Kölner InnenstadtWie Schildergasse und Hohe Straße aus der Krise kommen

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Die Hohe Straße verkommt immer mehr zur "Ramschmeile".

Die Hohe Straße verkommt immer mehr zur "Ramschmeile".

  • Kämpgen, Karstadt und Esprit verlassen die Kölner Innenstadt: Der Leerstand greift weiter um sich.
  • Wie kann man dem Niedergang der Kölner Einkaufstraßen begegnen?

Nun also Kämpgen am Neumarkt. Nach Esprit, Hallhuber, der Aufgabe von Karstadt Sports und anderen der nächste große Name, wieder Wehklagen ob des Niedergangs der Fußgängerzonen, wieder die Frage nach den Gründen. Corona, sicher, aber nicht nur. Wandel allein kann für eine Einkaufsstraße nicht schlecht sein, die Frage ist, was danach kommt. Hamburg, München, Düsseldorf – andere scheinen das Niveau deutlich besser halten zu können.

Leerstände, Schließungen, Ramschartikel

Wer heute über die Hohe Straße läuft, sieht sich den Auswirkungen einer Krise gegenüber, die nicht erst mit der Pandemie begann. Jede Menge Leerstände, Schließungen, Ramschartikel. Einst stolze Häuser wie Silber Becker verfallen auch äußerlich. Das ein oder andere leere Schaufenster notdürftig mit Pappe oder etwas Werbung beklebt, andere bieten freien Blick ins Gerümpel. Dazu kommt das Ambiente einer Straße, die seit den 70er Jahren nicht mehr aufgemöbelt wurde. Wozu auch, die Touristen kamen ja trotzdem.

Hohe Straße und Schildergasse gelten nach wie vor als Top-Adressen im bundesweiten Ranking. Noch. Die geografischen Voraussetzungen muss man erst mal haben: Der Bahnhof, der Rhein und – vor allem natürlich – der Dom in unmittelbarer Nähe, ketzerisch könnte man sagen als Eingangsportal zum Shopping-Paradies. Wie also kann man Kölns bekannteste Straßen wieder so in Schuss bringen, dass sie ihrem Ruf gerecht werden?

Alles zum Thema Schildergasse

Für Marco Atzberger, Experte für Handelsimmobilien und Mitglied der Geschäftsleitung beim EHI Retail Institute Köln, ist es höchste Zeit für ein Eingreifen der Stadt. Schon vor Corona habe ein schleichender Prozess eingesetzt, der ein Umdenken erfordere. „Manche Immobilienbesitzer haben sich noch nicht damit abgefunden, dass die Einnahmen weniger werden. Aber wenn die Billigläden rausgehen, bekommt man die Fläche nicht wieder höherwertig besetzt.“ Hier müsse man „kreativ denken“, sei es über Ausgleichsmodelle oder darüber, dass man Anreize für Investitionen nicht nur im, sondern auch vor dem Haus schafft. „Leider gibt es in Köln bis heute keinen zentralen Ansatz. Es gibt ja noch nicht einmal eine Weihnachtsbeleuchtung.“

Es gibt sie, die Positiv-Beispiele

Aber so negativ will Atzberger gar nicht denken: „Lagen wie Köln werden immer gefragt sein. Es kommt darauf an, dass wir das Umdenken schnell hinbekommen.“ Positive Beispiele gebe es ja – von der Gastronomie an der Antoniterkirche etwa verspricht er sich einiges. „Es muss nicht immer der große Wurf sein. Manchmal hilft es, Lagen zu beleben, an denen Einzelne bereit sind, etwas zu ändern.“

Das Thema Immobilien ist ein schwieriges. Viele Gebäude gehören Fonds oder Gesellschaften, die nicht in Köln sitzen. Hinter vorgehaltener Hand wird berichtet, dass manche Vermieter schon den umgekehrten Weg gehen und zu Dumpingpreisen vermieten, um noch mehr Leerstände zu vermeiden. Jederzeit kündbar, sollte sich doch ein potenter Interessent finden. So lange bleibt es eben bei Billigläden. Manche Ketten setzen auch auf Mietnachlässe wegen Corona. Kleine Lichtblicke gibt es aber, etwa mit der Eröffnung eines Uhrengeschäfts am Wallrafplatz.

Neubauprojekt

Dass es auch anders geht, will die Aachener Grundvermögen mit einem Neubau an der Hohe Straße 141 zeigen. Dort hat der Abbruch bereits begonnen, nach Plänen von Marc Breedveld und Dohmen Architekten soll hier ein Gebäude entstehen, das „dazu betragen soll, die Hohe Straße als niveauvolle innerstädtische 1a-Lage zu fördern und die Schildergasse als solche zu erhalten“. Um die zwei Millionen Euro netto investiert das Unternehmen dafür, Im Frühjahr 2021 soll es soweit sein. Man sei bereits in Gesprächen mit potenziellen Mietinteressenten. (mhe)

Und es scheint Bewegung in die Sache mit den Immobilien zu kommen. „Wir sind momentan in intensiven Gesprächen“, sagt Annett Polster, Geschäftsführerin bei Stadtmarketing: „Ohne die Vermieter geht nichts.“ Auch, was Neukonzeptionen im Handel angeht – Showrooms, kleinere Aufteilungen, Erlebniswelten, Kunst, Kultur und Gastronomie. „Aber auch das Ambiente muss stimmen. In der Schildergasse wurden mal neue Laternen aufgestellt, sonst ist seit Jahrzehnten nichts passiert“, so Polster. Es fehle ein ganzheitliches Konzept, das die Parallelräume Richtung Altstadt einbinde – auch vor dem Hintergrund des neuen Laurenz-Carrées und der Via Culturalis. Zurzeit wird mit der Technischen Hochschule ein Konzept entwickelt, wie die Hohe Straße aussehen könnte.

In einem sind sich jedenfalls alle einig: Es muss jetzt etwas passieren – die Zeit drängt.

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