Seniorenberater von Zu Huss haben Weihnachtspäckchen der Altenhilfe überbracht und dabei viele rührende Geschichten gehört. Hier ist eine von ihnen.
Unterwegs mit Zu HussEin Lichtblick zu Weihnachten

Dietmar Saxler und Erika Fehring von "Zu Huss e.V." überbringen mit Fahrrädern der Rundschau-Altenhilfe ein Altenhilfe-Paket.
Copyright: Sabrina Steiger
„Das größte Glück ist die Summe kleiner Freuden“ steht in großen Lettern an der Wand im Wohnzimmer von Frau R.. Das könnte durchaus ein Lebensmotto der 75-jährigen sein. „Nicht klagen, sondern auf das Gute schauen“, ein anderes. „Ich bin so überrascht“, sagt sie, als sie an diesem Vormittag das Weihnachtspaket der Rundschau-Altenhilfe bekommt. „Anderen geht es doch viel schlechter als mir.“
Es ist schon das dritte Paket, das Erika Fehring und Dietmar Saxler heute in Köln-Mülheim überbringen. Die Seniorenberater des Vereins Zu Huss e.V., der auch Pflege und hauswirtschaftliche Hilfe anbietet, sind dabei mit Fahrrädern unterwegs, die DIE GUTE TAT e.V. gespendet hat - so wie alle Mitarbeitenden von Zu Huss. Erst waren sie bei einer 66-Jährigen, der vor Rührung die Tränen kamen: „Ich bekomme doch sonst überhaupt kein Geschenk.“ In die Zeitung möchte sie aber nicht. Dann ging es weiter zu Essoham Benedicta Wittkamp-Palanga. Die 70-jährige Witwe, die in Togo geboren wurde, nimmt das Weihnachtspaket an einem Kiosk entgegen. Sie lässt sich gerne damit fotografieren und sagt: „Ich möchte mich wirklich bedanken für das Paket. Ich bin total froh.“

Frau Wittkamp-Palanga freut sich über das Altenhilfe-Paket.
Copyright: Dietmar Saxler, Zu Huss
Und jetzt also Frau R.. Die möchte auch nicht ihren Namen in der Zeitung veröffentlichen, aber ihre Geschichte erzählt sie gerne. Und die hat es in sich. 2018 war es, „da bin ich hier zu Hause von der Leiter gefallen“. Eine komplizierte Verletzung, elf Mal insgesamt war das Schienbein gebrochen. Sie wurde mehrmals operiert, Platten und Stifte eingesetzt, schließlich brauchte sie ein neues Knie. Bis heute läuft sie draußen nur mit Rollator.
Aber das war nicht alles. „Ein Jahr später hat mich ein Schäferhund ins Bein gebissen.“ Und zwar in das verletzte. Frau R. stieg aus der Straßenbahn aus, als der Hund sie anfiel. „Ich kann es mir nur so erklären, dass der Hund dort meine Schwachstelle gespürt hat.“ Frau R. schaffte es auf den Bahnsteig, Passanten hielten die flüchtende Halterin des Tieres auf. Erst in der Krankenhaus-Ambulanz „habe ich den Schmerz gespürt“.
Und auch damit war es noch nicht genug. „Drei Tage später bin ich auf dem Weg von der Nachuntersuchung überfallen worden.“ Sie hatte damals zur Unterstützung einen Rollstuhl, den sie aber wie einen Rollator vor sich herschob. Auf dem Weg hinunter zur U-Bahn-Haltestelle blieb die Rolltreppe plötzlich stehen: „Ich kam nicht vor und nicht zurück.“ Auf der Gegenseite lief ihr ein junger Mann entgegen: „Warten Sie, ich helfe Ihnen!“
Was sie jetzt weiß: „Der wollte mir nicht helfen, der wollte meine Handtasche.“ Er drückte ihr brutal den Kopf nach unten, während er zur Tasche griff. Frau R. hielt sich mit aller Kraft am Laufband fest, „weil ich wusste, wenn ich hier jetzt hinunter stürze, ist es aus“. Sie blieb auf den Beinen, doch die Tasche mit Geld, Handy und allen Ausweisen war weg. Die von Passanten herbeigerufene Polizei zuckte nur mit den Schultern. Sie nahm zwar die Anzeige auf, machte ihr aber keine Hoffnungen, ihre Sachen wieder zu bekommen. Und ließ sie dann einfach stehen.
Das begreift die Rentnerin bis heute nicht. „Ich wusste doch überhaupt nicht, wie ich nach Hause kommen sollte.“ Kein Geld, kein Telefon, gar nichts. Ein „sehr nettes junges Paar“ habe ihr die Treppe hinunter auf den Bahnsteig geholfen. „Und von dort“, gesteht sie kleinlaut, „bin ich schwarz gefahren.“
In dieser Zeit ging es Frau R. nicht gut. „Da sind Sie dann zu mir in die Beratung gekommen“, erinnert sich Erika Fehring. Sie konnte der Rentnerin, die Grundsicherung bezieht, bei bürokratischen Angelegenheiten helfen, ihr wertvolle Tipps geben und ihr nach und nach wieder Mut machen.
Heute findet Frau R. wieder, dass sie es besser als andere hat. Vor allem, weil sie nicht allein ist. Sie hat einen Sohn, der fast täglich vorbei kommt, zwei fast erwachsene Enkeltöchter und sechs Schwestern, mit denen sie Weihnachten feiert. Neulich musste sie wieder zur Kontrolle ihrer Brüche in die Bonner Uniklinik. Und, so erklärt sie ihren Besuchern an diesem Vormittag im Dezember, „wenn Sie da sehen, wie viel Leid es gibt, da geht es mir doch wirklich gut“. Und anderen viel schlechter.
Das mag sein. Aber heißt ja nichts. Verdient hat sie das Paket auf jeden Fall.
