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Oberarzt im GesprächBringt die asiatische Tigermücke Tropenkrankheiten nach Köln?

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Dr. Jakob Schröder ist leitender Oberarzt in der Reise- und Tropenmedizin im Cellitinnen-Krankenhauses St. Marien. Er verfolgt seit Jahren die Verbreitung der asiatischen Tigermücke in Europa.

Dr. Jakob Schröder ist leitender Oberarzt in der Reise- und Tropenmedizin im Cellitinnen-Krankenhauses St. Marien. Er verfolgt seit Jahren die Verbreitung der asiatischen Tigermücke in Europa. 

Dr. Jakob Schröder erklärt, wie hoch das Risiko, für Kölnerinnen und Kölner ist, sich mit einem Stich mit Krankheiten wie Dengue-Fieber anzustecken. 

Der Süden Europas ist „knallrot“. Der Kölner Infektiologe Dr. Jakob Schröder sitzt in einem Behandlungszimmer des Cellitinnen-Krankenhauses St. Marien und zeigt auf einen Computerbildschirm. Darauf ist eine Karte zu sehen, die das Verbreitungsgebiet eines Insekts zeigt, das aktuell regelmäßig für Aufregung und Schlagzeilen sorgt: die asiatische Tigermücke.

„Tigermücken sind in Europa jahrelang etabliert“, sagt Schröder. „Auch in großen Teilen von Baden-Württemberg und Bayern kommt sie mittlerweile dauerhaft vor. Und die roten Flecken auf der Karte wandern immer weiter nach Norden. Da gibt es auch in NRW vereinzelte Funde.“

Der Aufruhr darüber ist nicht ganz unbegründet: „Die Mücke an sich ist kein Problem. Sie wird jedoch zu einem, wenn sie jemanden sticht, der eine tropische Erkrankung in sich trägt und sie dann beim nächsten Stich weitergibt.“

Die asiatische Tigermücke zeichnet sich durch ein schwarz-weißes Muster aus. Zudem ist sie kleiner als heimische Mücke und sticht hauptsächlich tagsüber.

Die asiatische Tigermücke zeichnet sich durch ein schwarz-weißes Muster aus. Zudem ist sie kleiner als heimische Mücke und sticht hauptsächlich tagsüber.

Dort, wo die asiatische Tigermücke heimisch ist, ist sie unter anderem für die Übertragung der Infektionskrankheiten Gelbfieber, Dengue-Fieber, Zika-Fieber und Chikungunya-Fieber verantwortlich. „Diese Erkrankungen verlaufen teilweise ähnlich, aber unterschiedlich schwer“, erklärt Dr. Schröder.

„Gelbfieber ist eine extrem gefährliche fieberhafte Erkrankung, die aber in Europa bisher nicht vorkommt. Chikungunya kann neben Fieber auch Gliederschmerzen auslösen, die manchmal Monate oder sogar Jahre andauern können. Eine Dengue-Fieber-Infektion verläuft dagegen oft ohne Symptome, es kann aber – vor allem bei der Zweitinfektion – schwere Verläufe geben.“

So weit entfernt tropische Länder klingen mögen: Reiserückkehrer bringen Erkrankungen wie das Dengue-Fieber immer wieder mit nach Deutschland. Allein in der ersten Hälfte von 2024 vermeldete das Robert-Koch-Institut rund 600 Fälle. Dr. Schröder geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus, da nicht jede erkrankte Person ärztlich untersucht und getestet wird.

Das macht sich auch auf seiner Station im St. Marien Krankenhaus bemerkbar. „Bei Dengue beobachten wir hier zunehmend mehr Fälle.“ Im Jahr handele es sich um rund 15 Erkrankte. „Manche müssen dann stationär liegen, bekommen Schmerzmittel und Flüssigkeit. Nach einer Woche konnten sie aber wieder nach Hause.“

Arzt rechnet auch in Köln mit Ansteckungen per Mückenstich

Problematisch wird es, wenn die Tigermücke hierzulande infizierte Reiserückkehrer stechen und ihre Erkrankung so verbreiten. „Die Gesundheitsgefahr für uns besteht, wenn sich ein Kreislauf bildet und die Krankheit immer weitergegeben wird. In so einem Fall ist es dann möglich, die Infektion vor Ort zu erwerben – ohne dass man im Ausland war. So etwas nennt man dann einen autochthonen Fall.“ Das habe es zwar noch nicht in Deutschland, aber vor einigen Jahren mit Dengue-Fieber bereits am Gardasee gegeben.

Und auch in der Nähe von NRW kam es vor kurzem zu so einer „autochthonen Zone“: Im Luftlinie nur rund 300 Kilometer entfernten Elsass. Dort hat sich eine Person, die sich in der Nähe von Straßburg aufhielt, Anfang Juli mit dem Chikungunya-Virus angesteckt. 

Wie groß ist also die Gefahr, sich in Köln durch einen Mückenstich mit einer Tropenkrankheit anzustecken? Erstmal ist festzuhalten, dass es in Köln aktuell noch keine bestätigten Vorkommnisse der Tigermücke gibt, wie die Stadt mitteilte. Jedoch sind Bürgerinnen und Bürger seit einigen Wochen dazu aufgefordert, Fotos von verdächtigen Exemplaren einzusenden. Einige Fotos, seien bereits eingegangen. Die Absender sollen – falls vorhanden – die toten Exemplare nun an das Forschungsprojekt „Mückenatlas“ schicken, um sie untersuchen zu lassen.

„Das Risiko, sich aktuell in Köln anzustecken, ist im Vergleich dazu, sich auf Reisen anzustecken, sicherlich noch sehr gering“, beruhigt Dr. Schröder. Das könnte sich jedoch ändern: „Dass man sich in Köln durch einen Mückenstich mit tropischen Krankheiten anstecken kann, wird irgendwann definitiv passieren. Wann genau, ist aber ein Blick in die Kristallkugel. Das kann morgen passieren, oder in zwei Jahren: Aber die autochthonen Fälle werden kommen.“

Klimawandel schafft gute Bedingungen in Europa für die Tigermücke

Und das könnte dauerhafte Folgen haben. „Man geht in der Medizin davon aus, dass sich Krankheiten wie Dengue oder Chikungunya in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland etablieren könnten. Vielleicht nicht das ganze Jahr und nicht in riesiger Häufigkeit, aber das wird die Realität sein, mit der wir uns abfinden müssen. In Zukunft werden auch wir uns wahrscheinlich Moskitonetze aufspannen, um uns zu schützen.“

Erstmals nach Europa eingeschleppt, wurde die asiatische Tigermücke wahrscheinlich durch den Reise- und Handelsverkehr. Zur Erklärung dafür, dass sie sich hier heimisch fühlt, hilft ein Blick auf das Wetter in den vergangenen Wochen. „Die aktuellen Klimaveränderungen, die führen dazu, dass die asiatische Tigermücke sich hier weiter etabliert. Wir merken alle, dass es wärmer wird und oft auch feuchter, das lieben die Mücken. Hinzu kommt starker Regen, durch den sich viel Oberflächenwasser bildet, in dem sie sich vermehren können.“

Auch, wenn Dr. Schröder das Risiko für eine in Köln erworbene Infektion durch einen Mückenstich aktuell noch als gering einschätzt, betont er: „Wir sollten die klimatischen Veränderungen ernst nehmen, uns auf neue Erkrankungen einstellen und gleichzeitig wo immer möglich versuchen, die Erwärmung noch abzumildern.“


Rückkehrer-Sprechstunde im St. Marien

Die Infektiologie, Reise- und Tropenmedizin des Cellitinnen Krankenhauses St. Marien unterstützt Reisende vor und nach ihrem Aufenthalt im Ausland. Im Vorhinein können sie dort eine Reiseberatung wahrnehmen, bei der über besondere Erkrankungen und Gesundheitsrisiken sowie mögliche Impfungen für das entsprechende Gebiet informiert wird.

Bei der Rückkehrer-Beratung können hingegen Personen vorstellig werden, die im Ausland waren und mit unklaren Beschwerden zurückkommen. „Wenn es akut ist und man hohes Fieber hat, kommt man besser direkt in die Notaufnahme. Dann bitte nicht erst auf einen Termin warten“, erklärt der zuständige Arzt Dr. Jakob Schröder.