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Interview

Präsidentin der TH Köln
„Studium ist mehr als eine Abfolge von Lehrveranstaltungen“

5 min
Die Präsidentin der TH Köln steht vor dem Gebäude des Campus Südstadt.

Prof. Dr. Sylvia Heuchemer ist die Präsidentin der TH Köln.

Vor zehn Jahren wurde aus der Fachhochschule Köln die TH. Die Präsidentin der TH Köln, Prof. Dr. Sylvia Heuchemer zieht eine Bilanz.

War es eine gute Idee, die ehemalige Fachhochschule in TH Köln umzuwandeln?

Das war wirklich eine gute Entscheidung, die unserer Hochschule in ihrer Entwicklung einen zusätzlichen Schwung gegeben hat. Denn die Umbenennung wurde in einem intensiven hochschulweiten Prozess vorbereitet, in dem wir uns klarer darüber geworden sind, wofür wir stehen und wohin sich die TH Köln entwickeln soll.

Was ist das Selbstverständnis der TH Köln?

Alles zum Thema Technische Hochschule Köln

Wir verstehen uns als eine Hochschule in der Gesellschaft und für die Gesellschaft. Deshalb sollen Problemstellungen aus der Gesellschaft und die großen Herausforderungen unserer Zeit wie die Anpassung an den Klimawandel, die demografische Entwicklung, der soziale Zusammenhalt und die digitale Transformation der Ausgangspunkt für unsere Lehre und Forschung sein. Es geht aber nicht nur darum, Wissen zu generieren, dieses soll auch wirksam sein. Damit dieser Transfer gelingt, spielt die Zusammenarbeit mit Akteuren außerhalb des Wissenschaftsbereichs für uns eine wichtige Rolle – nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre.

Was waren Meilensteine in den vergangenen zehn Jahren?

Ein zentraler Aspekt unserer Arbeit war und ist die Standortentwicklung. Neben unseren Standorten in Deutz, der Südstadt und Gummersbach konnten wir einen hochmodernen Campus in Leverkusen beziehen, an dem nun die angewandten Naturwissenschaften heimisch sind. Aktuell laufen zudem die Planungen für ein Forschungs- und Transferzentrum in Erftstadt zu den Themen Strukturwandel und Klimaforschung mit dem Namen ,Center for Innovation with Nature‘.

Wichtig für uns und alle Hochschulen für angewandte Wissenschaften in NRW war die Gründung des Promotions-Kollegs, durch das wir auch ohne universitäre Partner Doktorarbeiten anbieten können. Besonders gefreut hat mich, dass die erste erfolgreiche Promotion am Kolleg von uns kam. Wir haben uns zudem in der Lehre mit innovativen Konzepten sehr positiv weiterentwickelt und sind dafür mehrfach ausgezeichnet worden.

Welchen Einfluss hat die TH Köln auf die regionale Wirtschaft?

Ich denke, dass wir eine wichtige Rolle spielen, was sich an verschiedenen Faktoren zeigt. So bleiben die meisten unserer Studierenden nach ihrem Abschluss in der Region, was ein Beitrag gegen den lokalen Fachkräftemangel ist. Zudem arbeiten wir auf vielen Ebenen mit der Wirtschaft zusammen, sei es in Forschungsvorhaben, in Lehrprojekten und durch Bachelor- oder Masterarbeiten unserer Studierenden.

Es ist uns in den letzten zehn Jahren immer besser gelungen, uns als kompetente Ansprechpartnerin für eine Vielzahl von Branchen zu positionieren. Beispielhaft dafür ist der Campus Gummersbach, der sich zu einem wahren Innovationsmotor im Bergischen entwickelt hat und um den ein intensives Netzwerk zwischen Wissenschaft und Praxis entstanden ist. So besteht schon seit knapp zehn Jahren auf der ehemaligen Entsorgungsdeponie Leppe das Lehr- und Forschungszentrum Metabolon, das sich den Themen Kreislaufwirtschaft und Ressourcennutzung widmet.

Wie ist die Gründungsmentalität bei den Studierenden?

Es gibt ein grundsätzliches Interesse daran, sich selbstständig zu machen, das wir durch diverse Maßnahmen fördern. Viele Lehrveranstaltungen beinhalten Module zum unternehmerischen Denken und wir haben an allen Standorten eine Infrastruktur aufgebaut, in der Studierenden ihre Ideen testen können. Dazu gehören unsere Makerspaces genannte Werkstätten, ein Gründungsservice, Förderprogramme und Wettbewerbe.

Was treibt die Studierenden um?

Bei der Studienwahl ist eine der wesentlichen Fragen: Was kann ich mit dem Studium für die Gesellschaft tun? Nachhaltigkeit, ökologische und soziale Transformation sind wichtige Themen, zu denen die jungen Menschen etwas beitragen möchten. Mich freut dies sehr, denn letztlich ist es das, was wir jetzt brauchen: Menschen, die bereit sind, diese großen Transformationsprozesse mitgestalten zu wollen.

Wie wichtig ist Studierenden die Hochschule als konkreter Ort?

Es gibt ein starkes Bedürfnis der Studierenden, von zu Hause aus zu lernen und digitale Tools nutzen zu können. Andererseits ist die Hochschule ein sozialer Raum und ein Diskursraum, der eine Präsenz erfordert. Denn der persönliche Austausch und die Begegnung sind wichtig, weil dadurch eine andere Vertrauensbasis entsteht, man ins Gespräch kommt und Ideen kreiert werden können. Das Studium ist mehr als die Abfolge von Lehrveranstaltungen. Insofern sind wir bestrebt, eine Kombination aus Digital und Präsenz zu etablieren und eine gute Balance sicherzustellen.

Apropos konkrete Orte. Wie ist der Stand der Baustelle Campus Deutz?

Wir sind zufrieden mit dem Fortschritt und können im nächsten Jahr den Spatenstich für das erste Hörsaalgebäude feiern. Bislang wurde viel Zeit in vorbereitende Maßnahmen gesteckt, etwa um die umfangreiche Baustellenlogistik zu ermöglichen. Zudem haben wir nachträglich die Energieversorgung des Campus von Gas auf nachhaltige Geothermie umgestellt, was Brunnenbohrungen erforderlich gemacht hat.

2026 soll die TH rund 4,7 Millionen Euro Landesmittel einsparen. Wie soll das gehen?

Das wird uns empfindlich treffen und wir sind noch dabei, uns Gedanken zu machen, wie wir diese Kürzungen umsetzen. Wenig sinnvoll wäre das Rasenmäherprinzip, also einfach in der Breite zu kürzen. Stattdessen möchten wir sinnvoll einsparen, Synergien heben und Prozesse verschlanken. Wir wollen zudem unsere Verwaltung reorganisieren, Aufgaben zusammenlegen und die Kürzungen damit auffangen.

Was ist Ihre Vision für die nächsten zehn Jahren?

Wir möchten den in den letzten Jahren eingeschlagenen Weg weitergehen als Hochschule, die sich ihrer Verantwortung für die Region stellt. Wir möchten ein Zentrum für Forschung und Transfer sein und zusammen mit außerhochschulischen Akteurinnen wie Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen und Kommunen daran arbeiten, dass unsere Region so aufgestellt ist, dass sie ein lebenswerter Ort bleibt und wird.