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Einmal rund um NRWDer Grenzgänger aus der Eifel ist nach 1662 Kilometern im Ziel

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Vor der Aachener Dompforte stehen Oliver Krischer, Ralf Spilles, Sibylle Keupen und Rolf-Peter Cremer.

Vor der Dompforte in Aachen wurde die starke Leistung gewürdigt: Minister Oliver Krischer (v.l.) nahm NRW-Umwanderer Ralf Spilles gemeinsam mit Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen und Dompropst Rolf-Peter Cremer in Empfang.

Der Eifeler Ralf Spilles hat seine NRW-Umrundung per pedes in 126 Etappen aufgeteilt. Ein Tipp sind die Flamingos im Münsterland.

Er hat es geschafft, allen Unkenrufen zum Trotz. Und das auf den letzten Metern bei brütender Hitze: Ralf Spilles ist, nachdem er das Dreiländereck bei Vaals passiert hat und ein Stück des Jakobswegs gegangen ist, genau da angekommen, wo er sich vor mehr als acht Jahren auf den Weg gemacht hat, um Nordrhein-Westfalens Außengrenzen per Langzeit-Wanderung zu umrunden. Nach 126 Etappen und offiziell 1662 Kilometern war das Ziel erreicht, die Pforte des Aachener Doms. Dort war der inzwischen 66-Jährige aus Kreuzau am Karfreitag 2017 gestartet, eher still, praktisch ohne öffentliche Aufmerksamkeit.

Zur Feier des Abschlusses war es anders: Als Hausherr des Doms begrüßte ihn der aus Sistig stammende Dompropst Rolf-Peter Cremer genauso wie Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos). Gratulationen zu seinem hartnäckig und ausdauernd errungenen Erfolg erhielt Spilles auch vom nordrhein-westfälischen Umwelt-, Naturschutz- und Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne).

Der 55-jährige Minister würdigte Spilles' Wanderung als „Wahnsinnsleistung“. Für Krischer könnte die sogar möglicherweise einen Eintrag in die Guinness-Rekordlisten wert. Schließlich habe sich bislang sonst noch niemand anderes auf diesen Weg gemacht, das bevölkerungsmäßig größte, aber nicht umfangreichste Bundesland zu Fuß zu umrunden, wie Spilles festgestellt hat. Oliver Krischer beeindruckte zudem, dass Spilles auch an schwierigen Stellen konsequent drangeblieben sei und NRW so aus einer ganz anderen Perspektive kennengelernt habe.

ÖPNV hat für den Grenzgänger eine wichtige Rolle gespielt

Gerne hörte der Chef des Düsseldorfer Verkehrsressorts auch die lobenden Worte des Praktikers Ralf Spilles, eines begeisterten Nutzers des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), der erklärtermaßen auf das System schwört. Denn nur zweimal, so Spilles, sei es ihm nicht gelungen, per Bus an den jeweiligen Ausgangspunkt seiner Tagesetappe zurückzukehren, so dass er ein Taxi rufen musste. Der Minister: „Der ÖPNV ist besser als sein Ruf.“

Aachens Verwaltungschefin Sibylle Keupen sprach von einem „wahnsinnigen Plan“, den Spilles da vor ein paar Jahren begonnen hatte in die Tat umzusetzen. Das habe auch Vorbildcharakter: „Es braucht mehr Menschen mit verrückten Ideen, die sich etwas in den Kopf setzen und dranbleiben, die sich einer Challenge stellen.“

Spilles hatte für sie und Krischer Exemplare des ersten Buches seiner geplanten siebenbändigen Reihe dabei, in der er seine NRW-Umrundung detailliert dokumentieren möchte. In zwei Wochen soll Band zwei folgen. Oberbürgermeisterin Keupen: „Jetzt wissen wir, was wir zu tun haben.“ Denn sie hatte gleich eine Verwendung für das Buch: Aus dem ersten Kapitel von Ralf Spilles will sie die Strecke von Aachen bis Herzogenrath, wo sie lebt, wandern.

Mit seinem Buch will Ralf Spilles Leser zum Wandern motivieren

Auch dem Überraschungsgast, dem Dompropst, der zunächst leer ausgegangen war, will Spilles noch sein Buch zukommen lassen, die Adressen wurden gleich ausgetauscht. Denn Rolf-Peter Cremer erwies sich als begeisterter Wanderer, der ankündigte, einige der beschriebenen Strecken selbst auszuprobieren. Im Sommer plant der Geistliche eine zehntägige Wandertour. Das ist genau das, was Ralf Spilles mit seiner Buchserie erreichen möchte: Möglichst viele Wanderlustige sollen seine in allen Einzelheiten beschriebenen Strecken nutzen – wenn auch nicht unbedingt ganz Nordrhein-Westfalen umrunden.

Von Minister Krischer nach dem schönsten Abschnitt gefragt, den er absolviert habe, antwortete Spilles fast diplomatisch: „Das kann ich nicht sagen – überall ist es schön.“ Dann doch noch sozusagen eine Art Geheimtipp: Im Zwillbrocker Venn nahe Vreden im Münsterland lohne es sich wohl besonders. Dort lebt eine große Flamingo-Population, die eine Wanderung außergewöhnlich werden lasse. Spilles scharrt bereits mit den Wanderschuhen, kaum ist das große Ziel geschafft: Der Jakobsweg soll nun eine Rolle spielen. Er will in den nächsten Wochen ein Teilstück in mehreren Etappen zwischen dem niedersächsischen Osnabrück und Wuppertal absolvieren.


Kritik wegen der Situation am Dreiländerpunkt bei Aachen

Eine Enttäuschung war für Ralf Spilles die Situation am Dreiländerpunkt, wo Deutschland, die Niederlande und Belgien zusammenkommen und wo nach seinen Erfahrungen viele Grenzland-Wanderrouten vorbeiführen. Von deutscher Seite werde nach Spilles Ansicht das hohe Besucherpotenzial dieses Punktes nicht genutzt, etwa indem Infoblätter zu weiteren touristischen Zielen in der Region zum Mitnehmen bereitgelegt werden. Einen weiteren Punkt führte Domprobst Rolf-Peter Cremer als erfahrener Wanderer an: Auch ein ordentlicher Fußweg von dort nach Aachen fehle.

Die Kritik nahm Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen auf. Aachen sei bereits mit Vaals wegen einer Attraktivitätssteigerung im Gespräch. Hinderlich für gemeinsame Pläne sei indes, dass der Bereich weitgehend in privater Hand sei. „Das macht die Gestaltung ganz schwierig“, so Keupen. Minister Oliver Krischer sprach von einem „Disney-Charakter“ dort. Keupen: „Wir würden gerne mehr machen.“ Sie wolle das Thema auf der Agenda halten: „Ich sehe Chancen.“

Geprüft hat Detlef Funken, Pressesprecher der Städteregion Aachen, indes die Kilometerliste der NRW-Umrundung, zumindest was den Teil der gemeinsamen Grenze der Städteregion mit Belgien angeht. Er kommt zu anderen Ergebnissen als einschlägige Websites, etwa Wikipedia. Dort ist von 67,7 Kilometern Grenze die Rede, während Funken 69 Kilometer nennt. Seine Erklärung: Nahe der Grenze zwischen Belgien und Deutschland gebe es aufgrund der belgischen Vennbahntrasse fünf deutsche Exklaven, die von belgischem Staatsgebiet umgeben seien. Deren Grenzen müssten zur belgischen Grenze zur Städteregion hinzugerechnet werden.