Thomas Kessler (39) gehört zu den jüngsten Sportchefs in der Fußball-Bundesliga. Tobias Carspecken und Martin Sauerborn trafen den Ex-Torwart zum großen Rundschau-Interview.
FC-Sportdirektor Thomas Kessler„Der Trainer wird harte Entscheidungen treffen müssen“

Sportdirektor und Cheftrainer des 1. FC Köln: Lukas Kwasniok (r.) und Thomas Kessler.
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Thomas Kessler (39) hat das noch aus der Zeit von Jörg Schmadtke eingerichtete Büro des Sportchefs beim 1. FC Köln entmottet und neu gestaltet. Als Sportdirektor geht er auch so vor. Tobias Carspecken und Martin Sauerborn trafen „Kess“ zum Interview, dem er am Ende auch seine persönliche Note geben wollte.
Herr Kessler, Sie sind seit gut zwei Monaten Sportdirektor des 1. FC Köln. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Die Zeit war intensiv – angefangen mit den letzten Zweitligaspielen und dem Aufstieg. Danach ging es ohne Pause weiter: Erst die Entscheidung über meine Person und den neuen Trainer, dann sofort die Kaderplanung und die Vorbereitung auf die Bundesliga.
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Wie fühlt sich die neue Rolle an?
Natürlich ist die Verantwortung größer. Entscheidend ist aber, dass die Zusammenarbeit – sowohl im sportlichen Bereich mit Lukas Berg als auch mit der Geschäftsführung – sehr gut und vertrauensvoll funktioniert. Man spürt, dass alle bereit sind, für den gemeinsamen Erfolg an einem Strang zu ziehen.
Sie sind erst 39 und noch nicht lange im Amt. Auf welche Erfahrungen greifen Sie zurück?
39 ist im Job eines Sportdirektors noch jung – umso mehr hilft es, wenn man seit 25 Jahren im professionellen Fußball unterwegs ist. Es war schon immer meine Herangehensweise, jeden Tag dazuzulernen. Die vielen Jahre als Profi haben mir ermöglicht, wertvolle Eindrücke aus der Kabine mitzunehmen. Seit meinem Karriereende vor fünf Jahren habe ich zudem viele Bereiche im Verein intensiv kennengelernt, Verantwortung übernommen und mir bewusst Dinge abgeschaut. Diese Erfahrungen helfen mir jetzt, die Kaderplanung zu steuern. Nach dem 1. September können wir dann auch andere Themen mit voller Aufmerksamkeit angehen.
Sie haben einmal gesagt, dass es schon immer Ihr Ziel war, Sportchef eines Klubs zu werden. Woher kommt dieser Wunsch?
Mich hat schon als Spieler fasziniert, wie Vereine Entscheidungen treffen – gerade in besonderen Situationen. Was macht der Geschäftsführer Sport? Wie reagiert er? Als zweiter Torwart war ich natürlich Teil einer Mannschaft, habe aber aus meiner Persönlichkeit heraus darüber hinaus immer gerne Verantwortung übernommen. Ich habe viel mit Mitspielern gesprochen, sie unterstützt und parallel Sportmanagement studiert, um die Hintergründe besser zu verstehen. Über das Traineeprogramm beim FC sowie die Teilnahme am MIP (Management im Profifußball) von DFL und DFB habe ich mich Schritt für Schritt auf diese Aufgabe vorbereitet.
Sie sind also ein Mann, der seine Ziele erreicht. Wie lautet Ihr nächstes Ziel?
Wir wollen den FC so aufstellen, dass wir uns dauerhaft in der Bundesliga etablieren.
Was bedeutet Ihnen als gebürtiger Kölner dieser Job?
Es ist ein Privileg. 1999 stand ich zum ersten Mal mit leuchtenden Augen beim Probetraining am Geißbockheim. Seit 25 Jahren bin ich Teil dieses Klubs – das erfüllt mich mit Freude, aber auch mit Demut.
Im Netz ist gerade ein kleiner Hype entstanden über den Transfers „kochenden Kess“.
Fußball ist auch Unterhaltung. Ich brauche das nicht, kann aber darüber schmunzeln.
Kochen Sie denn zu Hause gerne?
In der Küche bin ich wenig talentiert. Da wären meine Kinder in der Bewertung sicher gnadenloser als jeder Transferexperte im deutschen Fußball. Dieses Feld überlasse ich mit großem Vertrauen meiner Frau.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Kaderplanung zufrieden? Schmeckt das Gericht 1. FC Köln?
Ich bin zufrieden mit dem, was wir bislang umsetzen konnten – gerade auch vor dem Hintergrund, dass wir einen größeren Umbruch zu bewältigen hatten. Wir sehen im täglichen Training eine positive Entwicklung und eine gute Dynamik in der Mannschaft. Am Ende zählen aber nicht die Transfers, sondern die Leistungen über 34 Spieltage. Echte Zufriedenheit stellt sich bei mir erst ein, wenn wir am Ende der Saison unsere Ziele erreicht haben.
Was war für Sie bei der Kaderplanung wichtig?
Nach der Transfersperre ging es darum, neue Impulse zu setzen, die Qualität zu erhöhen und den Konkurrenzkampf neu zu entfachen. Jeder muss um seinen Platz kämpfen – das steigert automatisch unser Ambitionslevel. Unser Motto ist klar: Machen wir unseren Job, werden wir wettbewerbsfähig sein. Holen wir nicht das Maximum aus unseren Möglichkeiten heraus, werden wir gegen den Abstieg spielen. Das muss jedem hier von der ersten Minute der neuen Saison an bewusst sein.
Wie findet man Spieler, die diese Einstellung mit Leben füllen?
Scouting ist der erste Schritt. Danach geht es darum, den Menschen hinter dem Spieler wirklich kennenzulernen. Je intensiver wir uns mit einem Spieler auseinandersetzen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu finden, der die richtige Mentalität für diesen Standort mitbringt. Köln ist speziell – nach drei Niederlagen wird es unruhig, nach drei Siegen träumen viele von Europa. Ob ein Spieler hier wirklich hin passt und die nötige mentale Stärke mitbringt, wird sich im Laufe einer Saison endgültig zeigen.
Die Mannschaft braucht eine neue Führungsstruktur. Wie ist der Ansatz?
Bei so vielen neuen Spielern wird sich die Führungsstruktur im Laufe der Saison ganz natürlich herauskristallisieren. Die Entscheidung, Marvin Schwäbe zum Kapitän zu machen und Ron-Robert Zieler als Nummer zwei dahinter zu haben, ist in dieser Kombination sicherlich außergewöhnlich – aber aus meiner Sicht sehr gut. Wir haben hier zwei unterschiedliche Charaktere, die beide über große Erfahrung verfügen, ein wichtiges Wort in der Kabine haben und sich zu 100 Prozent mit der Aufgabe beim 1. FC Köln identifizieren. Deshalb habe ich großes Vertrauen, dass beide auf und neben dem Platz vorangehen und als Führungspersönlichkeiten den richtigen Ton setzen werden.
Eric Martel ist ein wichtiger Anker in puncto Führungsstruktur. Sein Vertrag läuft am Ende der Saison aus. Verlängert er?
Eric ist ein wichtiger Spieler, der in seinem jungen Alter sowohl auf als auch neben dem Platz eine bedeutende Rolle übernehmen kann – genau diese Erwartungshaltung haben wir an ihn. Mein Wunsch ist, dass wir gemeinsam erfolgreich sind und auch über den Sommer hinaus weiter zusammenarbeiten.
Ihr setzt bei Jakub Kaminski, Tom Krauß, Kristoffer Lund und Cenk Özkacara auf das Modell Leihe mit Kaufoption. Was macht dieses Modell so interessant?
Weil es finanziell entlastet und uns Zeit gibt, den Spieler in Ruhe zu bewerten. Nächsten Sommer können wir mit einer besseren Entscheidungsgrundlage handeln.
Zehn Spieler sind neu, was tut sich auf der Abgangsseite?
Das wird die Zeit bis zum 1. September zeigen. Wir spielen jetzt im Pokal und dann zweimal in der Bundesliga. Da wird der eine oder andere merken, dass seine Chancen auf Einsatzzeiten nicht so sind, wie er sich das vorstellt und möglicherweise mit dem Wunsch, sich zu verändern, auf uns zukommen. Am Ende geht es um Qualität und da muss sich jeder durchsetzen. Der Trainer wird harte Entscheidungen treffen müssen. Ihm ist klar, dass die Qualität im Kader hoch ist und es einen enormen Konkurrenzkampf gibt. Das wird für ihn auch ein Entwicklungsschritt, denn die Bundesliga ist für Lukas ein neues Terrain, auf dem er sich bewegt.

„“Der kochende Kess: neuzugang Sebastian Sebulonsen (r.) unterschreibt neben dem FC-Sportdirektor Thomas Kessler seinen Vertrag.
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Wie läuft die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Lukas Kwasniok?
Wir reden sehr offen miteinander und tauschen uns täglich aus. Ich würde sagen, wir lernen uns gerade immer besser kennen. Das ist ein stetiger Prozess. Jeder Tag, den wir länger miteinander zusammenarbeiten, bringt uns dabei voran.
Habt Ihr Lukas Kwasniok als neuen Trainer auch deshalb gewählt, um die Emotionen des FC wieder besser transportieren zu können?
Ich möchte es gar nicht auf die Emotionen beschränken, sondern auf ihn als gesamten Typ. Lukas besitzt eine hohe Expertise im fußballerischen Bereich, ist aber auch ein sehr offener Typ, der positiv nach außen wirkt, aber auch offen in die Mannschaft hinein kommuniziert. Das war mir wichtig. Und am Ende ist doch auch klar, dass wir an so einem Standort wie Köln jemanden brauchen, der in der Lage ist, dieses Umfeld über die gesamte Saison hinweg zu händeln. Das trauen wir ihm zu. Ich wünsche mir, dass Lukas mindestens die drei Jahre seines Vertrages hier Trainer ist.
Bei den Neuzugängen sticht Said El Mala etwas hervor. Welche Rolle ist ihm in seiner ersten Bundesliga-Saison zutrauen?
Wir wollen, dass Said seine Unbekümmertheit so lange wie möglich behält. Er hat großes Potenzial und bringt Qualitäten mit, die unser Spiel bereichern können. Wichtig ist, dass er eine klare Rolle im Team findet und sich Schritt für Schritt weiterentwickelt. Fehler gehören dabei ganz selbstverständlich zu seinem Lernprozess und sind Teil dieser Entwicklung.
Wie haben Sie ihn in den ersten Wochen wahrgenommen? Gerade vor dem Hintergrund der Millionen-Angebote aus England.
Es ist eine neue Situation für ihn, dass er so im Fokus steht. Aber er hat seinen Bruder Malek hier, mit dem er sehr eng verbunden ist und er hat er ein bodenständiges, familiäres Umfeld. Seine Mama würde ihm etwas hinter die Löffel geben, wenn er die Bodenhaftung verliert.
Wie haben Sie das Angebot aus Brighton einsortiert?
Wir haben keine Sekunde darüber nachgedacht habe, Said abzugeben. Es geht doch jetzt erst los für ihn. Ich freue mich, dass er hier ist und wir mit ihm und seinem Bruder arbeiten können.
Ihr Vorgänger Christian Keller hat prognostiziert, dass Said El Mala der teuerste Transfer des FC aller Zeiten werden kann. Wie haben Sie diese Aussage aufgenommen?
Die Aussage hat mir persönlich nicht gefallen. Gerade in Köln ist es wichtig, Erwartungen realistisch einzuordnen. Said hat unbestritten ein hohes Potenzial, aber er hat auch noch einige Schritte zu gehen, um in der Bundesliga richtig anzukommen. Er spielt beim FC, wir wollen ihn entwickeln und gemeinsam erfolgreich sein. Dass im Profi-Fußball über große Transfersummen diskutiert wird, gehört dazu – es hilft ihm aber nicht, diese Diskussion zusätzlich zu befeuern.
Der FC hat die Verträge mit den El Malas verlängert. Ist das auch ein Fingerzeig für den künftigen Umgang mit Talenten aus dem eigenen Nachwuchs?
Wer beim 1.FC Köln Leistung bringt, kann auch gutes Geld verdienen. Die beiden Jungs haben ihre Verträge unterschrieben, als sie unbekannter waren und ihre Qualität noch nicht wie in der letzten Saison unter Beweis gestellt haben. Wir wollten zu Saisonbeginn ein Zeichen setzen, dass wir mit ihrer Entwicklung zufrieden sind und weiter mit ihnen nach vorne gehen möchten.
Welche Strategie verfolgen Sie im Umgang mit Talenten? Seit dem Fall Florian Wirtz ist das ein großes Thema beim 1. FC Köln.
Wir haben mit Lukas Berg als technischen Direktor und Markus Halfmann als Akademieleiter zwei Verantwortliche aus den eigenen Reihen. Sie kennen unsere Talente seit Jahren sehr gut. Mit Sascha Bigalke ist vor einem Jahr jemand dazugekommen, der ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Spielern hat, die im Übergangsbereich sind. Wir können nicht jedes Rattenrennen mitgehen und junge Talente mit großen Signing-Fees bewerfen. Wir wollen damit überzeugen, dass wir der 1. FC Köln sind, mit der Akademie gute Bedingungen bieten und ein neues NLZ planen. Und die Spieler haben die realistische Chance, Profi beim 1. FC Köln zu werden. Wir werden immer Plätze im Kader haben, auf denen sich unsere Talente entwickeln können. Junge Spieler müssen diesen Weg mitgehen möchten. Wir werden bereit sein, in Spieler zu investieren, von denen wir absolut überzeugt sind. Aber wir werden nicht einfach so früh und zu schnell Geld in die Hand nehmen, wie es der ein oder andere Mitbewerber ganz in der Nähe macht.
Das Pokalspiel in Regensburg steht unmittelbar bevor. Der FC geht als klarer Favorit in das Spiel. Was erwarten Sie?
Die erste Pokalrunde ist aus der Historie heraus immer ein Stolperstein für Bundesligisten, weil es der erste Pflichtspielauftritt ist und keiner so richtig weiß, wo er steht. Man kommt aus der Vorbereitung und trifft auf eine Mannschaft, die voll im Saft steht. Regensburg hat schon zwei Pflichtspiele absolviert. Das genau macht den Reiz und den Charme aus. Wir sind als Bundesligist der Favorit, aber man kann nicht wegdiskutieren, dass die Mannschaft, die schon zweimal gespielt hat, einen leichten Vorteil hat, weil sie schon Rhythmus hat.
In Regensburg hat der FC im Pokal schon zweimal schlechte Erfahrungen gemacht…
Regensburg ist für uns gefühlt ein Heimspiel im Pokal, so oft wie wir da schon ranmussten. Wir wollen im Pokal weit kommen, müssen also am Sonntag an unsere Leistungsgrenze kommen. Es ist die Möglichkeit, neben der Bundesliga für weitere Highlight-Spiele zu sorgen. Der DFB-Pokal ist ein toller Wettbewerb.