FC-Fans verfolgen AbstiegsspielEntsetzen in Geißbockheim und Kneipen - Sebus und Niedecken zum Abstieg

Lesezeit 7 Minuten
Schock-Starre bei den FC-Fans in der Ubier-Schänke. Nach dem dritten Gegentor war alle Hoffnung dahin. FC-Fans sitzen dichtgedrängt in der Kneipe, halten sich die Hände vors Gesicht, raufen sich die Haare oder sind wütend.

Schock-Starre bei den FC-Fans in der Ubier-Schänke. Nach dem dritten Gegentor war alle Hoffnung dahin.

An den FC-Fans kann es nicht gelegen haben - sie kamen teils von weither, um in Köln das Spiel zu sehen - leidend, stockstarr, wutentbrannt.  

Ungläubiges Staunen, unfassbare Leere und Resignation . Im Geißbockheim, im Herzen des 1. FC Köln, wo schon Meisterschaften gefeiert wurden, wo an den Wänden Toni Schumacher und Pierre Littbarski an große Zeiten erinnern, blicken die Menschen am späten Samstagnachmittag ins Nichts. Die gleichen Gesichter hatten nur zwei Stunden zuvor noch Hoffnung und Zuversicht ausgestrahlt. Nun steht es fest: Der 1. FC Köln ist zum siebten Mal in der Bundesligageschichte abgestiegen. Der Club, der sich seiner großen Vergangenheit rühmt, hat einmal mehr seine zahllosen Anhänger von großer Hoffnung und Begeisterung hin zu großer Enttäuschung und Ernüchterung geführt.

In ganz Köln und NRW sind Menschen am Samstagmittag aufgebrochen, um noch einmal ihren Herzensverein in der ersten Bundesliga zu erleben. Die Hoffnung war da, dass es tatsächlich ein Wunder gibt und dass die Relegation – und somit der mögliche Klassenverbleib - noch erreicht werden kann. In der Südstadt, in Nippes, Ehrenfeld, an den Ringen oder am Heumarkt waren die Kneipen und Sportsbars bis auf den letzten Platz gefüllt. Und auch im Geißbockheim, dem Clubhaus des 1. FC Köln im Grüngürtel, sind alle 200 Plätze besetzt, als Schiedsrichter Tobias Welz um 15.30 Uhr in Heidenheim das letzte Saisonspiel des FC anpfeift.

Andreas Klein ist extra aus dem sauerländischen Attendorn angereist, gemeinsam mit Tochter Stephanie: „Wir fahren immer über eine Stunde hier nach Köln, zum FC gucken oder ins Stadion. Wir glauben noch fest dran“, betont Andreas. Nach rund einer Viertelstunde der erste Dämpfer: Ein abgefälschter Schuss sorgt für die Führung für Heidenheim. Dann geht es Schlag auf Schlag: Zwei weitere Heidenheimer Treffer sorgen für Totenstille im Clubhaus, manchen bleibt die Currywurst oder das Kölsch im Halse stecken.

Das ist ein Gefühl der Ohnmacht, der FC tut weh.
Nils Klein (41) aus Bedburg

„Das ist schlicht hilflos“, sagt Peter (77) aus Erftstadt. „Die spielen die ganze Saison schon so, wie kann das sein? Jedes zweite Spiel schießen die keine Tore, und wenn es drauf ankommt, leisten die sich hinten auch noch Böcke.“ Viele Geißbock-Fans zeigen kaum lautstarke Reaktionen, nur ungläubiges Entsetzen allerorten. „Kampf allein reicht nicht“, ärgert sich Peter. „Aber ich bin schon seit 40 Jahren beim FC tätig, da weiß man, dass es immer irgendwie weitergeht, notfalls in der zweiten Liga.“ Währenddessen trudelt das Spiel der Halbzeit entgegen, die einzigen Emotionen entladen sich in etwas Wut, als der FC mal wieder eine Chance vergibt.

In der Halbzeit treffen sich viele Anhänger auf der Terrasse des Geißbockheims zum Fachsimpleln. Dabei ist auffällig, dass die Trauer bereits der Enttäuschung und dem Sarkasmus gewichen ist. „Der FC ist halt spürbar anders als die anderen Vereine in der Bundesliga“, spielt Thomas Brandt auf den Werbeslogan des Vereins an. „Ich bin aus dem Bergischen angereist – da ist man ein Auf und Ab auf allen Wegen gewohnt. Aber wir haben den Weg nicht auf uns genommen, um zu verlieren“, sagt der 41-Jährige. Marc (49) aus Marxzell in Baden ist mit seiner Tochter extra angereist – er will die Hoffnung noch nicht aufgeben: „Ich habe von der Mannschaft mehr Disziplin und Koordination erwartet – das waren Fehler, die man höchstens in der Verbandsliga duldet. Aber wir geben jetzt noch nicht auf: Es gibt noch keine Resignation, es kann immer noch irgendwas Positives passieren.“

Und tatsächlich: Steffen Tigges macht in der 64. Minute den Anschlusstreffer, zudem trifft Freiburg in Berlin. Minimale Hoffnung für wenige Minuten, bis schließlich Heidenheim in der 78. Minute mit dem 4:1 den Deckel draufmacht. Auch Nachwuchsstar Justin Diehl hat sich mittlerweile an einem der Tische eingefunden, er kann und darf jedoch dem FC auch nicht mehr helfen.

Fünftgrößter Verein Deutschlands ist zweitklassig

Als der Schlusspfiff ertönt, wird aus einem Gefühl der Unwirklichkeit Realität. Mal wieder hat der FC, der mit über 132.000 Mitgliedern der fünftgrößte Fußballverein Deutschlands ist, die höchste Spielklasse des Landes verlassen, und seine Fans schauen hilflos zu. Ohnmacht und Verzweiflung sind um 17.30 Uhr spürbar, mancher verlässt das Geißbockheim fluchtartig. Diejenigen, die bleiben, fällen klare Urteile. „Das ist ein Gefühl der Ohnmacht, der FC tut weh“, erklärt Nils Klein (41) aus Bedburg. „Mein fünfjähriger Sohn interessiert sich jetzt schon mehr für Fortuna Düsseldorf, weil die öfter gewinnen. Das macht mir Sorgen.“ Und der gebürtige Nippeser Marco Grieco (43) bringt es auf den Punkt: „Dieser Abstieg tut besonders weh, weil er aufgrund der Transfersperre und vieler Fehler bei den Planungen im Vorfeld vollkommen unnötig erscheint. Wir hatten in den letzten Jahren gute Voraussetzungen und tolle Erfolge gefeiert. Aber jetzt habe ich das Gefühl, dass der Abstieg kein Ausrutscher sein wird, und wir eventuell länger brauchen werden, bis der FC wieder erstklassig spielt, wenn sich im Management und der Vereinsführung nichts ändert.“


Stimmen zum Abstieg

Luwig Sebus (98), Grandseigneur des Kölner Karnevals: „Der Abstieg war zu erwarten gewesen, dafür waren die Spiele oft zu schlecht. Aber einiges macht mich nach diesem Abstieg doch sehr traurig. Die Spieler wirken, als wenn sie auf dem Platz Angst hätten. Kleinere Vereine wie Heidenheim bekommen das mit deutlich weniger Geld besser hin, die treten ganz anders auf. Die Identifikation mit dem Verein habe ich vermisst. Die Spieler sind nicht bereit, sich zu zerreißen - so wie die Fans. Das Herzblut, das hat mir gefehlt.“

Wolfgang Niedecken, Frontmann von BAP: „Ich habe das Spiel allein zu Hause auf der Sofakante geguckt. Die Schuldfrage ist schwierig, aber man kann schon sagen, dass Christian Kellers Sparkurs gescheitert ist. Allerdings wurde er geholt, um die wirtschaftliche Situation zu konsolidieren. Leider konnte man deshalb keinen halbwegs adäquaten Ersatz für Jonas Hector, Ellyes Skhiri oder Anthony Modeste verpflichten. Dazu kam Mark Uths Verletzungspech, der naive Umgang mit dem CAS-Urteil, das noch bis '25 keine Spielerverpflichtungen zulässt und infolge des Abstiegs steht uns jetzt ein personeller Aderlass bevor, da die jetzigen Leistungsträger keine Verträge für die Zweite Liga haben.  Es muss eine klare und ehrliche Analyse des Sparkursgemacht werden und daraus die nötigen Konsequenzen gezogen werden. Ansonsten werden wir in die Dritte Liga durchgereicht. Ob ich weiter ins Stadion gehe? Wie ich schon in der dritten Version von „FC, jeff Jas“ gesungen habe: „Wer enn dä Südkurv opjewahße, dä blieht ruut-wieß bess enn't Jraav“.“

Oberbürgermeisterin Henriette Reker: „Der Abstieg unseres FCs tut mir für die Mannschaft und die Fans leid. Ich habe mit vielen Kölnerinnen und Kölnern bis zuletzt gehofft und die Spieler haben alles dafür gegeben, die Klasse zu halten. Ich wünsche allen, die für den FC brennen, dass der Verein schnell wieder in die erste Liga zurückkehren wird.“

Stadionsprecher Michael Trippel (69): „Es hätte ein großes Wunder hergemusst. In dieser Saison haben wir uns den Abstieg wirklich verdient, das kann man gar nicht anders sagen. Es waren ganz viele schlechte Leistungen dabei wie etwa gegen Darmstadt, wären die anders gelaufen, wäre die Ausgangsposition vor dem letzten Spiel besser gewesen. Von außen sieht das oft lustlos aus, aber ich maße mir nicht an, es zu bewerten. Es ist mein siebter Abstieg mit dem FC: Der erste 1998 war der schlimmste, aber es ging meist recht schnell wieder nach oben. Jetzt wird es mit der Transfersperre schwieriger. Ich gehe davon aus, dass wir nicht sofort wieder aufsteigen.“

Stadtdechant Robert Kleine: Der Abstieg des FC stimmt natürlich auch mich als Fan und Mitglied traurig. Im Mai 1964 wurde der 1. FC Köln erster Bundesliga-Meister. Genau 60 Jahre später muss der FC zum siebten Mal die 1. Bundesliga verlassen. Der FC hat in den vergangenen Jahrzehnten Höhen und Tiefen erlebt, Sternstunden und emotionale Tiefpunkte wie jetzt. Aber der Club hat sich nie aufgegeben, vor allem haben die Fans ihn nie aufgegeben. Auch in dieser wirklich verkorksten Saison haben die Fans bis zum Schluss gesungen: „Un mer jon met dir wenn et sin muß durch et Füer. Halde immer nur zo dir FC Kölle!“ Jetzt also wieder zurück in die 2. Liga. Nehmen wir es nach einer kurzen Zeit der Frustration und des Ärgers mit Kölscher Gelassenheit und Zuversicht: „Ov vür ov zoröck - neues Spell heiß neues Jlöck E Jeföhl dat verbingk - FC Kölle!“ Anfang August werden wir natürlich auch vor dem 1. Heimspiel des FC in der 2. Bundesliga unseren traditionellen Gottesdienst im Kölner Dom feiern. Denn „dat schönste wat m'r hann, schon sechsunsibbenzich Johr, is unser Effzeh denn he hällt m'r zesamme, ejaal wat och passet, in uns'rem Effzeh! Und dann heißt es für Spieler und Fans: „Neues Spell heiß neues Jlöck“

Nachtmodus
Rundschau abonnieren