Auf der SchattenseiteMit dem Gerichtsvollzieher unterwegs in Porz

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Unangenehme Post vom Gerichtsvollzieher gab es am Freitag.

  • Polizeibegleitung ja oder nein?
  • Wir haben einen Gerichtsvollzieher einen Tag lang bei seiner Arbeit in Köln-Porz begleitet.
  • Nach dem Tag ist klar: Ein Rundgang mit dem Gerichtsvollzieher Stephan Piel ist bedrückend.

Köln-Porz – Die renitente Frau und der Gerichtsvollzieher kennen sich. Mehrfach war Stephan Piel (53) schon bei der säumigen Zahlerin in Wahnheide, am Freitagvormittag steht der nächste Besuch an. „Wer ist da?“, schreit die Frau. Dann kommt Piel um die Ecke auf den Hof, die Frau nähert sich dem Gerichtsvollzieher bedrohlich nahe. „Geben Sie das Schreiben her. Ich gebe es dem Betreuer“, sagt die Frau mehrfach, dann wird es ungemütlich. „Runter von meinen Grundstück“, schreit die Frau, Gerichtsvollzieher Piel tritt den Rückzug an.

Diesmal geht es um rund 400 Euro, die die Schuldnerin zahlen soll. Piel weiß: „Mit dem Zahlen wird es schwierig.“ Die Frau ist bei den Behörden dafür bekannt, dass sie ihre Rechnungen nicht oder nur teilweise begleicht. Und: Mittlerweile steht sogar eine dauerhafte Unterbringung in einer Klinik an. Ein Grund dafür: Die Frau hat auch die Nachbarn in der ruhigen Wohnstraße in Wahnheide schon angegriffen. „Ich habe ihr deswegen schon einstweilige Verfügungen vorbeigebracht“, sagt Piel.

Einsatz in Wahn, Wahnheide, Lind und Libur

Mehrere Stunden ist der Gerichtsvollzieher am Freitag in seinem Bezirk unterwegs, dazu gehören Wahn, Wahnheide, Lind und Libur. Seit 22 Jahren macht der 53-Jährige den Job, früher in Bonn, nun in Köln. Der Einsatz bei der widerspenstigen Frau in Wahnheide ist der gefährlichste an diesem Tag. Eine Schutzweste oder Pfefferspray, um sich vor aggressiven Menschen zu schützen, hat Piel nicht dabei.

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Stephan Piel

„Ich treffe eine Gefährdungsanalyse vor den Terminen für mich selber“, sagte der 53-Jährige, der auch Geschäftsführer des Bundes Deutscher Gerichtsvollzieher ist. Dass Piel die Polizei vor dem Besuch anfordert, kommt selten vor. Es müsste schon deutlich erkennbar sein, dass der Mandant ein hohes Gefährdungspotenzial hat – dann komme die Polizei sofort mit. In der vergangenen Woche war das der Fall, als zwei Jugendliche ein Hotel nicht mehr verlassen wollten und der Vermieter angegriffen wurde.

„Gefährder-Datei“ könnte Außendienst sicherer machen

Polizeibegleitung ja oder nein? Es ist eine heikle Frage, seit vorigen Freitag ein vermutlich nicht schuldfähiger 60-Jähriger einen Mitarbeiter der städtischen Kämmerei mit einem Messer tödlich verletzt hatte. Das Opfer wusste nichts von dem Gefährdungspotenzial, verzichtete auf Polizei. Es ist die große Frage für Außendienstler mit unangenehmen Nachrichten: Was erwartet mich an der Haustür?

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Piel ist in all den Jahren noch nie angriffen worden, nur einmal wurde ihm richtig mulmig. „Es gab ständig Telefonanrufe und die Bedrohungen gingen in den privaten Bereich“, erzählt der 53-Jährige. Er fordert eine sogenannte „Gefährder-Datei“, sie könne beim Oberlandesgericht oder bei anderen Behörden eingerichtet und im Notfall von den Gerichtsvollziehern eingesehen werden. „Es wäre für die Sicherheit der Kollegen sehr sinnvoll“, betont Piel. Das Justizministerium lehne solch eine Datei wegen Datenschutzgründen bisher ab. Auch die Stadt Köln hat bislang kein zentrales Melderegister für Übergriffe. 

Mehr für die Sicherheit der Gerichtsvollzieher kann laut Piel auch ein Notruf-Pager bringen, der mit der Polizei verbunden ist. Wird ein Zwangsvollstrecker bedroht, könnte der Alarmknopf gedrückt werden. In anderen Bundesländer würden Gerichtsvollzieher die Notruf-Pager schon haben, beispielsweise in Baden-Württemberg. In Nordrhein-Westfalen will das Justizministerium im kommenden Jahr ein Pilotprojekt starten – eine mögliche Einführung ist aber noch offen.

„Freundliche Einladung“ des Gerichtsvollziehers

Ein Rundgang durch Porz mit dem Gerichtsvollzieher ist bedrückend. Piel klingelt an Türen von Menschen, die auf der Schattenseite des Lebens sind. Es geht bei den säumigen Schuldnern nicht immer um große Summen, oft sind „nur“ mehrere hundert Euro offen. „Manchmal wollen die Menschen nicht zahlen, manchmal können sie nicht“, sagt Piel. Am Freitag geht die Fahrt zu einem Rentner, der eine Telefonrechnung nicht bezahlt hat. Zeitweise war er im Krankenhaus, ihm ist die Angelegenheit vermutlich über den Kopf gewachsen. Beim Besuch des Gerichtsvollziehers verspricht der Mann zu zahlen. 

Wenig Hoffnung hat Piel bei einem Schuldner in einem Obdachlosenheim in Porz. Der 53-Jährige betritt ein heruntergekommenes Gebäude, meldet sich beim Pförtner an und geht zur Wohnung. Ein Mann öffnet, er hat sich offensichtlich mehrere Tage nicht gewaschen – ein trauriger Anblick. Der Schuldner soll Anfang 2020 in Piels Büro kommen. Ob der Mann kommen wird, ist aber mehr als ungewiss.

Nimmt Piel die Schicksale der Menschen mit? „Ich freue mich, wenn ich helfen kann. Ich kann das aber gut abschütteln“, betont er. Kurze Zeit später steckt Piel wieder eine „freundliche Einladung“ in einen Briefkasten. 

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