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Infografik

Köln
Immer mehr Menschen beantragen einen kleinen Waffenschein

4 min

Auch zunehmendes Unsicherheitsgefühl führt zu vermehrten Anträgen zum kleinen Waffenschein.

Die Zahl der kleinen Waffenscheine steigt, obwohl es strenge Regeln für deren Nutzung gibt.

Ein Überfall auf einen Posttransporter und eine Messerattacke im Bus:  Anke Bergmann (Name geändert) fühlt sich nach diesen zwei Vorfällen in ihrer nächsten Umgebung nicht mehr sicher. „Ich hatte ein allgemein zunehmendes Unsicherheitsgefühl“, sagt die 53-Jährige. „Dann habe ich angefangen, mich damit zu beschäftigen, wie ich mich im Notfall verteidigen könnte.“ 

Anke Bergmann beantragt einen kleinen Waffenschein. Damit ist sie eine von ist eine von fast 900.000 Deutschen, die dieses Dokument besitzen. Die Zahl der kleinen Waffenscheine ist seit einigen Jahren kontinuierlich gestiegen. Auch die Polizei Köln erreichen nach eigener Aussage zahlreiche entsprechende Anträge, aktuell haben rund 14.350 Menschen in Köln und Leverkusen einen kleinen Waffenschein (siehe Infografik).

Unterwegs mit Gas-, Schreckschuss- oder Signalwaffe

Anke Bergmann füllt online den Antrag der Polizei aus, nach ein paar Wochen bekommt sie das Dokument. „Ich war überrascht, wie einfach das ging“, so die 53-Jährige. Der kleine Waffenschein berechtigt sie nun zum Führen von Gas-, Schreckschuss- oder Signalwaffen außerhalb der eigenen Wohnung. Auch Reizgas, sogenanntes „Pfefferspray“, gehört dazu. Wichtig ist: Die Waffen müssen das PTB-Zeichen tragen, das Zulassungszeichen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt. Voraussetzung für den kleinen Waffenschein ist, dass man mindestens 18 Jahre alt ist und „zum Führen einer Waffe geeignet“ ist, also etwa nicht psychisch krank, Mitglied einer verfassungsfeindlichen Gruppierung oder vorbestraft. „Dazu werden umfangreiche Auskünfte aus dem Bundeszentralregister, dem Staatsanwaltschaftlichen Verzeichnis sowie aus anderen polizeilichen Systemen herangezogen“, schreibt die Polizei NRW.

Inhaber von Waffenscheinen in Köln und Leverkusen

Für die Beantragung eines Kleinen Waffenscheins entsteht eine Verwaltungsgebühr von derzeit 90 Euro. 150 Euro kostet der Schreckschuss-Revolver, den Anke Bergmann sich in einem Waffengeschäft kauft. Wenn sie abends oder nachts mit ihrem Hund spazieren geht, nimmt sie das Spray mit dem Reizgas mit, das sie sich im Internet bestellt hat. „Das ist vom Handling viel einfacher als der Revolver“, glaubt die 53-Jährige. „Für den bräuchte ich wohl erst ein Schießtraining.“ Wenn sie in ihrem Job in Köln im Außendienst unterwegs ist, hat sie es im Auto. Das solle vor allem der Abschreckung dienen.

Kein Recht auf Waffenbesitz in Deutschland

Die Frage, ob die Nachfrage bei ihnen gestiegen sei, wollte ein Kölner Waffengeschäft nicht beantworten. Dort kann auch Munition gekauft werden, etwa Platzpatronen. Das Schießen - außerhalb des eigenen Grundstückes - ist jedoch nur in Fällen von Notwehr erlaubt. Auch bei Demos, Versammlungen, Sportereignissen, Theater-, Kino- oder Konzertbesuchen, sowie in Waffenverbotszonen seien PTB-Waffen grundsätzlich verboten, teilt die Polizei mit. „Entgegen weitläufiger Meinung ist es ebenso verboten, damit an Silvester und Neujahr zu schießen“, so die Behörde.

Waffen, die nicht das PTB-Zeichen haben, sind scharfe Waffen, für deren Besitz man eine Waffenbesitzkarte braucht. Diese ist schwerer zu bekommen, unter anderem wird die persönliche Eignung eingehend geprüft und ein Lehrgang ist erforderlich. Da es in Deutschland kein Recht auf Waffenbesitz gibt, wie etwa in den USA, muss eine Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Das kann unter anderem die Jagdausübung, das Sportschießen oder das kulturhistorische Sammeln von Waffen sein. Für das Führen einer Waffe außerhalb der Wohnung braucht man außerdem einen Waffenschein. In Deutschland sind knapp fünf Millionen Waffen registriert. Dem gegenüber steht eine hohe Dunkelziffer illegaler Waffen, die Gewerkschaft der Polizei schätzt sie auf rund 20 Millionen.

Ungeübte Waffenträger können sich in extremen Stresssituationen selbst gefährden oder Unbeteiligte verletzen, aus nächster Distanz können sie sogar lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen.
Polizei NRW

Ob ihr das Reizgas im Notfall helfen würde, weiß Anke Bergmann nicht. Sie weiß, dass Windrichtung und Windstärke bei der Benutzung eine große Rolle spielen. „Macht man es nachher falsch, hat man selbst den Schaden“, so die 53-Jährige. Auch die Polizei NWR warnt vor Gefahren, die PTB-Waffen mitbringen können. Da sie meistens wie scharfe Waffen aussehen, seien sie häufig nicht von diesen zu unterscheiden. Dadurch könne es unter Umständen zu einem unkontrollierten Handeln bei Außenstehenden kommen. „Der Träger ist sich dessen oft nicht bewusst“, teilt die Behörde mit. „Ungeübte Waffenträger können sich in extremen Stresssituationen selbst gefährden oder Unbeteiligte verletzen, aus nächster Distanz können sie sogar lebensgefährliche Verletzungen hervorrufen.“

Wer für Notsituationen vorsorgen wolle, könne alternativ besser auf einen sogenannte Schrillalarm zurückgreifen. „Damit können Sie weiträumig auf sich aufmerksam machen und Angreifer abschrecken oder in die Flucht schlagen“, so die Polizei über die Vorteile eines Alarms, für den keine Genehmigung nötig ist. Vorteile sieht sie auch bei der Teilnahme an Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskursen.