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Rocker-ErmittlungenGibt es Racheaktionen nach Schüssen auf „Hells Angels“?

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Von Kugeln durchsiebt: die Windschutzscheibe des beschossenen Autos.

Von Kugeln durchsiebt: die Windschutzscheibe des beschossenen Autos.

36-Jähriger schwebt nach Schüssen in Dellbrück weiter in Lebensgefahr.

Kaum ist es im Kölner Drogenkrieg ruhiger geworden, wird im Rocker-Milieu wild geschossen: Nach dem Mordanschlag auf einen Rocker (36) der „Hells Angels“ am Freitagabend in Dellbrück, sind die Beamten im Polizeipräsidium elektrisiert. Was passiert nach der Tat? Kommt es zu Racheaktionen? Die Ermittler im Bereich der Organisierten Kriminalität werden keine ruhigen Festtage haben. Bei einem Fall dieser Tragweite wird von der Polizei die komplette Bandbreite der kriminalistischen Arbeit durchgeführt. Dazu gehören verdeckte Ermittlungen, Observationen, Abfrage von Handydaten oder Überprüfung von Überwachungsvideos.

Es stellt sich die Frage, wer für die brutale Tat verantwortlich ist. Was sind die Hintergründe? Wer gab den Auftrag für die Schüsse? Oft geht es bei blutigen Auseinandersetzungen um „Revierkämpfe“ oder „Gebietsansprüche“. Das klingt beschönigend, denn es geht nicht darum, wer wo sein Bier trinken darf. Beide Gruppen positionieren sich in fragwürdigen Milieus: in der Türsteher-Szene, in Rotlichtvierteln, sie sind im Drogenhandel aktiv oder fallen durch unerlaubten Waffenbesitz auf.

Es ist ein glücklicher Zufall, dass es keine Todesopfer gegeben hat.
Uwe Jacob, Kölns ehemaliger Polizeichef

Im Zusammenhang mit dem Angriff in Dellbrück gerät auch ein 17-Jähriger ins Blickfeld der Ermittler. Im November 2025 war der Jugendliche aus Schweden in einem Kölner Hotelzimmer festgenommen werden, weil er offenbar einen Mordauftrag durchführen wollte. Er hatte sich auf ein entsprechendes „Inserat“ in den sozialen Medien bei den unbekannten Auftraggebern gemeldet. Wie die Kölner Staatsanwaltschaft mitteilte, führt eine Spur in den Rockerbereich. Laut den Ermittlungen soll es in dem Fall Verbindungen ins „hiesige Rockermilieu“ geben, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft ausführte. Ermittlungen zum Auftraggeber, zur Zielperson und den genauen Tatumständen dauerten noch an, teilte der Sprecher weiter mit. Die Behörde prüft nun einen Zusammenhang zu den Schüssen von Dellbrück, wie es von der Staatsanwaltschaft am Montag hieß. Weitere Angaben werden wegen der laufenden Ermittlungen nicht gemacht.

Die Beamten für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität sind schweigsam, wenn es um Informationen für die Öffentlichkeit geht. „Wir können nicht über alles öffentlich sprechen“, sagte unlängst Polizeipräsident Johannes Hermanns im Zusammenhang mit dem Kölner Drogenkrig. Im Bereich der Organisierten Kriminalität sei Geheimhaltung ein wichtiger Punkt in Richtung Ermittlungserfolg.

Mord vor dem Fitness-Studio in Mülheim nicht aufgeklärt

Der lebensgefährlich verletzte Rocker (36) schwebte am Montagnachmittag weiter in Lebensgefahr. Sein Zustand wird als kritisch beschrieben. Achtmal wurde aus nächster Nähe mit einer großkalibrigen Waffe auf den Mann geschossen, als er am Steuer seines Autos am Fellmühlenweg saß. Der Angreifer ist weiter auf der Flucht. Der Schütze ist schwarz gekleidet gewesen, wie bei ähnlichen Angriffen im Rocker-Milieu. Nach dem Mord an einem Rocker (32) vor einem Fitness-Studio in Mülheim im Herbst 2024 war ein komplett schwarz gekleideter Mann mit einem E-Scooter geflüchtet. Bei Schüssen auf Wohnhäuser in den vergangenen Monaten hatten die Täter auch komplett schwarze Kleidung an. Der Schütze nach dem Mord vor dem Fitness-Studio ist weiter nicht gefasst.

Wie schwierig die Ermittlungen im Rocker-Milieu sind, zeigt ein Fall aus dem September 2024. Damals wurde auf ein Uhrengeschäft auf der Friedrich-Karl-Straße in Niehl mehrfach geschossen. Zuerst wurde ein Zusammenhang mit der Explosionsserie rund um den Drogenkrieg in Köln befürchtet. Doch die Behörden gaben Entwarnung. „Bei aller Vorsicht dürfte hier eher ein Rockerhintergrund anzunehmen sein“, sagte damals der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ulrich Bremer. Es würden Zusammenhänge zum Fund einer Handgranate unter einem Auto geprüft. Kölner Feuerwehrleute wurden im September 2024 zu einem ausgebrannten BMW X6 gerufen. Während der Löscharbeiten entdeckten Feuerwehrleute eine scharfe Handgranate unter dem Auto. Weil ein sicherer Transport nicht möglich war, sprengten Spezialisten des Landeskriminalamtes die Granate.

Polizeiführung spricht von „Wild-West“-Methoden

Bei der Polizei hat das Opfer aus Dellbrück eine umfangreiche Akte, wie zu erfahren war. Beispielsweise war der 36-Jährige an einer Auseinandersetzung im Januar 2019 in der Kölner Innenstadt beteiligt, wie „Bild-Zeitung“ zuerst berichtete. Damals trafen sich das Mitglied der „Hells Angels“ und der damalige Bandidos-Boss hinter dem Hauptbahnhof und es kam zu einer Schießerei. Stunden danach waren bei einer mutmaßlichen Vergeltungsaktion 14 Schüsse auf die Tür eines Lokals in Buchheim abgegeben worden, das dem Vater eines Mitglieds der „Hells Angels“ gehört haben soll. Kölns Kripochef Stephan Becker sagte damals: „Es ist ein glücklicher Zufall, dass es keine Todesopfer gegeben hat“. Bei den Schießereien in der Öffentlichkeit sei das Leben von unbeteiligten Menschen gefährdet worden. „Die Gefahr für die Bevölkerung ist den Schützen völlig egal“, betonte der damalige Polizeipräsident Uwe Jacob und sprach von „Wild-West“-Methoden.

Die Polizei reagierte damals mit umfangreichen Razzien. Aktionen fanden vor allem in der Innenstadt, aber auch in verschiedenen Stadtteilen im Rechtsrheinischen statt. Umfangreiche Maßnahmen der Polizei gab es auch im verdeckten Bereich. „Wir werden es nicht dulden, dass es in Köln so weitergeht wie bisher“, machte damals die Polizeiführung deutlich.