Rheinenergie in KölnHier entsteht Europas größte Wärmepumpe

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Auf diesem Parkplatz im Niehler Hafen wird eine Großwärmepumpe gebaut.

Auf diesem Parkplatz neben dem Heizkraftwerk im Niehler Hafen baut die Rheinenergie eine Großwärmepumpe.

In vier Jahren soll in Niehl eine einzigartige Anlage zur nachhaltigen Versorgung von 30.000 Wohnungen mit Fernwärme stehen.

Die Revolution beginnt auf einem leeren Parkplatz im Niehler Hafen. Hier, auf dem Gelände des Heizkraftwerks der Rheinenergie, soll in vier Jahren Europas größte Wärmepumpe in Betrieb gehen. Mit 150 Megawatt Wärmeleistung soll sie genug Energie liefern, um 30.000 Wohnungen in Köln mit Fernwärme zu versorgen nachhaltig erzeugt aus Rheinwasser. Im Juni hat Rheinenergie-Chef Andreas Feicht den Plan verkündet, seitdem wird mit Hochdruck daran gearbeitet. Denn das Projekt ist technisch sehr anspruchsvoll, der Zeitplan ambitioniert. „So eine Anlage können Sie nicht einfach von der Stange kaufen. Die muss individuell für unsere Zwecke entworfen werden. Wir betreten hier absolutes Neuland“, erläutert Andreas Bauer von der Rheinenergie bei einem Ortstermin.

Als Standortleiter ist der Diplomingenieur seit 2022 für die beiden Gaskraftwerke Niehl 2 und Niehl 3 zuständig, mit denen die Rheinenergie im Hafen Fernwärme für die Innenstadt, Mülheim und Deutz sowie Strom produziert. „Die besondere Herausforderung bei diesem Projekt ist, einen Weg zu finden, wie wir die neue Großwärmepumpe optimal in die vorhandene Kraftwerks- und Fernwärmeanlage integrieren können“, sagt Bauer. Sein Ziel: Die Wärmepumpe soll die vorhandenen Gasturbinen optimal ergänzen, um möglichst viel Erdgas einsparen zu können. Als Generalplaner hat die Rheinenergie das Ingenieurbüro Envi Con aus Nürnberg engagiert. „Die Kölner Großwärmepumpe wird einen riesigen Beitrag zur Wärmewende leisten“, ist Projektleiter Daniel Steger überzeugt.

Andreas Bauer ist Standortleiter der Rheinenergie in Niehl und erklärt das Konzept.

Andreas Bauer ist Standortleiter der Rheinenergie in Niehl und erklärt das Konzept.

Um in die gewünschten Dimensionen vorstoßen zu können, soll sie modular aufgebaut werden, also aus mehreren kleineren Wärmepumpen bestehen. „Wir planen mit drei bis vier Einzelmodulen mit einer Leistung von jeweils 30 bis 50 Megawatt“, erklärt Envi-Con-Geschäftsführer Tobias Scheithauer. Vergleichbare Anlagen dieser Größe gebe es bereits in Skandinavien, in Wien sei eine 18-Megawatt-Wärmepumpe in Betrieb. „Aber 150 Megawatt – das ist eine ganz neue Größenordnung. Das ist auch für die Lieferanten der Wärmepumpentechnik Neuland“, so Scheithauer. 40 bis 50 Ingenieure seien für das Projekt tätig.

Doch wie soll das überhaupt funktionieren: mit Rheinwasser die Wohnung heizen? Wo sich doch der Fluss im Winter, wenn die meiste Wärme benötigt wird, stark abkühlt? Die Wassertemperatur des Rheins schwankt im Jahresverlauf stark. Von 25 Grad Celsius oder mehr im Sommer sinkt sie im Januar und Februar auf bis zu rund drei Grad ab. „Wir gehen davon aus, dass die Großwärmepumpe auch im Winter die meiste Zeit genug Energie liefern wird, um Fernwärme zu produzieren“, sagt Steger. „Die Wärmepumpe funktioniert nach dem gleichen Prinzip wie ein Kühlschrank, nur umgekehrt“, so Bauer (siehe Infotext). „Während der Kühlschrank seinem Inneren Wärme entzieht und diese an der Rückseite in den Raum abgibt, entzieht die Flusswärmepumpe dem Rhein Wärme und nutzt diese, um das Heizwasser aufzuheizen.“

Einen passenden Stromanschluss hat das Werk schon

Man benötige aber eine große Menge Flusswasser, um eine kleine Menge Heizwasser aufzuheizen. Es braucht auch jede Menge Strom. Wie viel, hängt davon ab, wie hoch der Wirkungsgrad der Wärmepumpe ist. „Bei einer Anlage mit der Leistungszahl 3 muss man eine Einheit Strom einsetzen, um drei Einheiten Wärmeenergie zu erzeugen“, erläutert Steger. Einen passenden Stromanschluss hat das Heizkraftwerk schon. Gegenüber dem Parkplatz, wo die Wärmepumpe gebaut werden soll, steht ein riesiger Trafo, der die erforderlichen 50 Megawatt elektrische Leistung liefern kann. Kommt der Strom aus nachhaltigen Quellen wie Windkraft oder Photovoltaik, läuft die Wärmepumpe nicht nur emissionsfrei, sondern auch klimaneutral.

Aber schadet es nicht dem Rhein, wenn man ihm zur Energieerzeugung so viel Wasser entnimmt? Nein, betont Bauer. Schließlich gebe man das Wasser komplett in den Fluss zurück. Dafür werde ein bereits vorhandener Kühlwasserkanal genutzt. „Und anders als beim Kühlwasser ist das Wärmepumpenwasser nicht wärmer, sondern kühler als vorher. Somit liefert die Wärmepumpe im Sommer sogar einen ökologisch positiven Beitrag, indem sie der Aufheizung des Rheins entgegenwirkt.“

Das Heizkraftwerk der Rheinenergie versorgt die Kölner Innenstadt mit Fernwärme.

Das Heizkraftwerk der Rheinenergie versorgt die Kölner Innenstadt mit Fernwärme - bisher ausschließlich durch Einsatz von Erdgas.

Auch die Fische im Rhein werden nicht leiden, verspricht Bauer. In die Einlassbauwerke baue man Reinigungssysteme mit höchstem Fischschutz ein, bei denen die Tiere unbeschadet zurück in den Fluss gelangen. Im Sommer kann auf Einsatz von Gas verzichtet werden Das Heizwasser wird mit mächtigen Pumpen in den Fernwärmekreislauf eingebracht. Derzeit wälzen sie pro Sekunde 2000 Kubikmeter Wasser um, künftig werden es 5000 Kubikmeter pro Sekunde sein.

In den Wohnungen sorgt die Fernwärme mittels Wärmetauscher für warme Heizungen und ganzjährig für Warmwasser. Im Winter wird wegen des Heizbedarfs rund acht- bis zehnmal mehr Fernwärme benötigt als im Sommer. Die Großwärmepumpe soll in der Lage sein, in den Sommermonaten genug Fernwärme ohne Unterstützung durch die Gasturbinen zu liefern. Zurzeit werden das technische Konzept und die Ausschreibungsunterlagen zum Bau der Großwärmepumpe vorbereitet, die finale Entscheidung zum Bau soll nächstes Jahr fallen. Ab 2027 soll die neue Anlage nachhaltige Wärme liefern. Kundschaft gebe es genug, ist Bauer überzeugt. „Die Nachfrage nach Fernwärme steigt.“


Das Prinzip

So funktionert es: Rheinwasser aus dem Becken des Niehler Hafens wird angesaugt. Die Wärmeenergie des Wassers lässt in der Wärmepumpe ein Kältemittel verdampfen. Dabei kühlt sich das Rheinwasser um etwa zwei bis fünf Grad ab. Der Kältemitteldampf wird mit einem strombetriebenen Verdichter komprimiert. Dadurch steigen Druck und Temperatur. Die so erzeugte Wärme wird in einem Wärmetauscher auf das Heizwasser der Fernwärme übertragen. Es kann dadurch bis zu 110 Grad heiß werden. Dabei verflüssigt sich das Kältemittel wieder – und der Kreislauf kann von neuem beginnen.

Das Kölner Fernwärmenetz

380 Kilometer lang ist das Fernwärmenetz der Rheinenergie in der Stadt Köln. Es besteht aus mehreren Teilen: dem Innenstadtnetz inklusive Deutz, dem Nordnetz inklusive (Neu-)Bocklemünd und dem Netz Merheim/Neubrück. Bis 2030 will der Versorger rund 50 Kilometer neu dazu bauen. Danach stehen weitere 150 Kilometer auf dem Plan. Das bestehende Netz werde rechts- wie linksrheinisch kontinuierlich ausgebaut, so die Rheinenergie. In Braunsfeld werden in der Widdersdorfer Straße derzeit neue Fernwärmeleitungen verlegt. Insgesamt soll das Netz im Kölner Westen in den nächsten Jahren um 3500 Meter wachsen. Am Standort Merkenich plant die Rheinenergie eine weitere Großwärmepumpe mit einer Leistung von 50 Megawatt.

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