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In Türkei festgehaltenKölner starten Solidaritätsaktion für ihre Nachbarin

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Sohn Meran Akbayir bei einer Solidaritätsveranstaltung der Nachbarschft für seine Mutter Hamide Akbayir. Sie darf die Türkei nicht verlassen.

Köln/Istanbul – Der Duft von Glühwein liegt in der Luft, auf einem Tisch stehen selbstgebackene Plätzchen bereit und es erklingen weihnachtliche Töne. Was nach einer Szene auf einem Weihnachtsmarkt klingt, hatte am Samstag in der Lindelaufstraße in Höhenhaus einen ernsten Hintergrund. Die Nachbarschaft hat sich dort zusammengefunden, um Aufmerksamkeit auf Hamide Akbayir zu lenken.

Die frühere Landtagsabgeordnete der Linken darf seit über 100 Tagen nicht aus der Türkei ausreisen. „Wenn in der Lindelaufstraße was passiert, ist jeder für jeden da. Das gefällt mir hier“, sagt die Nachbarin Ute Zablotny.

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Akbayir ist Kurdin alevitischen Glaubens und lebt seit 1972 in Nordrhein-Westfalen. Die 62-jährige arbeitet am Institut für Biochemie der Universität zu Köln und war ein Jahr lang Co-Vorsitzende der Föderation der kurdischen Vereine in Deutschland. „Eigentlich wollte meine Mutter im Juni nur zum Familienbesuch in die Türkei, aber dann wurde ihr die Ausreise verweigert“, sagt ihr Sohn Merdan Akbayir.

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Ihr wird die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation und Propaganda vorgeworfen. Jetzt muss sie sich zwei Mal in der Woche bei der Polizei melden und auf ihren Prozess warten. „Dafür gibt es noch keinen Termin, deswegen ist sie gerade schon eine Art Gefangene, und das wegen ihrer politischen Meinung. Das geht einfach nicht“, sagt Merdan Akbayir. Das sieht auch der Kölner Stadtrat so; er verabschiedete eine Resolution für die Aufhebung der Ausreisesperre von Akbayir.

„Tragt zu Hamide ein Licht, sagt zu ihr: Fürchte dich nicht! Gott hat euch lieb, Groß und Klein seht auf des Lichtes Schein“, singen die Nachbarn zusammen mit Pfarrer Wolfgang Jacobs, während Hamide Akbayir per Videotelefonat live zugeschaltet ist. „Das ist zwar an ein christliches Adventslied angelehnt, aber wir haben ja alle einen Gott“, sagt Jacobs zu Hamide Akbayir, die von der Solidarität ihrer Nachbarn gerührt ist. Auch ihr Sohn ist dankbar: „Die Nachbarn geben mir und meiner Mutter viel Kraft und Licht in dieser schwierigen Zeit. Es fühlt sich wunderschön an, in dieser Situation nicht alleine zu sein.“

Seit Beginn der Corona-Pandemie traf sich die Nachbarschaft regelmäßig zum Singen, auch Hamide Akbayir war immer dabei. „Das hat uns in dieser schwierigen Zeit zusammengeschweißt. In der schwierigen Situation für Hamide singen wir jetzt für sie“, sagt die Nachbarin Frauke Bosbach. „Wir haben alle Angst, was passiert, wenn sie verurteilt wird und vielleicht in das Gefängnis muss. Ich hoffe, dass unsere Solidarität Hamide aufrichten kann und ihr Kraft gibt.“ Ute Zablotny erinnert sich an Hamide Akbayir als immer freundlich und offen. „Einmal stand ich vor ihrem Haus und wollte sie nur etwas zu ihren Blumen fragen. Sie hat mich t eingeladen und mir Tee angeboten.“

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Bei der Aktion der Nachbarn wird es allerdings nicht bleiben. Nächste Woche trifft der Grüne Bundestagsabgeordnete Max Lucks Hamide Akbayir in Istanbul. Außerdem will Merdan Akbayir im Januar zusammen mit Charlotte Meyer-Gerards, einer Kollegin von Hamide Akbayir an der Universität, eine Petition zur sofortigen Aufhebung der Ausreisesperre beim Auswärtigen Amt in Berlin einreichen.

„Niemand weiß, wann Hamide endlich wieder zurückkommen kann, aber wir werden sie auf keinen Fall vergessen“, sagt Frauke Bosbach.

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