Laut der Einrichtung wurde ein Fallschutz vor der Treppe auf Anweisung der Feuerwehr entfernt. Doch die Stadt widerspricht dieser Aussage.
Anzeige gegen SeniorenheimDemenzerkrankte stürzt in Rollstuhl ungesicherten Notausgang hinab

Die 76-jährige Schwerverletzte liegt laut ihrem Bruder und Betreuer auf der Intensivstation und ist in kritischem Zustand. (Symbolbild)
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Harald S. hat sich in der vergangenen Woche auf den Weg zur Polizeiwache gemacht. Seine 76-jährige Schwester liegt nach einem Sturz in ihrem Rollstuhl auf der Intensivstation. Sie sei hochgradig dement und durch ihre MS-Erkrankung (Multiple Sklerose) stark körperlich eingeschränkt, erzählt ihr Bruder und Betreuer. Seit über zehn Jahren lebe sie im Maternus Seniorencentrum in Rodenkirchen. Bei ihrem gewohnten Besuch auf der für alle frei zugänglichen Raucherterrasse war sie am vergangenen Mittwoch eine Notausgangstreppe hinuntergefallen, die über einen von der Terrasse abgehenden Gang zu erreichen ist.
Der Unfall hätte laut Harald S. vermieden werden können. Denn der Zugang zur Treppe war ungesichert. Ausschließlich da, wo die Treppe auf die Straße führt, ist sie mit einem Tor versperrt. Harald S. erstattete Strafanzeige gegen das Seniorencentrum und die betreibende Unternehmensgruppe Cura „wegen grober Verletzung der Aufsichtspflicht und des Verdachts der fahrlässigen schweren Körperverletzung“, erklärt er. Die Polizei Köln sagte auf Nachfrage, sie habe die Anzeige an die Staatsanwaltschaft übergeben.
„Ihr Zustand ist kritisch“, so der Bruder der Schwerbehinderten. Auf der Intensivstation werde sie künstlich beatmet. Sie habe durch den Sturz Knochenbrüche am Oberschenkel, Schienbein, Schlüsselbein und an einer Rippe erlitten, ihr Kniegelenk sei zertrümmert. Hinzu kämen „eine Vielzahl weiterer erheblicher Verletzungen“.
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Mit der Strafanzeige wolle Harald S. auch verhindern, dass weitere Bewohnerinnen und Bewohner dort stürzen. Nach wie vor sei die Steintreppe nicht mit einem Gitter oder einem Tor gesichert. „Ich bin von dem Management der Einrichtung entsetzt“, sagt er.
Sturz in Maternus Seniorencentrum: Feuerwehr widerspricht Aussagen der Einrichtung
Laut Harald S. seien an den Wänden des Treppenabgangs Metallösen zu sehen, die darauf hindeuten, dass dort ein Gitter befestigt gewesen sein könnte. Eine Sprecherin von Cura teilt auf Anfrage mit: „In der Vergangenheit war die Treppe mit einem zusätzlichen Fallschutz versehen. Dieser musste auf ausdrückliche Anweisung der zuständigen Feuerwehr entfernt werden, da Flucht- und Rettungswege nicht abgesperrt oder durch bauliche Hindernisse eingeschränkt werden dürfen.“ Man bedaure den Unfall und überprüfe die Situation, „um im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorgaben mögliche weitere Verbesserungen zu prüfen.“
Die Feuerwehr Köln konnte die Aussagen der Senioreneinrichtung nicht bestätigen. Während der „vorgeschriebenen Brandverhütungsschau“ sei das Objekt zusammen mit der Bauaufsicht im Rahmen der wiederkehrenden Prüfung zuletzt 2022 überprüft worden, teilte die Stadt auf Anfrage mit. „Weder bei dieser noch bei vorhergehenden Besichtigungen wurde ein Entfernen des beschriebenen Gitters gefordert“, heißt es in der Mitteilung weiter. Grundsätzlich sei es die Pflicht des Betreibers, dafür zu sorgen, dass Flucht- und Rettungswege „dauerhaft frei und zugänglich“ sind. Parallel dazu obliege ihm natürlich ebenso die Fürsorge- und Aufsichtspflicht für demenzkranke Patientinnen und Patienten.
Lösung seien Türen oder Gitter, die nicht selbstständig von gefährdeten Personengruppen geöffnet werden können. So werde die Situation auch in Kindergärten gehandhabt. „Im vorgenannten Fall ist es möglich, die Notausgangstüren oder Schutzgitter so zu gestalten, dass diese nur im Beisein von Pflegepersonal geöffnet werden können und so die Belange des vorbeugenden Brandschutzes Berücksichtigung finden“, sagt die Stadt mit Blick auf die Notausgangstreppe im Seniorencentrum.
Laut dem Eindruck von Harald S. habe ein Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner der Pflegestation, auf der auch seine Schwester lebt, eine demenzielle Erkrankung. Obwohl der Einrichtung die fehlende Absicherung der Treppe offenbar bewusst war, wurden Bewohnerinnen und Bewohner auf der Terrasse offenbar nicht intensiver beaufsichtigt.
Der Bereich, in dem der Unfall passierte, werde von den Bewohnenden „nur selten frequentiert“, teilt Cura mit. Die betroffene Bewohnerin halte sich „regelmäßig eigenständig auf der Raucherterrasse auf“, heißt es weiter. „Dass sie sich alleine dorthin bewegt hat, entspricht ihrem üblichen und bislang unauffälligen Verhalten. Unsere Einrichtung ist keine geschlossene Einrichtung. Die Bewohnerinnen und Bewohner haben das Recht auf Bewegungsfreiheit, das wir respektieren und ermöglichen.“ Die Seniorin sei „kurz nach dem Vorfall“ aufgefunden worden. Laut Harald S. wurde seine schwerverletzte Schwester „offenbar nur durch Zufall entdeckt“.
