Junge Menschen entscheiden sich wieder vermehrt für den Beruf des Bestatters. Das Berufsbild scheint mit seinen besonderen Anforderungen zu dieser Generation zu passen.
„Es ist ein lebensbejahender Beruf“Was einen jungen Kölner zu seinem Beruf gebracht hat

Erik Grommisch erlernt im Unternehmen Brodesser in Köln-Weiß den Beruf der Bestattungsfachkraft.
Copyright: Meike Böschemeyer
Als der Tod bei ihm anklopfte, überlegte Erik Grommisch gerade, wie er sein Leben gestalten will. Eine Ausbildung als Lichtreklametechniker hatte er abgebrochen. „Das hat mir gar nicht gefallen“, erinnert er sich. Das Zwischenmenschliche sei dabei zu kurz gekommen. Übergangsweise half er daraufhin bei seinem Großvater in dessen Kfz-Werkstatt aus. Ein wichtiger Kunde: Ein Bestattungsunternehmer, der darauf angewiesen war, dass seine Fahrzeuge immer einsatzfähig blieben. Eines Tages klopfte der Bestatter unvermittelt Grommisch auf die Schulter: Ob er sich vorstellen könne, bei ihm als Fahrer zu jobben? Ein Angebot, das zur Initialzündung werden sollte. Im kommenden Jahr wird Grommisch seine Ausbildung als „Bestatterfachkraft“ abschließen. „Die Prüfungen sind im Juni oder Juli“, so genau weiß er das noch nicht. Denn der Bestatterberuf erlebt grade eine ungeahnte Renaissance. Die Prüfungstermine müssen ausgeweitet werden.
Und dann kam die Feuertaufe
Nein, der Funke sprang nicht sogleich über. Auf das unvermittelte Angebot des Bestatters bat sich Grommisch erst einmal Bedenkzeit aus. Er war sich noch nicht im Klaren darüber, ob „das mit den Toten“ sein Ding ist. Doch die Bezahlung stimmte, und der junge Mann schlug schließlich ein. Mit einem geschlossenen Sarg durch die Gegend zu fahren, könne ja nicht so schwer sein. „Doch es brauchte keine Woche, da kam die Feuertaufe“, erinnert sich der 25-Jährige. Zusammen mit seinem Chef machte er sich auf den Weg in ein Altenheim. Ein Verstorbener musste abgeholt werden. „Er wollte sehen, wie ich reagiere“, weiß Grommisch heute, was sein Chef damals im Schilde führte. Zusammen traten sie ans Sterbebett und der Bestatter bat seinen jungen Begleiter, mit anzupacken, beim Umbetten des Toten in den Sarg. „Ganz ruhig sagte er, wo und wie ich anpacken sollte.“ Grommisch bestand die Feuertaufe. Er strahlte Ruhe aus, ließ sich nicht aus dem Konzept bringen und trug so zu der Würde bei, die in einem solchen Moment gewahrt werden muss.

Nein, von den Erlebnissen in seinem Beruf träume er nicht, versichert Grommisch.
Copyright: Meike Böschemeyer
Gleichgültig war ihm das alles dennoch nicht. Im Alter von sechs Jahren wurde er mal zu einer Beerdigung mitgenommen. „Das war bis dahin meine einzige Berührung mit dem Tod gewesen.“ Erstmals vor einem Verstorbenen zu stehen, der vor zwei Stunden seinen letzten Atemzug getan hatte: „Ja, das war ein seltsames Gefühl“, schaut er mit seiner heutigen Routine auf das Ereignis zurück. Nach dieser Feuertaufe war Grommisch schon klar, wie es weiter gehen sollte: „Er führte mich Schritt für Schritt an den Beruf heran.“ Zwei der nächsten Schritte: Waschen und Anziehen der Verstorbenen. Schließlich sagte sein Chef zu ihm: „Wenn du nach ein paar Wochen nicht davon träumst, kannst du den Beruf machen.“ Nein, bis in die Träume habe ihn der Umgang mit den Verstorbenen nie verfolgt. „Bis heute nicht.“
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„Der Beruf hat mich verändert“
Grommisch war bereit für einen weiteren, großen Schritt. Der bestand in einer Art Übergabe. Weil sein damaliger Chef nicht ausbildete, trat dessen Kollege Michael Brodesser aus Weiß an Grommisch heran und bot ihm ein Ausbildungsvertrag an. Er unterschrieb. Das war vor etwas über zwei Jahren. In der Ausbildung lernte er, dass Bestatter zu sein weit mehr Facetten hat, als er es als Aushilfe kennenlernte. Zu den bisherigen Tätigkeiten kamen noch die Beratungen, die Hausbesuche, die Dekoration in einer Trauerhalle, die Gestaltung des Grabes bei der Beerdigung, die Büroarbeit, die Amtsgänge. „Der Beruf ist super flexibel, kein Tag ist wie der andere“, bereut der 25-Jährige seine Berufswahl bis heute nicht. „Der Beruf hat mich verändert, meine Einstellung zum Tod. Es sei eine lebensbejahende Tätigkeit. „Ich weiß heute, das Leben kann schnell vorbei sein.“ Also gelte es, sich an der Zeit, die man hat, zu erfreuen.
Vor allem Frauen lassen sich ausbilden
Eine Begeisterung, mit der Erik Grommisch nicht alleine dasteht. Der Bundesverband der Bestatter vermeldet einen markanten Anstieg bei den Ausbildungszahlen zur Bestatterfachkraft (siehe Kasten). Dabei steige der Anteil an Frauen stetig an, von 57 Prozent in 2023 auf 59 Prozent in 2024. Ein Trend, den Grommisch bestätigen kann. In seinem Jahrgang am Bergischen Berufskolleg ließen sich so viele junge Menschen zu Bestatterfachkraft ausbilden, wie seine Ausbilder schon lange nicht mehr gesehen haben. Über die Hälfte seien weiblich. Den Trend kann sich der 25-Jährige durchaus erklären: „Man hat viel mit Menschen zu tun, das ist meiner Generation wichtig“, sagt er. Und es sei ein sicherer Beruf: „Unsere Kerntätigkeiten können nicht von einer KI übernommen werden.“ Was dem jungen Mann auch wichtig ist: „Als Bestatter werde ich ernst genommen.“ Werde er nach seiner Ausbildung gefragt, erzeuge die Antwort immer Interesse. „Manche wollen aber einfach nur schockierende Ereignisse hören, sich ein wenig gruseln.“ Dann blocke er aber ab. Die Würde, die jedem Verstorbenen zustehe, endet für Erik Grommisch nie – auch nicht mit dem Feierabend.
