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„Immer tödlichere Wege“Kölner Flüchtlingsrat kritisiert geplante EU-Asylregeln

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Tunesien, Sfax: Ein kleines Boot mit Migranten im Mittelmeer, nachdem es von der tunesischen Küstenwache abgefangen und an die Küste der südtunesischen Stadt Sfax zurückgebracht wurde.

Tunesien, Sfax: Ein kleines Boot mit Migranten im Mittelmeer, nachdem es von der tunesischen Küstenwache abgefangen und an die Küste der südtunesischen Stadt Sfax zurückgebracht wurde. 

Der Kölner Flüchtlingsrat und der runde Tisch für Integration üben massive Kritik an der geplanten EU-Regelung zum Asyl – „Köln muss sich dagegen stellen“ lautet die Forderung.

„Es werden nicht weniger Menschen kommen. Sie werden nur immer tödlichere Wege in Kauf nehmen und in die Illegalität getrieben“, ist sich Wolfgang Uellenberg van Dawen, Sprecher des Kölner Runden Tisches für Integration, sicher. Der Grund: An den EU-Außengrenzen sollen Lager für Geflüchtete entstehen; dort wird entschieden, ob ihnen die Einreise in Länder der Europäischen Union (EU)     gestattet wird, um dort Asyl zu beantragen. Oder ob nicht.

„Das ist verheerend. Und unbegreiflich. Was verharmlosend als Asylkompromiss verhandelt wird, verstößt gegen unsere Bundesgesetze und ist ein Bruch der Genfer Flüchtlingskonvention, die ein rechtsstaatliches Asylverfahren in einem EU-Land garantiert“,   sagt Claus-Ulrich Prölß, Geschäftsführer des Kölner Flüchtlingsrates. Und es könne das Ende des Kirchenasyls auch bedeuten (s. Infotext).

Die Regelung sieht vor, an den EU-Grenzen Lager zu errichten. Hier sollen Menschen aus Ländern mit einer Asyl-Anerkennungsquote von unter 20 Prozent ausharren. Und auch Menschen, die ohne Identitätspapiere auf der Flucht sind. Solange, bis entschieden wird,   ob sie in die EU dürfen. „In diesen umzäunten Lagern sollen auch Kinder, Schwangere und Kranke leben“, kritisiert Prölß. „Damit verlagern wir die Entscheidung über das Grundrecht auf Asyl in exterritoriales Gebiet an den Außengrenzen.“ Wie die Entscheidungsfindung dort ablaufe, sei nicht zu kontrollieren,   Lager wie das auf der griechischen Insel Lesbos würden entstehen. Für 2800 Menschen war das umzäunten Terrain ausgelegt, 20.000 Männer, Frauen und Kinder hatten dort zeitweise gelebt.

Viele Geflüchtete hätten Angst vor diesen Lagern und der Rückführung in Durchgangsländer, in denen sie massive Bedrohungen erfahren hätten. „Immer mehr Länder werden derzeit als ‚sichere Drittländer‘ anerkannt, in die abgeschoben werden darf. Auch wenn sie gar nicht sicher sind“, so van Dawen. Deshalb würden immer mehr Menschen illegale Wege in die EU suchen. Traumatische Erfahrungen hätten auch ein   Vater und seine 17-jährige Tochter gemacht, die in der Nathanaelkirche Asyl bekommen hatten. „Sie waren über Belarus geflohen, haben in Wäldern übernachtet“, sagt Gemeindepfarrerin Reinhild Widdig. „In Polen wurden sie sofort inhaftiert, die Tochter von Vater getrennt. In Deutschland angekommen, hatten sie panische Angst, wieder nach Polen zurück zu müssen.“ Zwei schwangere Frauen hatten in ihrer Kirche ebenso Schutz gefunden wie Menschen aus Syrien; aktuell leben zwei jesidische Männer dort.   „Jeder unserer   25 Geflüchteten wurde am Ende anerkannt“, sagt Widdig. Und: „Menschen, die wir in Kirchen unterbringen, gehen nicht in die Illegalität.“

Die geplante Regelung zum Asylrecht sei eine Verordnung, so van Dawen. „Geflüchtete können dagegen nur am Europäischen Gerichtshof Einspruch erheben, was völlig unrealistisch ist.“ Und auch individuelle Ermessensentscheidungen deutscher Fachämter gebe es dann nicht mehr. Deshalb appellieren Prölß, Uellenberg van Dawen und Widdig: „Köln, die Politik und unsere  Oberbürgermeisterin müssen sich dagegen stellen und auf den Deutschen Städtetag Einfluss nehmen: Diese Verordnung darf nicht kommen!“


Kirchenasyl ist gefährdet

Aufgenommen ins Kirchenasyl werden Geflüchtete, denen unmittelbar eine   Abschiebung und im Zielland massive Gefahren drohen. Das gilt auch, wenn sie über europäische Länder eingereist sind, die damit für ihr Asylverfahren zuständig sind – auch in europäischen Ländern   würden Geflüchtete menschenrechtswidrig behandelt, so die Initiative „Asyl in der Kirche“. Bislang fällt die Zuständigkeit für das Asylverfahren nach einem halben Jahr im Kirchenasyl automatisch an Deutschland.

Kaum noch wirken kann das Kirchenasyl, wenn diese „Rückführungsfrist“ wie jetzt geplant erst nach zwei Jahren abläuft. Dann ist ein Platz auch solange besetzt, die Kirchen können nur noch sehr wenigen Menschen Schutz gewähren.

1783 Menschen fanden 2022 bundesweit Schutz im Kirchenasyl, darunter waren 385 Kinder. Beendet haben ihr Kirchenasyl im gleichen Jahr 1261 Menschen; 1253 von Ihnen erhielten mindestens eine Duldung, zumeist aber eine Anerkennung ihres Asylgesuchs. Über die Hälfte der Menschen im Kirchenasyl kamen aus Afghanistan und Syrien (zusammen 984). In NRW fanden 421 Geflüchtete   Schutz unter einem Kirchendach. (bos)