Vier Monate nach dem Tod des FDP-Politikers Gerhart Baum hallen seine Worte nach. Mit „Besinnt Euch!“ erscheint im Suhrkamp Verlag ein kleines Buch, in dem Wortgewalt und Leidenschaft des streitbaren Liberalen noch einmal ihre volle Wirkung entfalten.
„Besinnt Euch!“Gerhart Baum gibt in seinem neuen Buch posthume Warnungen ab

Gerhart Baum und Renate Liesmann-Baum bei der Verleihung des Menschenrechtspreises 2024 ihrer Stiftung. Foto: Meike Böschemeyer
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Der Einsatz des Ex-Bundesinnenministers für Freiheit, Menschenrechte und Demokratie wird in den Zeilen lebendig. Unter Mitarbeit seiner Witwe Renate Liesmann-Baum und des Journalisten Uli Kreikebaum ist ein Plädoyer entstanden, das in schwieriger Zeit die Gesellschaft wachrütteln soll.
Es sind Sätze wie dieser, die Gerhart Baum zum Teil auf dem Sterbebett für das Manuskript diktierte: „Unsere Demokratie ist heute so gefährdet wie noch nie seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Das empört mich zutiefst.“ Es ist die eigene Biographie, die Baum stets angetrieben hat, sich vor allem gegen Rechtsextremismus zu einzusetzen. Von Angst und Wut ist in seinem appellativen literarischen Nachlass die Rede, die er in Engagement gewandelt habe.
Der Geruch des Krieges
Als Kind hatte er die Bombardierung Dresdens durch die Alliierten erlebt. Nun rieche es wieder nach Krieg, schreibt er zur internationalen Lage: „Diesen Geruch kennen in den meisten Ländern Europas nur noch Menschen meiner Generation. Mit hat sich der beißende Gestank von verbranntem Fleisch nach der Bombardierung von Dresden tief eingeprägt.“
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Menschenwürde und Menschlichkeit ziehen sich als Motive durch das Buch, das zugleich eine Abrechnung mit denen ist, die sich von Geld- und Machtiger treiben ließen. Konkret nennt Baum Putin, Xi und Trump, aber auch Weidel und Höcke.
Zur AfD heißt es bei ihm, das seien Neonazis, und er verstehe nicht, warum diese „gefährliche Bewegung immer noch verharmlost“ werde. Scharfe Kritik übt er an Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Der habe vor der Wahl bei einer Abstimmung im Bundestag mit der AfD einen „kalkulierten Tabubruch“ begangen, so Baum: „So hat Merz die Tür dafür geöffnet, das Land auch mit der AfD zusammen zu regieren.“
Gegen die Systemverächter
Konkret erzürnt sich der Liberale über die deutsche Politik, die sich „einseitig auf die Probleme der Migration“ stürze, Fremdenfeindlichkeit und Kriminalitätsangst würden vermischt und als Brandbeschleuniger wirken: „Es ist Öl für das Feuer der Systemverächter, verursachte neue Ängste und Vorurteile, es spaltet die Gesellschaft.“
In seinem letzten Werk warnt der Kölner Freiheits-Vorkämpfer vor Souveränitätsverlust durch Datenmissbrauch und Algorithmen bei den Tech-Konzernen und fordert deren staatliche Einhegung.
Pressefreiheit und Kulturförderung werden in ihrer Rolle für die Demokratie dargestellt, Europa als Zukunftsvision propagiert. Und insbesondere die junge Generation ruft Gerhart Baum dazu auf, sich laut und engagiert gegen Ungerechtigkeiten zu wehren und für die Freiheit einzusetzen