Ausschuss auf dieses Thema haben. Fraktionen wie Grüne und FDP haben ja während der Arbeit, die schon in der letzten Wahlperiode begann und in dieser fortgesetzt wurde, ihre Rollen in Opposition und Regierung getauscht. Trotz dieser unterschiedlichen Perspektiven ist es gelungen, das Gemeinsame in den Vordergrund zu stellen und deswegen auch gemeinsam kritische Punkte aufzuführen und ganz konkrete Handlungsempfehlungen zu formulieren.
Was sind denn aus Ihrer Sicht die wichtigsten Lerneffekte?
Die Grundfrage, vor der wir das Ganze diskutiert haben, ist, dass wir wissen, dass wir solche Ereignisse grundsätzlich nicht vermeiden können. Die werden auftreten. Es wird Starkregenereignisse auch in Zukunft geben, wahrscheinlich wegen des Klimawandels sogar häufiger. Was wir aber politisch tun können - und das war unser fester Wille - ist, die dramatischen Folgen abzumildern. Wir wollen dafür sorgen, dass es nicht mehr zu solch tragischen Verläufen kommt.
Wie soll das konkret aussehen?
Ein ganz wichtiger Punkt ist aus unserer Sicht die Verbesserung der Frühwarnung, also dass wir als Bevölkerung alle besser wissen, was wir in solchen Situationen tun müssen. Es muss künftig frühzeitiger gewarnt werden. Und das, was Experten, Meteorologen, Hydrologen und Geographen in ihrer Fachlichkeit einschätzen, muss für die Öffentlichkeit so übersetzt werden, dass es möglichst viele Menschen erreichen kann und sie wissen, was zu tun ist.

Ausschuss-Vorsitzender Sven Wolf (SPD).
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Sie haben sich auch mit der Rolle der Krisenstäbe vor Ort in den Städten und Gemeinden beschäftigt, die damals teilweise überfordert waren?
Die sind eigentlich der Rückhalt in einer solchen besonderen Situation, und die müssen wir stärken. Da muss es mehr Übungs- und Ausbildungsmöglichkeit geben. Das Ganze muss am besten koordiniert werden mit einer landesweiten Einrichtung im nicht polizeilichen Bereich.
Sie haben sich aber auch ganz grundsätzlich damit beschäftigt, was die Analyse von Fehlern für die Öffentlichkeit bedeutet?
Ja, wir haben festgestellt, dass es nach einer solchen Katastrophe notwendig ist, solche Dinge auch in einer Gesellschaft aufzuarbeiten. Uns ging es auch nicht darum, einzelne Personen übermäßig zu kritisieren. Dann wäre es wahrscheinlich auch schwieriger gewesen, eine Gemeinsamkeit herauszuarbeiten, weil es dann immer Menschen gegeben hätte, die sich schützend vor bestimmte Personen stellen. Deswegen haben wir versucht, trotz der persönlichen Verantwortung eher auf die grundsätzliche Struktur zu schauen, damit die Handlungsempfehlungen frei sind von parteipolitischem Blick, damit die künftigen Wahlperioden des Landtages und die künftigen Gesetzgeber mit unseren Resultaten auch tatsächlich ernsthaft arbeiten.
Euskirchen und die Eifel sowie der Rhein-Erft-Kreis waren besonders betroffen. Hat das in der Arbeit des Ausschusses eine entsprechende Rolle gespielt?
Ja, die Warnungen waren auch in diesen Regionen zu kompliziert. Vor Ort konnte man, obwohl man teilweise sehr erfahren mit Hochwasser ist, diese besondere Gefahr nicht richtig einschätzen. Das Wasser ging eben nicht die üblichen Wege. Es trat nicht einfach über die Ufer, wo Flüsse sind, sondern floss teilweise von anderen Seiten denOrtschaften zu. In beiden Gebieten haben wir aber auch eine sehr große, spontane Solidarität erlebt.
Inwiefern war das Thema im Untersuchungsausschuss?
Wir haben festgestellt, dass wir auch in künftigen Katastrophen mit der Frage der Spontanhelfer umgehen müssen. Das ist ein etwas neues Phänomen. Ganz viele Menschen waren emotional sehr betroffen, als sie die schockierenden Bilder in ihrer Nachbarschaft oder in denNachrichten gesehen haben. Sie wollten unmittelbar helfen.Und das zu koordinieren, sollten Einrichtungen geschaffenwerden, wo man zum Beispiel auch kostenfrei Hilfe bekommen kann. Im Rhein-Erft-Kreis gab es einen gemeinnützigen Baumarkt - das fand ich wirklich bewegend.
Ihre private Heimat, das Bergische Land, ist in den Beratungen auch behandelt worden?
Da ging es im Wesentlichen um die Frage, wie wir mit unseren Talsperren umgehen. Wir haben hier, organisiert durch den Wupperverband, sehr viele Talsperren. Und die große Herausforderung für die Betreiber der Talsperren ist es ebenfalls, eine sehr genaue Prognose bei Starkregen-Ereignissen zu bekommen. Diese Phänomene können sich binnen weniger Minuten oder Stunden so weit verschieben, dass es woanders niederregnet. Wenn man dann zu früh oder zu spät Talsperren ablässt, kann man nicht mehr auf diese Ereignisse reagieren. Deshalb braucht es in Zukunft ein dem Klima angepasstes Stauanlagen-Management. Dieser Wechsel zwischen sehr, sehr trockenen Perioden, wo es notwendig ist, Wasser aus Talsperren zuzuführen und diesen Starkregenereignissen, ist ein starker Kontrast. Der wird bleiben. Das vernünftig angepasst zu steuern, ist eine ganz große Herausforderung in Zukunft.
Sind wir denn für eine mögliche Flut in der Zukunft gut genug gerüstet?
Wir dürfen solche schweren Ereignisse nicht vergessen. Das passiert leider viel zu häufig. Es ist auch sehr menschlich,sowas wieder zu verdrängen. Deshalb war es uns wichtig festzustellen, wir aus der Flut von 2021 lernen können und auch konkrete Handlungsempfehlungen zu geben, die über das hinausgehen, was die Landesregierung schon erarbeitet hatte.