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Notschlafstelle in Köln„Kraft finden, das Leben neu anzugehen“

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Wegen großer Probleme in der Familie brach Nuria ihre Ausbildung ab. Jetzt wagt sie einen Neustart.

Wegen großer Probleme in der Familie brach Nuria ihre Ausbildung ab. Jetzt wagt sie einen Neustart.

Mehr als 200 junge Erwachsene werden in diesem Jahr vom Team der Notschlafstelle in ihrer schwierigen Situation unterstützt. So wie die 20-jährige Nuria.   

Knallbunt und hoch oben steht es auf dem Banner geschrieben, mitten im sogenannten „Sozialen Brennpunkt“ Mülheim-Nord, nahe der Hacketäuerstraße: „Don-Bosco-Club“. Und neben dem Eingang, ebenso leuchtend „Schön, dass Du da bist!“. Dass das auch so gemeint ist, beweisen 80 bis 120 Kinder und Jugendliche, die die im Veedel verwurzelte Einrichtung täglich besuchen, die hier spielen, am Kicker oder Billardtisch, hier Unterstützung und ein offenes Ohr finden. Fester Teil des Don-Bosco-Clubs ist die Notschlafstelle für obdachlose junge Erwachsene.

Nuria ist 20 Jahre alt, als sie an der Tür der Notschlafstelle klingelt. Ein paar Monate zuvor hat sie ihre Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten am Ende des zweiten Jahres geschmissen, nach einer schweren Operation hatte sie länger zu Hause bleiben müssen. In ihrer Familie gab es schon seit langem heftige Konflikte. Nach der Unterbrechung und wegen ihrer psychischen Probleme schafft sie den Wiedereinstieg in die Arbeit nicht mehr. Nuria (Name von der Redaktion geändert) macht Schulden. Als ihre Mutter und ihr Stiefvater davon erfahren, setzen sie sie vor die Tür.

Mit den Leuten hier konnte ich sprechen, egal worüber. Aber die waren auch streng und haben darauf geachtet, dass ich meine Termine einhalte, mich um meine Dinge kümmere.
Nuria, 20

Doch an diesem Tag im Frühjahr 2025 hat die junge Frau aus Rodenkirchen Glück. Es ist ein Bett frei. Sie darf bleiben. „Mit den Leuten hier konnte ich sprechen, egal worüber. Aber die waren auch streng und haben darauf geachtet, dass ich meine Termine einhalte, mich um meine Dinge kümmere“, erzählt Nuria. 30 Tage hat sie Zeit, sich mit ihrer Notlage auseinanderzusetzen, zu überlegen, wie sie weitermachen kann. Sie kann darüber mit Sozialarbeitenden sprechen, die sie auch bei Ämterangelegenheiten unterstützen.

Am Tor des Don Bosco Clubs: Jutta Gumprich-Kästel (Verwaltung) Magdalena Keil, Yannick Bonitz und Florian Bethe (v.l.).

Am Tor des Don Bosco Clubs: Jutta Gumprich-Kästel (Verwaltung) Magdalena Keil, Yannick Bonitz und Florian Bethe (v.l.).

Nuria ist eine von 180 jungen Menschen im Alter von 18 bis 27 Jahren, die im vergangenen Jahr in der Notschlafstelle des Don Bosco Clubs übernachtet haben. In diesem Jahr werden es weit über 200 sein. „Die meisten von ihnen sind obdachlos, manchen kommen nach einem Anruf aus der Justizvollzugsanstalt zu uns, weil sie nach dem Ende ihrer Haftstrafe keine Unterkunft haben“, sagt Einrichtungsleiterin Magdalena Keil. „Manchmal bittet uns das Amtsgericht um Hilfe, und auch die Polizei bringt junge Menschen zu uns“, so der Yannick Bonitz, pädagogischer Mitarbeiter der Einrichtung. Kooperationspartner des Don Bosco Clubs sind außerdem unter anderem die Initiative „off road kids“, die sich in der Innenstadt um junge obdachlose Menschen kümmert, die Ehrenamtsinitiative „Kältbus“ und die Stadt Köln.

Wenn wir ihnen in dieser Phase Unterstützung anbieten können, kann das entscheidend für ihren Lebensweg sein.
Magdalena Keil, Einrichtungsleiterin

Denn die Notschlafstelle des Don Bosco Clubs ist einmalig in Köln. Sie ist das einzige Angebot dieser Art ausschließlich für junge Erwachsen von 18 bis 27 Jahren. Die „Notschlafstelle für Menschen mit Leistungsbezug in Köln“ wird durch den Resozialisierungsdienst der Stadt Köln nicht in Gänze refinanziert. „Um sie weiterführen zu können, sind wir auf Spenden angewiesen. Nur so können wir an 365 Tagen im Jahr öffnen und unsere jeweils zwölf jungen Erwachsenen durch sozialarbeiterische Begleitung wirkungsvoll dabei unterstützen, einen Weg aus ihrer schwierigen Lage zu finden.“ Dazu sichert der Don Bosco Club den Nachtdiensten eine Rufbereitschaft zu einem Hauptamtlichen zu, „denn Krisen passieren immer nachts. Dann kommen Jugendliche, die Alkohol und Drogen genommen haben oder bei denen wir den Rettungsdienst rufen um zu klären, ob sie gefahrlos bei uns bleiben können“, schildert Bonitz.

Die Gäste der Notschlafstelle seien meist noch nicht lange obdachlos, in schwierigen Lebensphasen, hätten Probleme mit den Eltern oder damit, einen Ausbildungsplatz zu finden. „Wenn wir ihnen in dieser Phase Unterstützung anbieten können, kann das entscheidend für ihren Lebensweg sein“, sagt die Einrichtungsleiterin.

Vielen jungen Erwachsenen täte es gut, in den Alltag der Jugendeinrichtung eingebunden zu sein, sie können an dem pädagogischen Freizeitangebot teilnehmen oder bei anfallenden Arbeiten helfen. „Hier erleben sie sich einmal ganz anders, nicht als ‚Problemfall‘. Auch das gibt Kraft, das Leben neu anzugehen.“ „Die jüngeren finden uns toll“, wirft Nuria da ein und muss schmunzeln. Gut sei auch, dass sie in der Notschlafstelle auf Gleichaltrige getroffen sei und mitbekommen habe, dass andere auch kämpfen und an sich arbeiten.

Ehemalige haben Räume gestrichen und Boden verlegt

Rund zehn Jahre lang hatte das Jobcenter das Projekt Work4you, das 15- bis 25-Jährige bei der beruflichen Reintegration unterstützt hat, befristet finanziert; die Notschlafstelle war Teil des Projektes. 2023 lief die Finanzierung aus. „Wir mussten Mitarbeitende entlassen. Der Rest hat teils ehrenamtlich gearbeitet, um die Notschlafstelle aufrecht zu erhalten“, sagt Keil. Hilfe bekamen sie von ehemaligen Work4you-Teilnehmern. „Sie sind der Einrichtung weiter verbunden und haben die Räume der Notschlafstelle gestrichen. Und einer hat den Boden verlegt“, so Keil.

Bei anderen Kosten können Ehrenamtliche nicht helfen. „Zwei Mahlzeiten, Hygieneartikel, medizinische Versorgung, alles wird ständig teurer“, so Bonitz. „Wir sind ein kleiner Träger und können fehlende Gelder nicht ausgleichen. Wir sind auf Spenden angewiesen.“

Ein Ziel der Arbeit mit den jungen Erwachsen ist, sie in einer betreuten Wohnform unterzubringen, einen WG-Platz zu finden oder die Rückkehr in die Familie pädagogisch zu begleiten. „Manche kommen auch ein zweites Mal zu uns“, sagt Keil. Wie Nuria, deren Situation in der Familie erneut eskalierte. Jetzt möchte die 20-Jährige ihre Ausbildung weiterführen und hofft auf einen Wohnplatz in einer Kolping-Einrichtung für junge Menschen in Ausbildung. Mit Unterstützung der Sozialarbeitenden hat sie im Don Bosco Club mehrere Bewerbungen auf den Weg gebracht.