Der Musiker Philipp Oebel geht im 15. Jahr mit rheinischem Liedgut auf Sonntagstour durch Köln — der Start ist in der Südstadt.
Kölner „Krätzjer“-Musiker Philipp Oebel„Straßenmusik im Jahr 2025 ist ein schwieriges Thema“

Der Mann mit der Mütze: Philipp Oebel geht mit seinen Liedern auf Tour durchs Veedel.
Copyright: Thomas Banneyer
Philipp Oebel (60) betreibt mit seinen Krätzjertouren ein Stück Brauchtumspflege in der Stadt. Thorsten Moeck sprach mit ihm über Straßenmusik, Eigenkompositionen und mitteilsame Zuhörer.
Karl Berbuer, Willi Ostermann, Jupp Schmitz und andere Krätzjensänger hatten eines gemeinsam – sie waren keine Straßenmusiker. Funktionieren textintensive Krätzjer im unruhigen Straßenflair?
Alle waren große Komponisten und Texter, die in großen Sälen aufgetreten sind. Aber auf meiner Straßensänger-Tour begebe ich mich auch auf die Spuren von echten Straßenmusikern, wie es in den Nachkriegsjahren beispielsweise die „Drei Rabaue“ waren. Sie haben interessanterweise wenige Krätzjer gesungen und mehr Schlager, weil das die Leute hören wollten und sie Geld verdienen mussten. Ich bediene mich aus einem großen Repertoire rheinischer Lieder.
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Haben Sie Straßenerfahrung? Es heißt ja immer, der Karneval sei für viele Künstlerinnen und Künstler die härteste Schule. Härter als die Straße, wo erstmal niemand zuhört?
Der Begriff Straßenmusiker hat eine leicht despektierliche Konnotation, wo es teils kaum noch eine Unterscheidung zu Bettlern gibt. Ich hatte immer schon höchsten Respekt vor Menschen, die alleine oder in der Gruppe auf der Straße musizieren. Vor 20 Jahren habe ich das selbst einmal mit meinem Freund Martin Bendig versucht und festgestellt: Es ist zuweilen ein bitteres Geschäft.
Weil niemand stehen bleibt oder weil niemand Geld in den Hut wirft?
Wir haben auf der Schildergasse ein wunderschönes Potpourri kölscher Lieder gesungen von Heidewitzka Herr Kapitän bis zu den Eingeborenen aus Trizonesien. Aber selbst im Herzen Kölns hatte das niemanden interessiert. Ich habe das auch alleine ausprobiert, was mich viel Überwindung gekostet hat. Manchmal habe ich mich nicht getraut. Straßenmusik im Jahr 2025 ist ein schwieriges Thema, denn die Stadt ist in den vergangenen Jahren nach meinem Empfinden viel lauter geworden.
Sie starten mit Ihrer Sonntagstour ins 15. Jahr. Was reizt Sie daran?
Es nehmen immer wieder andere Menschen teil. Für mich geht es darum, mit den ersten Liedern rauszufinden, wie die Gruppe zusammengesetzt ist und wo die Vorlieben liegen. Ist die Gruppe mitsingwillig? Funktionieren witzige Texte? Sind eher unbekannte Lieder erwünscht oder schwermütigere Melodien? Anfangs habe ich die Touren umsonst angeboten und am Ende tatsächlich den Hut rumgehen lassen. Bis zu 50 Menschen sind damals mitgegangen, das waren deutlich zu viele. Die zweistündigen Touren waren sehr nett, aber im Schnitt wurden zwei bis drei Euro pro Person gespendet, das war ernüchternd.
Zu Ihrem Repertoire gehören etwa 140 Lieder. Jetzt haben Sie ein eigenes Liebes-Krätzjer komponiert. Eine Herzensangelegenheit im doppelten Sinne?
Es ist ein sehr persönliches Lied für meine Partnerin, was ich jahrelang nicht veröffentlicht habe. Neulich hatte ich es ihr nochmal gesungen und sie fragte mich, warum ich das Lied nicht auch öffentlich singe. Ich wäre nie auf die Idee gekommen. Ohnehin gibt es viele verdammt gute Krätzjer, über die Jahrzehnte haben ja ohnehin nur die musikalischen Perlen überdauert. Da dranzukommen, ist schwierig. Ich fände es anmaßend, diese bekannten Stücke zu spielen und dann meine eigenen dranzuhängen. Etwa 15 Lieder habe ich mittlerweile geschrieben, das Texten ist eine große Kunst, ansonsten wird es sehr schnell banal. Aber das Liebes-Krätzjer werde ich bei der Tour singen.
Gibt es für Sie eine klare Definition von Krätzjer?
Krätzjer bedeutet Schlag oder Stoß. Inhaltlich äußert sich dies durch humorvolle, aber zugleich bissige Begebenheiten, die erzählt werden. Menschen werden aufs Korn genommen, es ist kurz, prägnant und von der musikalischen Ausführung her recht reduziert.
Bei Ihrer Tour lassen Sie sich treiben. Weder alle Lieder noch die exakte Strecke stehen vorher fest. Brauchen Sie diese Offenheit?
Als Musiker bin ich immer auch Dienstleister und schaue, was die Menschen hören möchten. Ich habe das Glück, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Mir ist die Einstellung wichtig, und die beginnt mit der Vorbereitung auf einen Auftritt. Oder auf die Straßentour. Und egal, wer vor einem steht, es geht mir immer um eine wertschätzende Atmosphäre gegenüber meinen Zuhörern.
Es entsteht eine Gruppendynamik, aber Sie geben den Ton an.
So ist es. Es gab Touren, bei denen Menschen teilgenommen haben, die mitteilsame Originale in ihrem Veedel waren. Wenn ich jemanden interviewen kann, ergibt sich manchmal ein schönes Miteinander. Es entsteht ein Mehrwert, aber ich muss als eine Art Dompteur auch gut aufpassen, die Fäden nicht aus der Hand zu geben. Im Grunde ist das alles ja auch ein Stück Brauchtumspflege.