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Neue StudieWirtschaftskraft des Kölner Karnevals so groß wie nie zuvor

5 min
Weiberfastnacht auf dem Alter Markt.

Weiberfastnacht auf dem Alter Markt.

Den größten Wachstum gibt es im Bereich Tourismus und Unterkünfte. Die Befragung zeigt aber auch, wo Luft nach oben ist.

In und rund um den Kölner Karneval geben die Menschen so viel Geld aus wie nie zuvor. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie der Boston Consulting Group (BCG), der Rheinischen Fachhochschule Köln und des Festkomitees. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick.

Was ist das Ergebnis der Studie?

Sie erfasst die Wirtschaftskraft, also sozusagen das Bruttoinlandsprodukt des Kölner Karnevals. „Wir messen alles, was die Endverbraucher in der Karnevalszeit in Köln ausgeben“, sagt Dr. Dennis Utzerath von der Boston Consulting Group. „Die Wirtschaftskraft ist nicht alles“, sagt Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn einordnend. „Aber es ist trotzdem ein entscheidender Faktor, auf den wir von Zeit zu Zeit schauen sollten“. Für die Session 2008/09 hat das Festkomitee das erstmals so umfassend getan, 2018/19 folgte die zweite Erhebung, nun die dritte. Seit der letzten Studie ist viel passiert. Die Welt war und ist noch immer geprägt von Krisen, die auch den Karneval veränderten. Aller Krisen zum Trotz gibt es im Karneval, zumindest was die Wirtschaftskraft betrifft, Zuwächse in allen Branchen. Betrug die Wirtschaftskraft 2018 noch knapp 600 Millionen Euro, ist sie seitdem um 42 Prozent auf 848 Millionen Euro angestiegen.

Die Wirtschaftskraft des Kölner Karnevals ist seit 2019 um 42 Prozent gestiegen.

Die Wirtschaftskraft des Kölner Karnevals ist seit 2019 um 42 Prozent gestiegen.

Was sind die Gründe dafür?

„Dem Konsumenten sind Erlebnisse auch in der Wirtschaftsflaute wichtig. Das ist ein Trend, den wir auch im Karneval sehen“, sagt Dr. Dennis Utzerath von der Boston Consulting Group. „Ganz besonders in Zeiten von Instabilität ist der Karneval ein wichtiger Anker für die Menschen“, sagt Kuckelkorn. Ein weiterer Grund sind die Preissteigerungen in allen Bereichen. Das Kölsch ist teurer als es noch 2019 war, genau wie das Kostüm, der frische Haarschnitt vor der Prinzenproklamation oder die Übernachtung im Hotel. Finanzielle Belastungen, die die Menschen offenbar aber nicht davon abhalten, Karneval zu feiern.

Wer profitiert am meisten vom Karneval?

Die stärksten Zuwächse gibt es im Bereich Tourismus und Unterkünfte, hier ist die Wertschöpfung 72 Prozent höher als noch vor der Corona-Pandemie und beträgt mittlerweile 109 Millionen Euro. 38.000 Betten gibt es in Köln. Auch weil die Zahl in den vergangenen Jahren gestiegen ist, hat sich die Zahl der Übernachtungen im Vergleich zu 2018 um 90.000 auf nun 470.000 in der gesamten Session vergrößert. „An den sonst eher auslastungsschwachen Wochenenden im Januar kommt der Karneval sehr gelegen“, sagt Utzerath. Die steigenden Übernachtungszahlen sind für Utzerath bestes Beispiel, wie die Stadt vom Karneval profitiert. Denn fünf Prozent des Brutto-Übernachtungspreises gehen als Übernachtungssteuer an die Stadt Köln.

Wie hat sich der Veranstaltungsbereich entwickelt?

Eine Million Menschen besuchten in der Session 2024/25 Sitzungen und Bälle. Steigende Besucherzahlen bei einem ähnlichen Veranstaltungsangebot wie 2018/19 und den erwähnten Kostensteigerungen führen zu einer 70 Prozent höheren Wirtschaftskraft. Dass viele Veranstaltungen besser frequentiert sind als je zuvor, bestätigt den Eindruck der vergangenen Session. Absehbar war eine solche Entwicklung lange Zeit aber nicht. Vor allem nach der Pandemie hatten viele Gesellschaften mit schwachen Vorverkaufszahlen zu kämpfen. Viele Plätze blieben leer. Oft konnten steigende Kosten nicht gedeckt werden. Die Situation hat sich mit Blick auf die Studie nun offenbar wieder erholt.

Welche Rolle spielt der Karneval für die Menschen?

Ein kulturelles Highlight ist der Karneval für 94 Prozent der Befragten. Etwa genauso viele bewerten das Fest als „einzigartig“ und als wichtigen Beitrag zur Brauchtumspflege. 80 Prozent sagen: „Der Karneval ist ein Lebensinhalt, der mich prägt“. „Der Kölner Karneval ist weit mehr als Brauchtum“, sagt Silke Schönert, Professorin an der Rheinischen Fachhochschule Köln. „Er stiftet Identität, stärkt das Miteinander und prägt das Image der Stadt.“ Die Erhebung zeigt aber auch Felder auf, in denen noch Luft nach oben ist. Jeweils gut die Hälfte der Befragten wünscht sich mehr Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene sowie die Förderung von inklusiven und barrierefreien Angeboten. Trotz des großen Stellenwerts, den der Karneval für Köln hat, bewerten nur sechs Prozent der Befragten das Engagement der Stadt als ausreichen. Rund 30 Prozent wünschen sich mehr Einsatz seitens der städtischen Verwaltung. 

Wie bewertet das Festkomitee die Ergebnisse?

„Wenn wir auf die Branchen schauen, in denen die Umsätze gemacht werden, sehen wir, dass vieles am Karneval vorbeifließt“, sagt Kuckelkorn. „Dass weniger als ein Prozent von den 848 Millionen Euro beim Festkomitee landet, macht uns ein bisschen nachdenklich.“ Der Karneval werde an vielen Stellen vom Ehrenamt getragen. Aber auch müsse Ergebnisse einfahren, um für die Zukunft stabil aufgestellt zu sein. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir an diesem enormen Wachstum mit den Vereinen und dem Festkomitee partizipieren können.“ Auch die Kostensteigerung, die ein wesentlicher Grund für die erhöhte Wertschöpfung im Karneval ist, bereitet den Vereinen Sorgen. „ Es ist ganz wichtig, dass der Karneval kein elitäres Erlebnis ist, dass er offen bleibt und dass wir uns um Formate kümmern, die sich Menschen leisten können.“

Die Ergebnisse der Studie sind laut Kuckelkorn nun das „solide Fundament“ für das Projekt „Alaaf 2024“, in dem das Festkomitee Zukunftsperspektiven für die den Kölner Karneval erarbeiten will.


Die Erhebung

5640 Menschen mit ganz unterschiedlicher Einstellungen zum Karneval wurden für die Studie von der Rheinischen Hochschule Köln befragt - online und auf der Straße. Dazu kamen Interview mit Repräsentanten des lokalen öffentlichen Lebens und des Kölner Karnevals. Die Wirtschaftskraft ermittelte die Boston Consulting Group auf Basis von Experteninterviews, Datenbanken, öffentlichen Statistiken und internen Erhebungen des Festkomitees.